Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Meghalaya 2015
"Ich sehe die vollen Flieger nach Namibia mit alten Leuten und frage mich: Was wollen die dort? Fliegen die wirklich dort hin, um ihren Horizont zu erweitern, oder nur, um sich ihre Vorurteile bestätigen zu lassen?" (Reimer Gronemeyer in einem Interview der SZ, Süddeutsche Zeitung Nr. 292, 19.12.2014, HF 2, S. 21)
"Was wir in unseren Köpfen haben, sind selten eigene Beobachtungen. Immer wieder andere haben es für uns einmal beobachtet, und wir beobachten es ihnen nur nach und halten dann fremde Beobachtungen für eigene." (Peter Bichsel, S. 207)
"Sehen ist noch lange nicht entdecken." (Peter Bichsel, S. 207)
Lumshnong / Jaintia Hills | Sohra/Cherrapunjee / Khasi Hills |
Ein Photo und seine Interpretation / AA Cave (Lindenmayr) 4th und Herbert Daniel Gebauers Kommentar dazu
Was will der da? Was will ich da? Den Horizont erweitern? Hoffentlich. Meine Vorurteile bestätigen lassen? Welche?
Die ersten Hürden liegen schon hinter mir. Mein Versuch, ein Visum für Indien zu bekommen, das war ein Hürdenlauf, aber am Ende doch noch erfolgreich. Ich lernte die indische Botschaft in der Widenmayerstraße in München zum ersten Male kennen, wurde von dort weitergeschickt. Heute ist die Visumausgabe, einst ein hoheitlicher Akt, ausgesourct an eine Firma, die in einem Bürogebäude an der Landshuter Allee ihren Sitz hat. Jeder braucht heute zwei besondere Paßphotos im Format 5x5, die kein normaler Photoautomat von sich gibt. Ein Photogeschäft am Rotkreuzplatz erledigte dies für einen guten Preis, 17 Euros. Dann war noch ein paar Tage zu warten, am Ende bekam ich die Nachricht, ich konnte den Paß mit dem Visum abholen. Da niemand kurz vor Dienstschluß noch in den Räumen war, ging ich direkt in die Abholstelle. Die Dame dort war sehr verwundert. Der richtige, sprich bürokratisch geregelte, Weg, für viele Antragsteller ausgedacht, wäre gewesen, zuerst einmal ins Wartezimmer zu gehen und eine "Nummer" zu ziehen. Dann hätte ich zu warten gehabt, bis mir der Aufruf gezeigt hätte, daß mein Vorsprechen möglich gewesen wäre. Manchmal mag so eine strenge Regelung ja angebracht sein, um all die "Überflieger" in Schach zu halten, aber in einer Situation, wo niemand da ist - da ist so eine allgemeine Regelung vollkommener Unsinn. Ich bekam den Paß reibungslos und hatte die erste Hürde überwunden.
Stunden später war bereits der Flug gebucht, waren sogar die Sitze reserviert, die ich im Flugzeug einnehmen wollte. Der Flug war sehr günstig, aber das ist ja nicht alles, was zu bezahlen hat. Eine ganze Latte von VorschElägen, was man sonst noch hier kaufen könnte, schloß sich an. Hotel? Mietwagen? Reiserücktrittsversicherung? Als ich ablehnte, da kam gleich noch ein Webseite, die mich fragte, ob ich das wirklich wollte. Ja. Den ziemlich aufgeblähten Geldtransaktionskosten kommt man einfach nicht aus. Da verdienen ein paar Firmen heute ausgezeichnet.
Am 2. Januar 2015 geht es zu zweit los, von München aus Richtung Abu Dhabi, anschließend nach Dehli und am Ende nach Guwahati. Von da dann in die Jaintia Hills, genauer nach Lumshnong. Was dann passiert? Keine Ahnung, aber ich denke, es wird gut.
Die Kontakte zu den indischen Höhlenforschern vor Ort sind aktiviert. Für Unterkunft, Verpflegung, Transport ist gesorgt. Wir werden einen Monat vor der nächsten großen "Caving in the Abode of the Clouds Project" dort sein, treffen die Leute vielleicht bei unserer Abreise.
