Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Baumhöhle in der Edignalinde in Puch bei Fürstenfeldbruck, Bayern, D
2009
Alle 10 Jahre gibt es die Gelegenheit, ein Theaterstück zu besuchen, in dem eine große Baumhöhle eine zentrale Rolle spielt. 1999 war es wieder soweit, 2009 ist nun auch vorbei, 2019 wieder!
Wovon ist gerade die Rede? Von
dem Theaterstück, das sich mit dem Leben der Seligen
Edigna von Puch beschäftigt, deren Todestag mit dem 26.
Februar 1109 überliefert ist. Diese Frau, zumindest will es so
die Legende und das Stück bringt es so auf die Bühne, lebte 35
Jahre lang in der hohlen Linde bei der Kirche von Puch.
Und das liegt in der Nähe von Fürstenfeldbruck in Bayern am
Rande des Ampertales. Die Sage erzählt, daß beim Aufstieg aus
dem Tal auf die Höhe morgens plötzlich eine Glocke geläutet
und gleichzeitig ein Hahn gekräht hätten und daß das das
Zeichen für die Selige gewesen sei, daß sie an diesem Ort ihr
weiteres Leben verbringen wollte. Sie war gerade auf der Reise,
wohl besser Flucht vor ihrem Vater, angeblich der französische
König, der sie verheiraten wollte, aber sie verzichtete lieber
auf Reichtum und Macht und führte lieber ein einfaches Leben als
Gott ergebene Frau in der hohlen Linde. Viele Wunder soll sie
vollbracht haben und vielen Menschen sei damit geholfen worden.
Das Stück ist sehr rührselig, einfach gestrickt, von der
Sehnsucht nach der heilen Welt durchtränkt, aber reizend
aufgeführt. Und da ist dieser Baum mit der klaffenden Spalte
drinnen. Durch ihn ist das Innere zugänglich, schwarz innen
ausgekleidet und mit einem Sitzbrett versehen. Auf ihm sitzt,
wirkt und letztendlich stirbt die starke Titelheldin, übrigens
prima gespielt von Vroni Baumann. Aber warum wird da immer von
Gott oder vom Herrn geredet? Warum nicht einmal von einer
"Göttin"? Wer mehr darüber lesen möchte, der findet
die gesamte Geschichte in dem kleinen Büchlein, das man beim
Theaterbesuch mitbekommt. Im Regionalteil der Süddeutschen
Zeitung war auf S.2 der Wochenendausgabe vom 27./28.2.1999 ein
ausführlicher Bericht.
Hassprediger: Wer, frag ich, lebt und wohnt so sonderbar, wie es nicht üblich ist für eine Frau? Wer lebt und wohnt ganz unter uns und doch verkrochen? Wer braut den Menschen Sudel, legt den Kindern Kräuter auf?
Alle: Die Frau!
Einer: Im Lindenbaum!
Eine: im Höhlendunkel!
Einer: In unsrer Mitte!
Alle: Edigna!
2014 |
Für das Edignaspiel 2019 wurde von Marcus Evering ein neues Stück geschrieben "Ex Voto Edigna - Was vom Baum blieb" - Ein Spiel über Zeit und Gegenwart". Am 3. März 2019 habe ich mir das Vergnügen gegönnt, diese Neuaufarbeitung des alten Stoffs selber anzuschauen. Das Stück ist wirklich gelungen und wurde gekonnt aufgeführt. In einem ersten Teil wurde die Geschichte der Edigna erzählt und szenisch aufgearbeitet. Dann öffnete sich der Vorhang und das Gegenwartsspiel begann. Die Hauptperson hieß nicht Edigna, sondern "Catherine", lebte auch nicht in einem Baum, sondern zuerst eigentlich auf einer Bank an einer Bahnsstation. Dort hockte auch ein alter Witwer, der der jungen Frau eine Herberge anbot für die Nacht. Alles, was sie tun wollte und tat, das war den Menschen Zeit zu schenken, von der die meisten keine mehr zu haben schienen. Als äußeres Symbol warf Catherine/Edigna zuerst ihr Handy in den Abfalleimer! Von einem Fremdkörper, den man lieber ausgrenzt oder am besten wieder heimgeschickt hätte, entwickelt sich die junge Frau zum sozialen Mittelpunkt der Gemeinde, die selbst der etablierten Kirche, zumindest nach deren Selbsteinschätzung, gefährlich wird.
"Was blieb vom Baum?" Und wer halt genau hinschaut und um die Höhle darin weiß, auch von dessen Innern, der den Besuchern nur als schwarze Fläche sichtbar ist. Der Baum ist bloßes Dekorantionselement, gemalt auf eine Hintergrundfläche hinter der Sitzbank (es scheint das selbe Bild zu sein, das man schon vor 10 Jahren eingesetzt hat), auf der sich das Kerngeschehen abspielt. Die Natur ist auf dem totalen Rückzug, allenfalls noch als BIldzitat vorhanden, mit keinem Wort erwähnt, spielt keine lebendige Rolle mehr.
Würde es jemand überhaupt merken, wenn man ihn einfach wegließe, den alten Stamm auf dem Friedhof vielleicht einfach wegsägen würde, das "alte Glump", den "Verhau", und an die Stelle vielleicht was Schickes aus dem Gartenmarkt pflanzen würde. Sicherer wäre es allemal, man weiß ja nie, wann wieder ein Ast einfach abbrechen wird und vielleicht sogar ein Kind dadurch gefährdet würde!
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Literatur:
Amann, Manfred | Von zeitlosem Wert, Süddeutsche Zeitung Nr. 44, 21. Februar 2019, R 9 |
Bierl, Peter | Emanzipiert und standhaft unstandesgemäß - Sozialpädagogik aus dem hohlen Baum: Der Edigna-Verein und ein Historienspiel pflegen in Puch das Erbe der Ortsheiligen, Süddeutsche Zeitung FFB-Beilage Seite R2, 15. Mai 2006 |
Engels, Christoph | 1000 heilige Orte - Die Lebensliste für eine spirituelle Weltreise, Potsdam 2009 |
Knaut, Katharina | Die Selige ins Heute geholt, Süddeutsche Zeitung Nr. 47, 25. Februar 2019, S. R9 |
Klemenz, Birgitta, herausgegeben von | Edigna zu Puch, Festschrift aus Anlass der 6. Edigna-Spiele im März 2009, Puch 2009 |
Kühn, Uwe, Kühn, Stefan, Ullrich, Bernd | Bäume die Geschichten erzählen, blv-Verlag, München 2005 |
Künzel, Karolin | 50 sagenhafte Naturdenkmale in Bayern, Steffen Verlag, Berlin 2019 |
Links:
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