Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Sheela-na-Gigs


Sheela im Bunratty Castle, County Clare, Februar 2004


"Sheela-na-Gigs" sind steinerne figurative Darstellungen von Frauen, die hauptsächlich eines gemeinsam haben: sie zeigen die weiblichste ihrer Körperhöhlen, die Vulva, vollkommen frei. Es gab vermutlich früher sehr viele von ihnen, heute ist ihre Zahl sehr geschrumpft. Hauptsächlich kann man sie auf den "British Isles", also in Großbritannien und Irland, besuchen, sich wundern und sich fragen, was es mit ihnen auf sich hat.

Eine weitere Eigenschaft ist, daß sie nicht "schön" sind. In unseren heutigen Sinne sind sie alles andere als ästethisch, ja sie sind oft eher häßlich und abstoßend - und das oft an sehr prominenten Plätzen, z.B. über Kirchenportalen, wo jeder drunter durchgehen muß, will den Innenraum betreten.

Viel hat sich die Wissenschaft noch nicht damit beschäftigt, handelt es sich doch um Formen, die nicht mit den heute gängigen und bevorzugten moralischen Werten, sofern es überhaupt noch welche gibt außer dem Geld, in Übereinstimmung zu bringen sind. Das im Jahre 2001 erschienene Werk von McMahon und Roberts füllt aber in großem Maße diese Lücke. Es ist wirklich erstaunlich, was sie alles zusammengetragen haben, um auch ein geistiges Verständnis für diese uns ziemlich fremd gewordenen Figuren wieder zu wecken.

Es ist ein faszinierendes Tun, diese Figuren an Ort und Stelle aufzusuchen und sie auch mal selber zu sehen. Das ist nicht einfach. Es geht schon los mit dem Finden. Wo sind sie. Selbst wenn man über die Führer von Roberts und McMahon verfügt, vor Ort sieht alles oft ganz anders aus. Das ist dann eine Kirche, aber wo ist die "Sheela"? Drinnen, draußen? Ist die Kirche offen oder zu? Da ist ein Schloß, aber wo ist die "Sheela"? Aufregende Suchabenteuer liegen vor jedem, der sich aufmacht, auch mal ihnen in natura gegenüber zu treten. Und wenn man dann in die Kirchenbesucherbücher so mancher Region schaut, dann sieht man, daß auch andere das vor einem getan haben. Sheelasuchen - eine faszinierende Sache.

Für mich begann der Kontakt mit den Sheelas auf eine Weise, die könnte wohl kaum hinführender sein. Am Hill of Tara war es, diesem "Nabel von Irland". Ich war im Wohnmobil mit meiner Familie dort eines Abends als wir Dublin gerade hinter uns gelassen hatten und einen Standplatz suchten. Da war einer, ganz allein waren wir, der Souvenirshop hatte schon geschlossen, niemand außer uns war mehr da, an diesem Platz, wo früher die irischen Könige bestimmt worden waren! Auf einen Stein mußten sie hinaufklettern und stehenbleiben. Schafften sie das, waren die der Regent. In Friedhof davor stehen viele Grabsteine, einer davon hatte eine abweichende Form. Irgendwas war da drauf. Am nächsten Morgen wurde mir das klar. Der Souvenirshop hatte geöffnet, ich stieß auf das Robertsbuch, las es kurz, stieß auf die Taraerwähnung, ging zum Stein, und sah auch sofort, was so mancher gesehen hatte. War das die früheste Darstellung einer Sheela? Die Suche begann und der Impuls der damals mich bewegt hat, der läßt mich nicht mehr los.

Und mehr weiß ich auch heute nicht wirklich. Aber das ist ja gerade das Spannende. Die Rätsel und Geheimnisse. Lassen wir sie dort in diesem Zustand. Sie sind das, was uns im Innersten berührt, uns befeuert, was uns anzieht. Ein offener Raum vor uns statt einer Mauer. Wie das, was sie im Grund uns zeigen, die Sheelas.


Shanrahan, County Tipperary,
Febr 2004

Fethard, County Tipperary,
Febr 2004
Fethard, County Tipperary,
Febr 2004
 

Erich Fried hat in seinem Gedicht "Alte Andacht" Bezug auf die Sheelas genommen:

"Damit ich deinen Schoß
besser liebkosen kann
hast du ihn offengehalten
mit zwei Fingern
wie Ischtar und Lilith
und wie die steinerne oder
hölzerne Sheela
in alten irischen Kirchen
die ich früher erstaunt
vor Augen sah...."

 


Erstaunlich... in Neuseeland gibt es ähnliche Motive

und in Indien, als Lajja-Gauri

und in Italien - Mailand, Porta Tosa

und in Frankfreich - Abteikirche Sainte-Radegone in Poitiers....


Literatur:

Freitag, Barbara

Sheelana-Gigs. Unravelling an Enigma
Fried, Erich Gründe, Wagenbach-Verlag, 1989
McMahon, Joanne, Roberts, Jack The Sheela-na-Gigs of Ireland and Britain - The Divine Hag of the Chistian Celts - An Illustrated Guide, Mercier Press, Dublin 2001
Roberts, Jack The Sheela-na-Gigs of Britain & Ireland - An illustratied guide, Skibbereen, West Cork 1993
Rothhaas, Julia Pretty in Pink, Süddeutsche Zeitung Nr. 178, STIL, 4./5. August 2018, S. 51

Links:

http://www.sheelanagig.org/

http://www.irelands-sheelanagigs.org/

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