Take it as it comes.
...Vorbei ist die Reise. Die großen Träume sind echten Erlebnissen gewichen. Jedenfalls gab es diesmal keinen Überfall. Ist es wirklich "gut" geworden. Es kommt darauf an, was man als "Maßstab" heranzieht, und wie man den Maßstab dann hält. In einer zahlensüchtigen Welt werden gerne Meßwerte herangezogen. Je höher die Zahl ist, desto "erfolgreicher" war wohl etwas, für die "Rationalisten". Lese ich mir die "Introduction" des "Caving in the Abode of the Clouds Projects" im Internet durch, dann haben wir ein gutes Beispiel dafür: "2001 ... 12.6 kms, 2002 ... 10 kms....).
Wenn man die Kilometer heranzieht, die 2015 von uns vermessen wurden, dann war das ein "schlechtes" Jahr, aber wir haben ja auch nicht zu diesem Projekt gehört. Das läuft momentan noch im Februar 2015. Vermutlich gelingt es ihnen wieder, viele Kilometer Neuland zu "schinden". Aber was soll das? In Zahlenkolonnen werden Werte hinaufgeschoben, neue Namen tauchen auf, in den Fachmagazinen erscheint ein Artikel, die Ergebnisse gehen wohl auch einmal ein in eine größere Publikation in Buchform. Aber wer liest das jemals? Ein paar Leute in England, in der Schweiz, in Deutschland und anderswo, wenn sie der englischen Sprache mächtig sind. Wie viele Leute sind es in Indien? Wenige, ganz wenige. Ist das wieder so ein Beispiel dafür, was ein umgefallener Farbkübel in China für eine Bedeutung für die "Welt" hat?
Nach einer langen langen Reise von München über Abu Dhabi und Neu-Dehli erreichten wir am nächsten Tag in der späten Frühe den im Dunst liegenden Flughafen von Guwahati in Assam. Neil Sootinck, unsere wichtigste Trumpfkarte auf dieser Reise, hatte alles perfekt organisiert. Neil ist ein Höhlenforscher aus Shillong, der seit vielen Jahren schon dort aktiv ist und über beste Verbindungen verfügt. Er hatte ein Taxi für uns bestellt, das uns umgehend durch die verregnete graue Stadt und dichten Verkehr zu einem kleinen Hotel brachte, das für uns auch schon gebucht war.
Er brachte uns zu einem guten Restaurant, wo wir in ersten
Kontakt mit der indischen Küche kamen, später waren wir sogar exklusive Gäste im
Haus des Gastronomen. Dies ermöglichte Einblicke tief in den Alltag in Indien,
den ein Normaltourist nie mitbekommt.
Am nächsten Tag gab es Sightseeing in Guwahati. Ein Taxi war für uns bestellt
und wir wurden zu einigen wichtigen Sehenswürdigkeiten kutschiert. Es ging
zuerst zum hinduistischen Heiligtum von Kamakhya, das wohl eines der wichtigsten ganz
Indiens ist. Und in dem Haupttempel gibt es einen wichtigen anthropospeläologischen Bezug! In einer Felsspalte, auf deren Grund immer Wasser
steht, wird die "Vagina" von Shakti, einer der zentralen weiblichen Figuren des
hinduistischen Götterhimmels, gesehen. Diesen speläoanthrologischen hotspot selber zu sehen, das hätte Stunden
des Wartens für uns bedeutet. Eine schier endlose Schlange von Gläubigen wartete
schon in entsprechenden Räumen. Ein Seitenzugang ist auch möglich, aber liefert
nur einen sehr oberflächlichen Eindruck. Aber wäre ich wirklich ein Mensch, der
mehr ich "selbst" wäre, wenn ich dieses ganz spezielle Stück Fels auch selber
berührt hätte, wo gelegentlich "Rotes Wasser" austritt, selber berührt hätte?
Sorry, that's not my cup of tea.
