Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Mesa Verde
Colorado, USA
"That village sat looking down into the canyon with the calmness of eternity"
Cliff Palace |
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Cliff Palace | |
Cliff Palace | |
Spruce Tree House | |
Spruce Tree House |
Mesa Verde ist heute kein Geheimtip mehr. Es ist die meistbesuchte archäologische Sehenswürdigkeit Nordamerikas. Für 1995 wurden schon 700000 Besucher pro Jahr genannt, und die Zahl ist sicherlich noch weiter angestiegen.
Warum kommen soviele Leute? Hier bekommen sie einen romantischen Traum vom idealen Leben in der Natur erfüllt. Eingebettet unter Felsdächern stehen da ein paar Steinmauern von alten Häusern, die frische Luft oben in den Bergen auf 2000 Metern, der Blick hinaus in die unverdorbene Natur draußen - ein Stück vom Paradies scheinbar.
Wir modernen Besucher hauen ja gleich wieder ab, brauchen uns nicht damit zu plagen, woher wir das Wasser nehmen würden, die Nahrung, das Brennholz, wenn man länger hier aushalten müßte. Tatsächlich haben die Anasazis auch nicht lange dort oben gelebt. Man schätzt heute rund 100 Jahre, dann wurden die Siedlungen wieder verlassen. Man zog wieder hinunter ins Tal und in andere Landstriche, wo es sich leichter leben ließ. Die Felsenwohnungen wurden wieder "vergessen". Auf das Jahr 1888 wird die "Wiederentdeckung" des Cliff Palace und des Spruce Tree Houses durch die Rancher Richard und Alfred Wetherill datiert. In den folgenden Jahren wurden dann noch 180 weitere Gebäudegruppen entdeckt und erforscht. Seit 1906 ist das Gebiet Nationalpark.
Im Sommer 1997 hatte ich selbst einmal Gelegenheit, diesen Ort zu besuchen. Zusammen mit meiner Familie machten wir im Wohnmobil die klassische Rundreise durch den Südwesten der USA und hielten natürlich auch im Mesa Verde NP. Er liegt genau auf der Strecke vom Gran Canyon Richtung Canyonlands und dem Arches National Park. Von der Straße Cortez - Durango zweigt man ab und folgt der komfortabel ausgebauten Bergstraße hinauf auf über 2000 Meter Höhe. Wer die Cliff Dwellings besuchen will, der muß sich den wohl organisierten Nationalparkreglements unterwerfen. Man muß im Nationalparkzentrum seine Karten erwerben, bekommt aber pro Tag nur ein Ticket, das heißt, man muß sich entscheiden, welche Siedlungen man besuchen will. Pro Tag geht nur eine. "Balcony House", "Long House", "Cliff Palace". Wir entschieden uns für den "Cliff Palace", der mit seinen 217 Räumen und 23 Kiwas als wichtigste Siedlung gilt, was aber halt bedeutete auf die anderen Plätze zu verzichten. Wir hatten uns schließlich nur 1 Tag für die Tour gegeben.
Der heutige Zugang zum Cliff Palace war nicht der ursprüngliche, der war eher in der Nähe des heutigen Ausgangs. Tatsächlich ist diese Örtlichkeit alles andere als leicht zugänglich gewesen, liegt sie doch im felsigen Steilgelände, das früher nur an einer Stelle halbwegs einen Zugang gewährte. Krank, alt, behindert durfte man nicht sein, um da Wohnen zu können. Wasser an diesem Ort, ziemlich Fehlanzeige. Es mußte von der einzigen Quelle weit weg in einem Canyon erst in Krügen hierher gebracht werden, nicht sehr komfortabel. Rund 200 Menschen sollen hier einstmals für einige Jahre gelebt haben, warum? Es gibt eine Menge Hypothesen. Rückzug vor Feinden, klimatische Gründe. Tatsächlich waren zuerst die Menschen, die Basketmakers, auf dem Plateau in "pithouse"-Siedlungen ab ca. 600 n.C. Erst um 1200 n.C. begannen die Menschen sich in der Nischen in den Sandsteinwänden der Canyons anzusiedeln. Gegen 1250 soll die halbe Bevölkerung in diesen Felswohnungen gelebt haben. Zwischen 1275 bis 1299 hat vielleicht eine große Dürre, so vermutet man, die Menschen dazu gezwungen, die Wohnorte zu verlassen. Die Dürrehypothese ist nur eine von vielen und bewiesen ist keine. Der indigene Anthropologe Alfonso Ortiz formuierte seine 1990 in einem Film der TERRA X-Reihe so: "Es könnte sein, dass sie sahen, dass ihre bisherige Lebensweise in Chaco Canyon und den anderen Zentren einfach nicht mehr aufging im Zusammenklang mit der Natur, dass sie also das Scheitern ihres bisherigen Daseins ahnten und sich deshalb zurückzogen als Konsequenz aus dem drohenden Kollaps ihrer bis dahin so erfolgreichen Kultur." (Eggebrecht 36)
Wem der Trubel um die Highlights von Mesa Verde zu groß wird, der kann sich auch zu Fuß aufmachen. Gleich beim Spruce Tree House beginnt ein Wanderweg, der einen bis zu einer Felsbildstelle auf mittlerer Höhe des Canyons, vorbei an weiteren, kleineren Felsbehausungen führt. Am Scheitelpunkt steigt man steil hinauf auf die Hochfläche und wandert wieder zurück zum Ausgangspunkt. Man muß nur seine Füße betätigen, aber das wollten die allermeisten Menschen heute nicht mehr, lieber das Gaspedal. So ist man ziemlich allein und bekommt die Atmospäre des Ortes viel besser mit. Man darf nicht einfach loslatschen, sondern muß sich beim Park Office halt anmelden. Dort wird man einfach registriert und kann losziehen.
Es gibt auch eine literarische Verarbeitung des Themas, Troy Nesbitts "The Indian Mummy Mystery".
Literatur:
Eggebrecht, Harald | Plötzlich weg - die altindianische Kultur der Anasazi im Südwesten der USA verschwand im 13. Jahrhundert, der Vorgang bleibt mysteriös, SZ Nr. 113, 16./17. Mai 2020, 36 |
Mehnert, Volker | USA Südwesten, Verlag Martin Velbinger, Gräfelfing 1995 |
Nesbitt, Troy | The Indian Mummy Mystery, 1964 |
Noble, David Grant | ANCIENT RUINS OF THE SOUTHWEST - An Archeological Guide, Northland Publishing, Flagstaff 1991 |
Quack, Ulrich | Reise-Handbuch USA/Westen, Meier's Weltreisen, Dormagen 1992/93 |
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