Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Grotten und Höhlen im Schloßpark von Hellbrunn bei Salzburg
- aus der Sicht eines "Höhlenforschers"
"Ein Lustschloß zu Salzburg" - so preist sich dieser besondere Ort südlich von Salzburg heute auf seiner Internetseite an. Er ist schon was Besonderes und verdient, daß man sich einige Zeit dafür nimmt. Tausende von Touristen machen sich heute dorthin auf.
Von 1613 bis 1615 wurde auf Geheiß des Salzburger Fürsterzbischofs Markus Sittikus von Hohenems am Südrand von Salzburg ein Schloß im manieristischen Stil mit großen Gartenanlagen (manieristischer Ziergarten, Jagdgarten, sakraler Park, Landschaftsgarten) errichtet. Architekt des Schlosses war Santino Solari, der auch mit dem Neubau des Salzburger Doms beauftragt war.
In diesem Ensemble gibt es jede Menge Grotten. Der geistige Ursprung von ihnen wird auf den von Kaiser Nero errichteten Palast namens Domus aurea in Rom zurückgeführt. In der Frührenaissance war man auf die Überreste gestoßen und rezipierte sie staunend. Einige Räume, teilweise unterirdische, waren mit Muscheln und Steinen geschmückt - und diese Idee übernahm man nun in Neubauten wie der Villa in Tivoli, errichtet für Kardinal Ippolito d'Este, und den Garten des Pratolino von Francesco de Medici in Florenz. Diese Bauten wurden zu Vorbildern für Hellbrunn.
Die Wasserspiele sind weltweit die am besten erhaltenen der
Spätrenaissance. Früher gab es viel davon in Europa, z.B. beim Ambraser Schloß
bei Innsbruck, die Gartengrotten des Statthalters Erzherzog Albert in Brüssel,
die Grotten in Hechingen, im Stuttgarter Lustgarten, den Grotten des Hortus
Palatinus am Heidelberger Schloß, die Grotten in St. Germain-en-Laye. Kleinere
Anlagen gab es etwa in Form des
Grottenhofs in der Münchner Residenz oder der Eremitage Erzherzog
Maximilians III an der Innsbrucker Kapuzinerkirche.
Die meisten davon sind heute entweder ganz verschwunden oder existieren nur
noch in Form kümmerlicher Reste. Das ist kein Wunder. Das Interesse am Phänomen
der "Grotte" verschwand oft gänzlich, auch weil es teuer war, sie zu erhalten
und die Geldmittel nicht mehr zur Verfügung standen. Außerdem veränderte sich
die Grottenvorstellung. Für die mit natürlichen Materialien wie Kieselsteinen,
Schneckenhäusern, Muscheln, Tuffstalagmiten und -titen, aber mit künstlerischen
Techniken dekorierten Grotten brachte man kein Verständnis mehr auf, statt
dessen sollte es nun eine im Idealfall kaum von Menschenhand veränderte
Räumlichkeit handeln oder ihr täuschend ähnlich sein.
Auch Fachleute auf dem Gebiet der Garten- und Grottenbaukunst
konnten kein übergreifendes Ordnungsprinzip für die Anordnung der Gartengrotten
in Hellbrunn entdecken. Claudia Maué stellt fest: "Die verschiedenen Bauten
scheinen allein nach dem Grundsatz der Abwechslung und Überraschung im Gelände
verteilt zu sein." Das gilt nicht für die Grotten im Untergeschoß des
Schlosses. Dort sind sich die zwei Grottengrundtypen gegenübergestellt: die
"Naturgrotte" und die "Architektonische Grotte", mit einer übergeordnete Grotte
in der Mitte, der Neptungrotte.
Wozu wurden diese Bauten geschaffen? An der These, daß die Macht des Fürsten
hier demonstriert werden sollte, Macht nicht nur über die Menschen um ihn herum,
sondern auch über die Natur, ist wohl viel Richtiges. Wenn sie richtig ist, dann
muß an dem folgenden Satz etwas nicht stimmen: "In diesem Sinne ist der Triumph
der Natur über die Kunst in den Grotten von Hellbrunn auch der Triumph ihres
Bauherrn, des Marcus Sitticus von Hohenems." (Er ist ist der letzte in dem Text
"Kunst und Natur in den Grotten des Schlosses Hellbrunn" von Claudia Maué.) Man
sollte auch nicht alles gleich glauben, was geschrieben steht!
Die Teiche beim Theatrum | ||
Die Grotten im Untergeschoß des Schlosses: Muschelgrotte und Neptun- oder Regengrotte |
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Figürlicher Schmuck in den Grotten im Schloßuntergeschoß: das "Germaul" und kleiner Drache |
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Die "Grotte des Forstteufels" Geht auf eine Legende zurück, daß man 1531 im Wald des Haunsberges nördlich von Salzburg einen Waldmenschen gefangen habe. Dieses "Monstrum" wurde is Gesners "Thierbuch" von 1563 abgebildet. |
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Die Mydasgrotte (Kronengrotte | ||
Das Mechanische Theater, 1750-1753, hinzugefügt, an dieser Stelle stand früher die "Schmiedgrotte |
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Die "Steinbock-Grotte" | ||
Der Dianabrunnen Kleine Tuffsteingrotte(n), die in ihrem Innern einmal die Werkstatt eines Hafnermeisters zeigte, einen Müllermeister in der Mahlstube oder einen Scherenschleifer bei der Arbeit |
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Die Exedra mit dem Sternweiher | ||
Die Orpheusgrotte | ||
Neptunbrunnen |
Besonderen Reiz bekam die Anlage durch ihre Wasserspritzvorrichtungen, die auf Knopfdruck aktiviert werden können und bei ahnungslosen Besuchern einen ungefährlichen Schreck hervorrufen sollen. Eine Art Disneyland der Spätrenaissance. Bischöflicher Zeitvertreib in Vorfernsehzeiten.
