Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Magdalenenklause im Nymphenburger Schloßpark

- ein anthropospeläologisches Schmuckstück


Warum läßt sich ein Mensch ein neues Haus bauen, das einer Ruine gleichen soll? Eine oberflächliche Anthropologie würde das gleich als "unlogisch" denunzieren und als "negativ belastet". Wo bleibt das bloß das "Positive"? Die Sehnsucht nach der Lebensfreude? Immer gleich an den Verfall und den Tod denken! Pö.

Ab 1725 hat sich der damalige bayerische Herrscher Max Emanuel durch Joseph Effner in den Park von Schloß Nymphenburg in München so etwas stellen lassen. Außen Ruine - innen Grotte. Erklärt wird uns diese Seltsamkeit heute durch die "Idee der Flucht aus dem höfischen Zeremoniell". Der Herrscher wollte durch den Rückzug in die Einsamkeit wieder zur religiösen und philosophischen Besinnung kommen, zu Einfachheit und stillem Naturgenuß. Nun ja, wie ein Reihenhaus sieht das Gebäude ja nicht gerade aus. Dafür hat es zu viele Zimmer, zu viel Holzparkett am Boden, zu viel Kunst rundum. Und im Keller gab es sogar eine Küche, wo "das Geschirr mit dem herzoglich bayerischen Wappen in großen Schränken" aufbewahrt wurde.

Über dem Eingang hat man eine Marmortafel angebracht, die auf die Einweihung der Kapelle durch den Erzbischof und Kurfürsten von Köln, Clemens August, am 4.4.1728 hinweist. Am Magdalenentag, dem 22. Juli, soll die Kapelle noch heute von Wallfahrern besucht werden.

Gleich hinter dem Eingang beginnt der Grottenteil. Er wurde von J.B. Koch "inkrustiert. Verwendet wurde dazu Tuffsteine, Muscheln, bunte Steine und allerlei anderes Zeug. Es lohnt sich da genauer hinzuschauen. Eine verspielte Phantasiewelt tut sich da auf. Aber um die kleinen Vogerln zu sehen, hätte der "Herrscher" ja nur im Frühjahr vor die Tür treten brauchen. So wollte er sie wohl das Jahr über haben, und so mußte halt der menschliche Geist so eine künstliche Welt hervorbringen.

Der zentrale Blickort ist die Grottennische mit der Figur der Maria Magdalena von G. Volpini, 1726 vollendet. Neben der Figur selbstverständlich der Schädel eines Toten. Davor ist ein kleines Becken, oft voller Wasser, das, dem Volksglauben nach, von einer "wundertätigen Quelle" stammt. Nun, 2005, war es trocken. Keine Wunder mehr. In ihm ihm spiegelte sich der Himmel, der durch das runde Deckenloch zu sehen ist. Der Effekt war umwerfend. Plötzlich schien es im Boden ein weiteres Loch zu geben, durch das man in die Erde hinein in den Himmel jenseits des Erdbodens sehen konnte.

Neben der Kapelle gibt es noch mehrere Wohnräume, die eine "schlichte Eichenholzvertäfelung" haben. Wer da rein will, wird aufgefordert, in riesige Filzpantoffeln zu schlupfen und nur so über das originale Parkett zu gehen. An den Wänden gibt es viele Ölbilder, Zeichnungen und Stiche. Natürlich gibt es da ein großes Ölbild der halbnackten Magdalena vor dunklem Hintergrund. Besonders die "Eremitenserie" von Sadeler ist anthropospeläologisch erwähnenswert, zeigt sie doch verschiedene Eremiten und Heilige, die entweder in hohlen Bäumen hausen oder gleich in einem Felsloch (Beatus).

Die Magdalenenklause aus der Ferne

durch ein Kanalrohr gesehen

Der Neubau gleich als Ruine in Auftrag gegeben
Draußen in der Freianlage

- auch eine winzigkleine Quellgrotte

In anthropospeläologischer Sicht ist dieses Bauwerk in mehrfacher Hinsicht sehr bezugsträchtig. Schon das verwendete Baumaterial, der Tuff, stammt oft aus Höhlen, die zu diesem Zwecke ihres natürlichen Schmucks entledigt wurden. Wie kennen ja im südbayerischen Raum mehrere Naturhöhlen, die deutliche Spuren einer Plüderung durch den Menschen aufweisen. Vielleicht hat man ja einige der dort fehlenden Steine in die Magdalenenklause gebracht und sie dort eingebaut. Es wäre spannend, zu erfahren, woher die verwendeten Tuffstalagmiten und -titen stammen!

Auch im übertragenen Sinne gibt es starke Bezüge zur Anthropospeläologie. Von "Maria Magdalena" wird erzählt, sie habe 30 Jahre in einer Höhle im Massiv von Saint-Baume in Südfrankreich alleine gelebt, um dort für ihre "Sünden" zu büßen! Noch heute ist das einer der meistbesuchten Wallfahrtsorte! Die offizielle Kirche hat Magdalena gerne als große "Sünderin", als Prostituierte dargestellt, andere wollen in ihr gar die Frau von Christus sehen, die von ihm sogar ein Kind hatte, Sarah!

Auf die "Höhle" als Aufenthaltsort von Eremiten und Heiligen wird in der "Eremitenserie" besonders Bezug genommen. Ein Stich fällt gleich auf: der heilige Beatus vor dem Eingang zur Beatushöhle mit dem Drachen davor. Den soll er ja, der Sage nach, umgebracht haben.

Was ist hier wohl nicht alles gedacht, getan, gesagt worden? Das ist alles wieder vergangen. Wir kriegen heute nur noch den materiellen Niederschlag davon mit, neu renoviert, weil das Original längst schon wieder verfallen wäre. Die Vergänglichkeit vor dem Verfall, zumindest für ein paar Jahre, zurückgedrängt.

Ein aktuelles Thema drängt sich schon ein bißchen in den Vordergrund. Warum gibt es bei uns in Bayern eine staatliche Schlösser- und Seenverwaltung und in anderen Ländern, zum Beispiel in Großbritannien, nicht? Momentan ist ja "modern", alles "privatisieren" zu wollen. Ein Blick über den "Kanal" zeigt, daß dort seit mehr als 100 Jahren eine "private" Initiative sehr viel erfolgreicher und effektiver auf die Kulturschätze im eigenen Land aufgepaßt hat. Der "National Trust". Als so etwas bei uns probiert worden ist, da prallten alle Versuche nur am Gehabe der derzeitigen "Herrscher" ab. Sich mal zu überlegen, was wirklich wichtig ist. Ein vorderer Platz in den himmlischen Rängen in der Ewigkeit! - ein Schnellstart an der Ampel - eine geistwas? Bemerkung in der nächsten "Rede". Ein Lächeln im Gesicht eines Menschen, der sich wirklich angesprochen fühlt von einem.

Literatur:

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser,
Gärten und Seen, München, bearbeitet von Luisa Hager
Nymphenburg - Schloss, Park und Burgen - Amtlicher Führer, München 1960

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