Kamakhya Temple near Guwahati in Assam / ▶ Kamakhya Devi Temple -goddess Kamakhya temple & considered as most important pitha of the Devi - YouTube
Dann ging es hinunter zum Brahmaputra, wo uns eine Fähre hinüber
auf die Peacock Island brachte. Dort gibt es, mitten im Fluß, eine kleine
Felseninsel mit einem weiteren Hinduheiligtum. Es galt, sich lange anzustellen,
bis man dann endlich auch das "Allerheiligste" auch sehen bekam. Es ging dazu
über eine Steintreppe hinunter in einen höhlenartigen Raum,
räucherstäbchenduftgeschwängert, kaum erleuchtet, mit Menschen überfüllt. Der
Höhepunkt war wohl das Berühren der schwarzen Felsen auf dem Grunde eines
zentralen Bezirks am Grunde des Raums.
Schaut man sich auf der Insel ein wenig um, dann findet man vielleicht auch die
felsige Kammer, die es dort gibt. Heute ist sie leer, aber einzelne Vertiefungen
zeugen noch davon, daß man dort einmal für irgendwelche Zwecke aktiv gewesen
ist.
Am nächsten Tag geht es hinauf nach Shillong auf einer Straße, die für den Verkehr, der sich heute dort abspielt, nie gedacht war. Sie wird zwar gerade erweitert, aber auch dies wird die Probleme nicht wirklich lösen. Als wir nach 3 Wochen in umgekehrter Richtung wieder zurückkehren, da fahren an ungefähr 1.000 Lkws vorbei, die wegen einer Sonntagssperre nicht fahren dürfen. Sie haben fast alle nur ein Gut auf der Ladefläche, Kohle, und ein Ziel, den Bahnhof in Guwahati, wo sie weiterbefördert wird zu den energiehungrigen Powerplants in den Industriezonen Indiens. Es ist zwar geplant, die Eisenbahnlinie ein wenig in Richtung Shillong zu verlängern, aber es gibt sie halt noch nicht. Und ist es wirklich wünschenswert, wenn man der "Kohle" noch mehr den Weg bahnt? Stichwort: Erderwärmung.
Shillong ist die Hauptstadt von Meghalaya und liegt auf einer Höhe von rund 1.500 m Höhe über dem Meeresspiegel auf einem Plateau. Über 250.000 Menschen leben dort. Warum man sich als Tourist dort aufhalten soll, das ist mir nicht wirklich klar geworden. Eine Aufzählung der Orte, die man als Besucher aufsuchen könnte, zählt z.B. das Schmetterlingsmuseum auf, den Iewduh/Bara Bazar, einen Platz, wo man ortsbezogenen Güter kaufen kann, Glory's Plaza, eine Shoppingmall am Police Bazar, so etwas wie den Mittelpunkt des Stadt, den Lady Hydari Park und den Minizoo, das Meghalaya State Museum, etliche Wasserfälle und Seen - aber, ehrlich gesagt nichts, was man unbedingt gesehen haben müßte.
Es waren noch einige Vorbereitungen für die Zeit in Lumshnong zu treffen, umfangreiche Vorräte mußten eingekauft werden, denn dort würde es keinen vernünftigen Laden geben, in dem man das bekommen könnte, was wir wollten. Ein Gaskocher wurde angeschafft, eine Machete gekauft, Alkoholikas wie Bier und Whisky wurde in einem speziellen liquor store erworben, denn die sind auf dem Lande gar nicht vorhanden.
Neills Auto war randvoll, als es endlich am 6. Januar endlich in Richtung auf die Jaintia Hills losging. In Jowai wurde die Polizeistation aufgesucht und der Polizeichef davon unterrichtet, daß in nächster Zeit eine kleine Gruppe von Höhlenforschern dort unterwegs sei. In der Vergangenheit war das ja schon mal sehr wichtig gewesen, als die Polizei zum Schutz der Höhlenforscher gerufen werden mußte, als eine große Gruppe mit Prügeln bewaffneter aufgebrachter Arbeiter eine Gruppe Forscher in ihrem Lager massiv aufforderte, bis zum nächsten Morgen zu verschwinden, sonst würde man von ihnen gekonnt Gebrauch machen. Die Einschüchterung ging tief.