Der Hellbrunner Berg besteht aus eiszeitlichen Konglomeraten, das auch von lockeren Schichten durchzogen ist. Die führten dazu, daß es zur Bildung von mehreren Nischen- bzw. Uferhöhlen kam. Einige befinden sich heute auf dem Gelände des Tiergartens wie die Hellbrunnerhöhle (heute ein Tierunterstand, früher wohl ein im Auftrag von Marcus Sittikus eingerichtetes Eremitorium), die Wandhöhle im Hellbrunnerberg und das Martin-Hell-Abri. In der Ostflanke des Berges liegt das "Steintheater". Die ursprünglichen Höhlen, die nachgewiesenermaßen schon in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt waren, wurden nach 1612 zu einem Theaterraum umgebaut. In die ursprüngliche Felswand wurde eine große Nische eingehauen, die 12 m breit und 10 m tief ist. Das felsige Szenebild ist voller unterirdischer Zugänge im Fels, kleine steinerne Treppchen verbinden sie. Am 31. August 1617 habe dort die erste Opernaufführung auf deutschem Boden stattgefunden, L'Orfeo von Claudio Monteverdi - dies verkündet eine steinere Gedenktafel heute dem Besucher.
2022 | |
Für den Film "Vergeltung", einem Krimi in der Serie Die Toten von Salzburg, A/D 21, gesendet am 26. Januar 2022 im ZDF, drehte man einige Szenen in Steintheater. Ein Mädchen war entführt worden und man suchte sie überall. Am Ende fand man es dann vom Menschen gemachten Kavernen in einem der Salzburger Konglomeratberge.
Einige winterliche Impressionen aus dem Park:
Die moderne Fortsetzung dieser alten Höhlengeschichten ist Überlassung einiger Räume in den Nebengebäuden des Schlosses an den Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg. Dort wird intensiv an der Erforschung der Höhlen des Landes Salzburg heute gearbeitet, werden die Unterlagen aus über 100 Jahren Forschungsgeschichte aufbewahrt und finden die Treffen der Höhlenforscher statt.
Ganz in der Nähe von Hellbrunn liegt der Morzger Wald, dem Peter Handke in "Die Lehre der Saint-Victoire" eine ausführliche Beschreibung gewidmet hat. Von dort aus hat man einen sehr guten Blick auf den Untersberg und die Umgebung: "Zur Rechten, himmelhoch über ihm, der kalkige Pyramidenstumpf der Untersbergspitze; zur Linken, weiter im Hintergrund, ein Riffberg, der mit seinen regelmäßigen Rillen im Sonnendunst als riesenhafte Jakobsmuschel erglänzt." (99). In ihm stößt er auf "scharfkantige Nagelfluhnischen am Weg", die "sind wieder die alten Felsengräber. Aber sie sind nicht leer. Die lichtbraunen Buchenblätter sind hineingeweht und strahlen mit ihren Ovalen und Parallelen die unendliche Ruhe aus". (106). Schließlich stößt Handke sogar auf eine Höhle: "Am Ostfuß des Hügels jetzt auch die längst erwartete Felshöhle, verschlossen mit einer Eisentür. Hallendes Getropfe aus dem Inneren; dazwischen vibrierende Töne, wie von leichten Schlägen auf das Fell einer Trommel. Und wieder die Auskunft der Kinder; sie waren "schon oft" in der Höhle; keine Fledermäuse; es würden da Champignons gezüchtet." Auch auf eine künstliche Höhle stößt er: "Dahinter beginnt ein lochschwarzes Dickicht -freilich auch schon die einzige Stelle, wo sich in dem kleinen Wald etwas wie eine Tiefe zeigt. Der finstere Bunker lockt zum Betreten; doch nicht einmal ein Kind könnte sich durch die spalierdichten Schäfte zwängen. Zudem ragen davor zahlreich Erlen jäh aus dem Boden.." (103)
Literatur:
Bouchal, Robert, Wirth, Josef | Höhlenführer Österreich, Pichler-Verlag, Wien 2001 |
Fischer, Friedrich Johann | Höhle und Gesicht. Mythisches Hellbrunn, Verl. d. Salzburger Druckerei, München 1980 |
Handke, Peter | Die Lehre der Sainte-Victoire, suhrkamp, Frankfurt a.M. 1980 |
Klappacher, Walter, Mais, Karl (Gesamtredaktion) | Salzburger Höhlenbuch Band 1, Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift "Die Höhle" Nr. 23, Salzburg 1975 |
Maué, Claudia | Kunst und Natur in den Grotten des Schlosses Hellbrunn, BAROCKBERICHTE 14/15, Begleitheft zur Ausstellung einer Fotodokumentation im Salzburger Barockmuseum, 1997, verfügbar im Internet unter BB_14-15_S505-534.pdf (application/pdf-Objekt) |
Schaber, Wilfried | Hellbrunn - Schloss, Park und Wasserspiele, Salzburg 2004 |
Links:
Hellbrunn . Lustschloss zu Salzburg
Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg
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