Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Stichwort "Schlund" im Grimmschen Wörterbuch
m. haustus, gula, zum verbum schlingen, vorare, älter schlinden gehörig, mhd. slunt, gen. slundes, ahd. slunt, gen. sluntes und slundes 6, 798. 799, alts. slundos, plur. haustus zeitschrift 15, 524, 381, nnd. slund (selten) 3, 216a, slunk 196a. schlund hat im gewöhnlichen sinne von gula bis in die heutige schriftsprache den alten dental gewahrt, der sich bei dem zugehörigen verbum in einen guttural umgesetzt hat. im verbalen und concreten sinne von haustus, schluck, wo der zusammenhang mit dem verbum noch deutlich gefühlt wird, verzeichnen Adelung und Campe schlung, und so wird das wort in dieser anwendung auch heute lauten, falls es überhaupt die sprache wirklich noch so verwendet. das der späteren umbildung des verbums angepaszte schlung begegnet in älterer sprache und in heutigen mundarten nicht selten, doch ist es hier durchaus nicht auf die bedeutung haustus beschränkt: merslunc, sirtis voc. von 1420 bei mhd. handwb. 2, 991, schlung, faux gramm. (1578) 33, 11 neudruck, gula 271a (von 1587), schlung et schlund, gula, guttur, fauces, et vorago, dicitur etiam frumen, larynx, et oesophagus 1853. 2, 454 verzeichnet schlund (der, quasi dicas schlund, idem significans), gula, oesophagus, fauces und schlung (der) gula, vorago, haustus, erkennt also wol die bedeutung haustus der form schlund nicht zu. überhaupt scheint diese in solcher anwendung in der ganzen nhd. zeit nicht mehr üblich gewesen zu sein (vgl. die unter 1 gegebenen belege). nach Adelung ist schlunk im sinne von gula oberpfälzisch, doch bieten in gleicher anwendung schlung Schm.2 2, 528, schlunk 529 (neben schlund 526), schlung, schlunk 2, 290b, schlung 139b, schlunk zeitschr. 5, 459 (Iglau). 203a. 257. 19b. 96b. 196, schlonk, feiner schlunk 192. 1, 354. schles. wird schlung wie 'schluck' gebraucht 84b, während im kärnt. schlunt neben der gewöhnlichen auch noch diese bedeutung hat kärnt. wb. 221 (dort lautet das verbum allerdings auch noch schlinten 220). über den in diesen formen zu tage tretenden wechsel von muta und media vgl. DWB schlingen, formales. die ahd. formen slunta, slunda 6, 799 und das oben erwähnte alts. slundos lassen das wort als a-bildung erscheinen, so dasz der heute gewöhnliche und schon mhd. vorhandene umlaut im pl. durch analogie zu erklären wäre. nach 2, 290b gebraucht man in Ost- und Westpreuszen schlunk, schlung als masc. und fem., und auch die ältere sprache kennt anscheinend das wort als fem.: da ist das möhr eyngepfrengt, ungefär vier meil breyt, zwischen bergen, das man die schlund des mörs heyszt. weltb. (1542) 186b (oder ist hier unumgelauteter
[Bd. 15, Sp. 832
plur. anzunehmen?).
ein schwaches fem. oder masc.
kann in folgender stelle vorliegen:
den tîefel er (Christus)
gibant,warf im einen bch in den munt,
daʒ deme selben gûlealzane stê
offen daʒ mûle,
so wir vone suntenchomen in sîne
slunten,
daʒ der ubil huntni mege
z luchin den munt. genesis
in
fundgr.
2, 78, 38
(vgl. 109, 29 ff. Diemer).
von ûren und von elhen
wart solher slünd nie getân (wie
vom weinschwelg).
weinschw.
11
Lucä;
dô huob er ûf unde tranc
einen trunc von zweinzec slünden.
19;
da eyner dem glasz nur gab ein
schwunck
und soffs herausz auff einen schlunck.
1
(1558),
495a;
mit einem trunckin einem schlunck
thu ich dir nun das bringen.
volksl.
1350, 3
(von 1570, auch Garg. 87a);
dieser schlung,
dieser trunck
geht auf das vergnügen
derer, die
schoosz und knie
fein gemächlich fügen.
932.
dô wart maneger slunt
mit trinken und mit eʒʒen.
Apoll.
2209.
bruder Slunt fürt vor den rayen,
sîn geselle her Trunk den staup
begeuʒet.
renner
9405;
swer vrô wil sein und lang gesunt,
der meide euch zwên, her Frâʒ
und her Slunt. 10137.
und stüende ein slunt (wein)
drîʒec,
ich wil iu gerne gelten.
1, 360.
endlich, weil sie bisz in den tod,
nur fressen wollen frembdes brot,
wird jhn verknüpfft jhr schlung und
hals,
die raben fressen sie nachmals.
froschm.
(1595)
Y 1b;
[Bd. 15, Sp. 833]
so hab ich ein weits maul und
schlunck,
das hat auszgeschlagen nie kein
trunck.