Die Fahrt nach Lumshnong war kein Vergnügen. Zu viel Verkehr, zu
viele Laster, zu viele Kurven und teilweise schlechter Straßenzustand. Aber wir
hatten einen guten Fahrer, der dem Risiko gewachsen war, das er dauernd einging.
Überholen in Kurven ohne sehen zu können, ob nicht irgend jemand entgegen kam.
Hupen, hupen, Gasgeben, falls es dann doch nicht reichte, Rückzug. Öfters
bremste auch der entgegenkommende Wagen bis zum Stillstand. Nach rechts ziehen
und weiter. Warum haben die alle bloß keine Zeit? Ich war froh, als wir in der
kleinen Straßensiedlung an der Bundesstraße 44 zwischen Jowai und Agartala
angekommen waren.
Die erste mögliche Unterkunft direkt an der Straße im Untergeschoß eines kleinen
Hauses, früher wohl mal ein Stall oder eine Werkstatt gewesen, erschien uns zu
greuslich, daß sie als Bleibe für die nächsten 3 Wochen uns als angemessen
vorgekommen wäre. Neill machte einen anderen Vorschlag. In Haus des headman des
Ortes sei auch noch Platz. Wir schauten es an und entschlossen uns sofort, dort
zu bleiben. Komfort gab es da auch nicht, ein Rohbau ohne Fenster und Türen, der
Estrich bildete den Fußboden, das Klo war ohne Tür und diente auch als Dusche.
Wasser wurde auf dem Gasherd heiß gemacht, mit kaltem verdünnt und mit einem
kleinen Plastikbecher über den Kopf gegossen - über der Abflußöffnung des Klos.
Einen absoluten Luxus leisteten wir uns jedoch - wir hatten einen eigenen Koch,
Samlang, der uns 24 Stunden am Tag zur Verfügung stand.
Früh am Morgen war es vorbei mit der Schlafruhe. Die Lkw-Lawine auf der nahen
Bundesstraße begann ab 7 zu rollen, in den Kurven wurde sicherheitshalber
dauernd gehupt, für Ruhe sorgte hier keiner. Ich glaube, es sind jetzt 15
Zementfabriken, die hier in Betrieb sind. Ständig hört und gelegentlich spürt
man auch die Detonationen der Sprengungen in den Steinbrüchen. Dann wird das
gelockerte Kalkgestein abtransportiert und später in geeigneter Form
fortgebracht. Dazu kommt dann auch noch der Kohleabbau in den rat holes, das
sind kleine Abbaue, in denen die Kohlenschichten zwischen den Kalkstein- und
Sandsteinschichten ausgebeutet werden, oft in mühseligsten Handarbeit.
Trotzdem - wir blieben, allerdings unterschiedlich lange. 10 Tage hielt ich hier
aus, dann reiste ich mit Neill wieder in Richtung Shillong ab. Harry blieb noch
länger und erzielte mit Neville, dem Sohn von Neill, noch schöne
Forschungserfolge.
Die Gegend um Lumshnong wurde ja in der Vergangenheit schon gründlich
höhlenkundlich durchforscht und große Erfolge erzielt. Die größte Höhle, die
Krem Kotsati/Um Lawan, mißt heute schon über 22 km und weitere große Systeme
gibt es ganz in der Nähe. Zwei Hauptziele hatten wir: Hypothetisch war es
denkbar, daß es ein weiteres großes Höhlensystem, das möglicherweise noch viel
länger ist, als die bekannten, auf der anderen Seite des Felsrückens gibt. Man
hatte schon eine hochgelegene Höhle gefunden, die Krem Pyrda mit offenem Ende,
und mögliche Quellhöhlen am unteren Ende wie die Krem Um Hoh. In mehreren
Tagestouren durchstreiften wir das Gelände und fanden wenig. Jedenfalls nicht
das große Supersystem. Zweiter Hauptpunkt war die Suche nach den Quellen Kotsati/UmLawan-Systems,
der bislang nie gefunden werden konnte. Auch dafür wendeten wir einige Zeit auf
und fanden am Ende doch nicht, was angestrebt war.
