Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Ein Photo und seine Interpretation

Was sieht man, wenn man etwas "sieht"? Was sieht jemand, der etwas "weiß"? 

Seit ich einmal H.D. Gebauer ein Photo, aufgenommen auf der Meghalaya-Höhlenexpediton 2015, geschickt habe und er den folgenden Text als Antwort zurückgesandt hat, habe ich über diese Fragen immer wieder neu nachgedacht. Nun wurde er auf der Jahreshauptversammlung 2017 in Laichingen zum Ehrenmitglied des Verbandes ernannt. Für seine Leistungen hat er diese Ehrung sicherlich verdient. Dort habe ich ihn gefragt, ob er einverstanden ist, daß ich seinen Text hier auf meiner Webseite zeige. Er war gleich einverstanden.

Das Bild ist auf meiner Webseite unter Jud Cement cave 4 zu sehen. Was man aus wenigen fremden Angaben machen kann, dafür gibt der LUMSHNONG-Band, Seite 12, unter AA CAVE (Lindenmayr) 4th, geschrieben von Daniel, ausführlichst Auskunft. Für mich ist das schier unglaublich, wie gründlich und kompetent er das angeht. Das Bild ist allerdings dort nicht zu sehen und kommentiert. Das wird hier nachgeholt.

Das Mail von H.D. Gebauer:

Huhu, Franz,

Ich füge einmal ein Bild vom Höhlenende bei.

"Höhlenende" ist, soweit ich weiss, zwar konventionell gesagt aber, du glaubst es nicht, trotzdem Unfug. Du siehst doch selber, daß das Bild P1170682.JPG eine Fortsetzung der Höhle zeigt. Auch hier ist der Höhle selber wurschd, ob so ein dahergelaufener Eindringling nun weiterkommt oder nicht -- sie hat ganz anderes im Sinn als Unsereins.

Allgemain offensichtich kann das "Ende" einer Höhle schliesslich nur dort sein, wo das höhlenbergende Gestein aufhört.  Also am Eingang.

Und das Ende einer Befahrung "Ende der Höhle" zu heissen mag zwar üblich sein ist aber trotzdem grottenfalsch.

Als Photo ist es nichts, aus höhlenkundlicher Sicht kommt ihm aber wohl noch ein gewisser Wert zu.

Aha. Keine Sorge. Für jemanden, der lesen kann, ist die Datei P1170682.JPG mit Abstand das beste Photo des ML2015 Ausfluges, das ich bisher zu sehen bekam.

Die zwar etwas unscharf aber klipp und klar abgebildete Brekzie (offensichtlich autoklastisch) zwischen den gerade noch erahnbaren Harnischflächen zeigt, dass diese deine »cave4« zumindest den Zugang zu einer  "fault crevice"  (Verwerfungskluft) gestattet  -- falls sie nicht sogar gänzlich eine  "fault cave"  (Verwerfungshöhle) darstellt.

Die verräterisch geordnete Struktur der Brekzie beschreibt, dass die augenscheinlich "linke" Flanke den gehobenen Schenkel der Verwerfung bildet.

Dank der in deiner Panasonic DMC FT-4 verbauten Förstersonde (elektronische Bussole) ist in deiner Bilddatei P1170682.JPG die magnetische Bildrichtung 180 dokumentiert, welche auf der Nordhalbkugel das Hirngespinst "links" zu sinnlichem "westlich" orientiert.

Also:  Super!

Diese »cave4« ist ein Kleinod.   Verwerfungshöhlen in gedeihend entwickeltem Karst (conception stage) sind ja sowieso ziemlich selten aber in diesem Umfeld (E-W Dauki lineament verschränkt von NE-SW Haflong Verwerfungsscharen) sind N-S streichende Verwerfungen extrem rar.  Ja, ja, ein entfremdetes i-Tüpfelchen ist wenig aber in sinnlichem Bezug dann halt doch das Tüpfelchen auf dem i

Jetzt braucht nur noch jemand dort hinfahren, ein vollständiges Foto mit Masstab zu machen, Lage und Ausmass dieser Höhle erkennen und schon kann aus eurem Fund eine Entdeckung werden.

Vielleicht existiert diese Höhle noch ein Weilchen !
daniel

Ich unterschreibe, daß  »The word 'discovery' might well be reserved for the fruits of mental effort«  (MEDLICOTT, H B [Henry Benedict] 1883: On some of the mineral resources of the Andaman Islands in the neighbourhood of Port Blair.- Rec. Geol. Surv. India ISSN 0370-5226, Calcutta: Govt. of India, XVI, 2: 79-86).

Literatur:

Links:

Meghalaya 2015

Höhlenphotographie / cave photography