123, 10
Keller;
du hast dafür was schlund und
bauch begehrt.
41, 70.
b)bei thieren:
wie auch daʒ sei, daʒ er (der
walfisch) der grœst sei ob allen
vischen, iedoch hât er ainen klainen slunt, und dar umb verslint er neur
die klainen visch. 247,
26; als das, wie Busbequio erzehlt,
ein Venetianischer goldschmid, so zu Constantinopel wohnte, kaum desz
volcks wütigkeit entflohen ist, weil er einem vogel den schlund desz
langen schnabels, mit hinein gethanem stecken voneinander gethan hätte.
755;
wenn er (der
kranich dem wolf) auszzög ausz
seinem halsz,
den knochen der von seinem essen
ihm gefehrlich den schlung besessen.
froschm.
(1595)
Q 2a.
wie ist nur ein sieden und braten,
da mag uns auch ein schantz geraten,
das wir auch füllen unsern schlundt.
3
(1561),
1, 94d.
schneid ab vom faisten braten,
damit schmir deinen schlunk!
volksl.2
465 (nr. 230), 4.
ich fülle in pisz auf den grunt
und verschwell im seinen schlunt.
fastn. sp.
607, 24
Keller.
der teuffel fahr jm in sein
schlundt!
fastn. sp.
4, 12, 311
neudruck.
mînen slunt ich prîse:
mih würgt niht ein gans sô ich si
slinde.
1, 5, 6
Meiszner.
swer under sein kinne drei vinger
leit,
der hat schier gemeʒʒen, wie
preit
des slundes künichreiche sei.
renner
10100.
der selbe slunt hât manic pfunt
verzert, in der helle grunt
manic sêle versenket.
10102;
wie oft hat mich got ausz gefahr,
und ausz der mörder schlund gezogen?
118.
ach, risz aus des todes schlund
mich darum das geschick?
2, 407;
ich will harren, ich will bleiben,
gähnte weit des todes schlund.
6
(1887),
174.
[Bd. 15, Sp. 834]
die erde thu sich auf und reisze
mich
in ihren schlund hinab, wenn ich das lüge!
Turandot
4, 9.
wer wagt es, rittersmann oder
knapp,
zu tauchen in diesen schlund?
werke
11, 220;
hört, wie der abgrund toszt, der
wirbel brüllt,
so hats noch nie geraszt in diesem
schlunde! Tell
4, 1;
und wo im felsengrunde
der eingeklemmte flusz
sich schäumend aus dem schlunde
auf räder stürzen musz.
3, 47;
du muszt des felsens alte rippen
packen,
sonst stürzt sie (die
windsbraut) dich hinab in
dieser schlünde gruft. 12,
206;
die zwerge führen den groszen Pan
zur feuerquelle sacht heran,
sie siedet auf vom tiefsten schlund,
dann sinkt sie wieder hinab zum grund.
308;
dem und jenem schlund
aufwirbelten viel tausend wilde
flammen. 311.
alls alle wasser haben grund
flus aus des meres slund.
26, 234;
hier in meine (des
Rheines) schlünde
werfet eure sünde!
1
(1882),
127.
der klüfte schlund
brüllt dumpfig.
(1771),
2, 69;
wie seltsam glimmert durch die gründe
ein morgenröthlich trüber schein!
und selbst bis in die tiefen schlünde
des abgrunds wittert er hinein.
12, 205;
magst du im schlund der erde sie
verstecken,
lasz tausend todtengrüfte sie
bedecken,
sie bringen deine übelthat ans licht.
Turandot
4, 2;
wenn sich Boreas naht vom nördlichen
schlund des gebürges,
schont er die blüten am baum?
49a.
[Bd. 15, Sp. 835]
den andern (schlemmern)
dampfft es aus dem munde,
wie um den schlund bei Tänara.
165.
schaudre rückwärts, zu des Orcus
schlunde,
stolzer weiner!
räuber schausp.
4, 5.
stand jetzt die furchtsame zofe
vor dem schlunde des kellers.
(1772)
1, 292.GR
und grinsend zerren sie den mund,
und deuten in des ofens schlund.
11, 254.
aus diesem tieffen schlund', aus
dieser schwartzen gruft,
hab' ich so offt' und offt', o herr,
zu dir gerufft.
25
(ps. 130
anfang);
kein slunt wirt nimmer wîse gar.
hofzucht
241;
schement euch slünde und frêʒe,
die tage und naht ir leibe wenent,
daʒ si sich von einander denent.
renner
9551.
du kupplerin, geitiger schlunt und nasenrimpf. fastn. sp. 255, 17.
mit objectivem gen. verbunden:(von
Christus:) er viurfrâʒ,
stahel kiunder munt,
er berges slunt, swenne er beginnet wüeten.
13, 41
Strauch.
Literatur:
Links
[ Index ] | [ Englisch version ] | [ Höhlen und Höhlengebiete ] | [ Kunst ] |
[ HöRePsy ] | [ Höhlenschutz ] | [ VHM ] | [ Veranstaltungen ] | [ Links ] |