Anderes fanden wir, eine bislang auf 1,3 km vermessene Wasserhöhle mit einem vorläufigen Ende an einem Versturz, mehrere kleinere Höhlen mit dem typischen senkrechten Gangprofil gleich unterhalb einer Sandsteinüberdeckung, eine weitere Horizontalhöhle, die von einem Bach durchströmt wird. Die wichtigsten Hinweise bekamen wir von den Jugendlichen in Lumshnong, die sich überall gut auskennen und uns sehr halfen. In der schon lange bekannten Krem Liat Hati, für es ja sogar Ausbaupläne zu einer Schauhöhle gab, zeigte uns ein Jugendlicher bedeutende Fortsetzungen jenseits von Schlufen. Die Höhle wurde teilweise neu vermessen und könnte noch für Überraschungen gut sein. Auf dem Weg zurück von der Höhle passierte etwas ganz Besonderes. Binnen kürzester Zeit wurden mir 6 weitere Höhleneingänge gezeigt, die vielleicht alle noch nicht im Kataster erfaßt sind: hier ein tiefer Schacht, den angeblich noch keiner untersucht hat, da eine horizontale Höhle neben einem Baum im "Höhlenhügel", da zwei Portale direkt unterhalb der Häuser gegenüber von unserem Domizil, die allmählich mit Hausmüll verfüllt werden, da es keine geordnete Müllentsorgung im ganzen Ort gibt. 50 m weiter die nächsten Höhlenöffnungen, gänzlich zugewachsen heute, weil keiner mehr hingeht. Die uns zur Verfügung stehenden Katasterunterlagen gaben keine Auskunft darüber, ob das alles schon einmal untersucht worden ist oder nicht. Schade.
Nach unserer Trennung fuhr ich mit Neill zurück nach Shillong
und am nächsten Tag weiter in Richtung Sohra-Cherrapunjee. Ich wollte einfach
noch mehr von Land und Leuten sehen, nicht mehr jeden Tag weiter nur Höhlen im
Kopfe haben. Neill hatte mir ein Taxi mit Fahrer besorgt, das nur für mich für
20 Euros den ganzen Tag zur Verfügung stand. So war es auch keine Kunst auf dem
Weg zum Cherrapunjee Holiday Resort auch noch eine Schauhöhle zu besuchen, die
Mawsmai Cave. Sie war sehr gut besucht und die Betreiber dürften sehr zufrieden
sein. Die Landschaft wird dramatisch, schließlich sind in die Hochfläche tiefe
Täler eingekerbt, die bis zu 1.000 m tief sind. Während oben alles kahl und leer
ist, wuchert in den Schluchten die tropische Vegetation. An einigen Stellen
stürzen die Bäche über Steilstufen in die Tiefe, sofern Wasser da ist. Das muß
hier öfters der Fall sein, denn schließlich befinden wir uns hier, statistisch
gesehen, im regenreichsten Gebiet der Erde. Als ich allerdings da war, fiel kein
Tropfen Naß vom Himmel. Meistens war strahlend blauer Himmel, aber gelegentlich
bauten sich doch für Stunden massivste Wolkengebilde auf und hüllten alles in
starken Nebel. In den folgenden Tagen streifte ich durch die Gegend, besuchte
die berühmten root-bridges, zog nach Sohra ins Sohra Plaza Hotel um, ein
absolutes Unikum, und hielt mich dann tagelang in der Umgebung von Mawmluh auf.
Dort gibt es ja die große Höhle gleich neben dem Zementwerk. Dieses arbeitet im
Moment nicht, da der Betrieb durch den ban des obersten indischen
Gerichts wegen der Umweltzerstörung eingestellt ist. Der Fluß, der hier
verschwindet im Berg, war zu einem kleinen Rinnsal geschrumpft. Am Eingang steht
ein großer See, der den Normalzugang verhindert. Durch einen Seiteneingang kann
man ein paar Meter hochklettern und durch einen gut mannshohen Gang bis zu einem
See vordringen. Hier drehte ich wieder um, da ich alleine war. Aber da geht es
tatsächlich weiter und man erreicht auf diesem Wege das Hauptsystem der Höhle.
Draußen standen auf einmal drei Kinder, die gleich noch eine Höhle in der Nähe
wußten. Sie führten mich zum Eingang, wo ich tatsächlich ein paar Meter in einem
horizontalen Gang vordringen konnte, ehe ein Versturz dem weiteren leichten
Vorstoß ein Ende setzte. Wegen des Betriebsstops ist in den Steinbrüchen nichts
los und keiner stört sich daran, dort herumzusuchen. Leider war nirgends eine
Höhlenöffnung auszumachen.
Die großen, nur von Gras gewachsenen Flächen werden momentan neu bepflanzt mit
Bäumen. Überall graben Leute Löcher in die Erdoberfläche, stellen Setzlinge
hinein und füllen sie wieder auf. So verdient sich so mancher gerade ein Zubrot.
Überraschenderweise gibt es auf der Hochfläche auch kräftige Bäche, die wohl von
irgendwoher ihr Wasser beziehen müssen. Ob die aus Höhlen kommen? Da ich alleine
unterwegs war, unterließ ich gewagte Unternehmungen in den dichten Busch hinein.
Kurz vor der Einfahrt nach Sohra aus Richtung Shillong kommt man seit Oktober 2014 an einer Art Triumphbogen vorbei, der den Zugang zu einer neuen Höhlenattraktion, einem tourist hub, markiert, die jetzt als Schauhöhle geführte Arwah Lum Shynna. Einen halben Tag habe ich dort zugebracht und ausgiebig photographiert. Es ist erstaunlich, wie viele Menschen hier schon sich aufhalten, um sich ihre Brot zu verdienen, von der Frau, die einen Teestand unterwegs unterhält, über die Klofrau, die auf das öffentliche Klohäuserl aufpaßt, bis zu einer Gruppe junger Leute, die am Ende der Schauhöhle gegen ein paar Rupien neugierige Besucher noch weiter mit Hilfe ihrer Taschenlampen hineinführen.
Harry kam irgendwann auch nach Sohra, siedelte sich allerdings beim Ecopark an, so daß wir uns nur einmal kurz in den folgenden Tagen begegneten. Als ich ihn dort einmal besuchen wollte, stieß ich im Ecopark gleich auf eine besonderes Höhlenphänomen, nämlich eine kleine Schachthöhle im Sandstein, nur wenige Meter von der Abbruchkante ins Tal entfernt. Es ist ummauert, vergittert und auch noch voller Müll - aber, es ist da.
Tage später sahen wir uns dann wieder in einem Hotel in Shillong.
Mit Neill und seiner Familie fuhren wir die letzten Tage nach Assam in den
Kaziranga-Nationalpark. Er liegt in einem Überschwemmungsbiet des Brahmaputra,
der dort dort kilometerbreit werden kann, wenn Hochwasser dort herrscht. Für die
menschliche Nutzung scheidet so eine Zone weitgehend aus, für die Tierwelt ist
sie dagegen ein Segen. Tausende von Nashörnern leben heute noch dort, wilde
Elephanten, Tiger, um nur die spektakulärsten zu nennen. Das lockt heute
Touristen an, die auch tatsächlich kommen und staunen. Am lohnendsten ist der
erste Führung in der Frühe, dann wenn es anfangs noch finster ist und es erst
allmählich am Horizont hell wird. Man sitzt dann zu dritt oder auch zu viert auf
dem Rücken von Elephanten, streift durchs bis zu 4 m hohe Gras und hofft auf
einer der großen Lichtungen die grauen Kolosse der Nashörner auszumachen.
Die haben auch hier keine Ruhe vor dem Menschen. In den Tagen, in denen wir hier
waren, wurde jeden Tag eines gewildert. Das Horn ist mehrere Millionen Euros
wert, und außerdem sind sie ein Druckmittel der Rebellen gegen die ungeliebte
Regierung, der man zusetzen will. Wir waren ausgerechnet am Verfassungstag dort,
in Dehli fand gerade eine große Militärparade deswegen statt und Präsident Obama
war zu Gast, und fast alle Geschäfte hatten geschlossen. Die Rebellen zwangen
alle Geschäftsleute aus "Protest" ihre Geschäfte an diesem Tag nicht zu öffnen.
Wer nicht mitgemacht hätte, dem drohte man mit der Zerstörung des Geschäfts.
Zwei Tage später wurde mit der Totalsperrung der Hauptstraße von Guwahati in den
Norden Indiens gedroht. Wir kehrten deshalb schon einen Tag früher zurück, um am
nächsten Tag noch rechtzeitig das Flugzeug heimwärts zu bekommen. Die Heimreise
verlief verlief ziemlich reibungslos, Wartezeiten bei den Abflügen kompensierten
sich mit den Wartezeiten auf den Umsteigestationen in Dehli und Abu Dhabi. In
München lag wieder Schnee, genauso wie 4 Wochen vorher bei der Abreise.
RANDNOTIZEN:
- Kein Messer
Setzte man sich zum Essen, dann waren da Teller, Gabel und Löffel am Tisch, kein
Messer. Was bei uns so selbstverständlich ist, ist dort anders. Die Speisen
wurden grundsätzlich so zubereitet, daß ein weiteres Kleinschneiden nicht nötig
war. Andere Länder, andere Sitten.
- Sicherheitsgurt
Setzten wir uns in ein Auto, dann suchte ich als Beifahrer immer den
Sicherheitsgurt, um mich anzuschnallen. Öfters fand ich überhaupt keinen. Es sei
zwar Pflicht, einen zu haben, aber keiner schere sich etwas darum. Und obwohl
gefahren wird, was der Gasheben hergibt, die allermeisten leben noch. Manchmal
wäre es auch praktisch unmöglich, so ein Teil auch anzuwenden. Die Einrichtung
der privaten Sammeltaxis ermöglicht es, daß schon einmal 8 Personen in einem
Kleinwagen sitzen - vier vorne, vier hinten. Um an den Schaltknüppel zu kommen,
muß der Fahrer schon einmal zwischen die Beine des Beifahrers greifen, der ihn
dazwischen hat.
- Rote Zähne
Wer möchte schon gerne freiwillig wie ein Verwandter von Frankenstein aussehen?
Das tun aber viele Leute in Meghalaya. Sie kauen die überall angebotenen
Betelnüsse, fügen dann im Mund noch die in Bananenblättern eingepackte weiße
Kalkpaste dazu und leben dann damit. Viele Leute scheinen sich damit ihren
Lebensunterhalt zu verdienen, und es scheint genug Nachfrage zu bestehen, weil
das Zeug an allen Ecken und Enden angeboten wird. Schmerzmittel soll sie sein
und auch gut für rauschartige Zustände. Ich habe es auch probiert, aber nichts
gemerkt.
- Keine Zwiebeln am Montag
Ich lernte ein freundliches indisches Paar aus Kalkutta kennen, das mit ihrem
Sohn, der in der Computerbranche in Buffalo/USA arbeitet, im Chirapunjee Resort
kennen. Die Mutter ist gläubige Hinduistin in und hält sich an die Regeln. So
darf sie montags keine Speise mit Zwiebeln zu sich nehmen, weil das eine
Beleidigung einer bestimmten Göttin sei. Der Sohn teilte das dem Küchenpersonal
im Resort mit, aber als dann das Frühstück, das ja in Indien keineswegs
continental character hat, sondern meist eher ein kleines Essen mit Reis und
Vegetarischem und auch Fleisch ist, da waren dann doch Zwiebeln drin. Sofort
ging es wieder zurück an die Küche und es wurde ein Ersatz zubereitet.
Literatur:
Bichsel, Peter | Alles von mir gelernt, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000 |
Camphausen, Rufus | Yoni - Die Vulva, Diederichs, München 1999 |
Daly, Brian D. Kharpran | THE LONG DROP, Partridge India, 2014 |
ohne Verfasserangabe | Tourist Guide SHILLONG and MEGHALAYA, G.B.D., Kolkata, Revised Edition 2011-12 |
Links:
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