Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Internationale Erdstallforschertagung und
48. Jahrestagung des Arbeitskreises für Erdstallforschung
vom 17.-19.Oktober 2025
in Schloss Tollet /Österreich

Erdställe in der Umgebung von Tollet-Unterstellen, Oberösterreich
Eine schöne Tagung ist zu Ende. Mit viel Aufwand und großem Engagement wurde da ein Event organisiert, der sich wirklich sehen lassen konnte und der wohl allen Teilnehmern, offiziell gemeldet waren 68, in bester Erinnerung bleiben wird.
Am Freitag, den 17. Oktober 2025, gab es bereits vor der
Tagungseröffnung zwei Angebote für Vorexkursionen: eine Tour in die
Steyreggerhöhle bei Steyregg, eine Kombination aus Naturhöhle und
unterirdischem Steinbruch, und eine Stadtführung durch Grieskirchen.
Die Tagung begann am Freitagnachmittag mit der Mitgliederversammlung des
Arbeitskreises für Erdstallforschung. Das war die Veranstaltung mit der
geringsten Teilnehmeranzahl, aber war halt notwendig, um den Betrieb am
laufen zu halten. Um 16.45 Uhr gab es dann die offizielle Tagungseröffnung
und da waren schon viel mehr Personen da. Die Bürgermeisterin Gisala Mayr
war genauso da und hielt eine kurze Rede wie die Repräsentanten der
verschiedenen beteiligten Gruppen: der Tagungsleiter Josef Weichenberger,
Dr. Otto Cichocki für den Arbeitskreis für Erdstallforschung, Ernst
Martinek für den Verein OÖ Erdstallzentrum Tollet Unterstetten, Dieter
Ahlborn für die Interessengemeinschaft Erdstallforschung und Harald
Zeitlhofer für den Landesverein für Höhlenkunde in Oberösterreich.
Den Auftakt der Vorträge bildete ein Referat von Otto Cichocki über
"Erdställe in ihrer Deutungsvielfalt", was ein ausgezeichneter
Einstieg war. Nach dem ausgezeichneten Abendessen beim Hofwirt Michaelnbach
trug Josef Weichenberger seine Gedanken zum Thema "Der Erdstall als
Zufluchtsanlage und Versteck" vor, Werner Breuher sprach zu
"3D-Vermessung mittels Smartphone" und Kurt Niel und Raimund
Edlinger über "Ergebnisse der 3D-Vermessung des Erdstalls von
Unterstetten".
Am nächsten Morgen begann bereits um 9 Uhr der Vortragsreigen: Dorothea
Talaa "Der archäologisch bearbeitete Erdstall von Lutzmannsburg
(Burgenland), Jerome und Laurent Triolet "Künstliche Höhlen in aller
Welt als Zufluchtsanlagen", und eine kurze Vorbesprechung der
Exkursionsziele des Nachmittags durch Josef Weichenbergrer. Nach dem
Mittagsessen trafen wir uns um 14.30 Uhr vor dem Schloss und wurden in 4
Gruppen aufgeteilt. In Kleinbussen wurden wir herumkutschiert und mittels
eines klaren Zeitplans alles und alle herumdirigiert. 3 Erdställe und 1
Erdstallnachbau standen auf dem Programm und je nach Lust und Fähigkeit
wurde auf das Angebot eingegangen. Es wurde wohl eine Spitzenleistung von
einem Teilnehmer vollbracht: mit 80 Jahren durch einen Erdstall zu kriechen,
der einem alles abverlangt und dann heil auch wieder herauszukommen. Gratulation Toni.
Nach dem Abendessen war dann der Vortragssaal voll. Ein Festvortrag über
"Rätselhafte Erdställe und 10 markante Bilder über 40 Jahre
Erdstallforschung" von den Gebrüdern Triolet und Josef Weichenberg war
öffentlich angekündigt worden und das Angebot wurde sehr gut angenommen.
Der Saal war voll. Eingeleitet wurde der Abend durch kurze, oft durchaus
humorvolle Grußworte der örtlichen Honoratioren. Das Bewußtsein scheint
langsam da zu sein, daß man mit den Erdställen wertvolle Objekte der
Vergangenheit hat, die es wirklich wert sind, geschützt und erhalten zu
werden, und sie nicht einfach als lästige Relikte, die man jederzeit wieder
zerstören kann, ansieht.
In den Pausen wurde dann auch das kulinarische Angebot von den Gästen gerne
angenommen, das vom Verein OÖ Erdstallzentrum Tollet Unterstetten zur
Verfügung gestellt worden war.
Am Sonntagmorgen begann man wieder um 9 Uhr mit einer Nachbesprechung der Exkursionsziele. Dann folgten Referate über die "Schlusskammer" in Erdställen von Josef Weichenberger und Heike Gems-Müller, Dieter Ahlborn über "Mythen und Sagen" im Zusammenhang mit Erdställen, Eric Clavier und Luc Stevens für die "Rolle von Steintoren zum Schutz und zur Verteidigung mittelalterlicher unterirdischer Bauwerke", und Otto Cichocki über der das Jahr 1186 und seine mögliche Bedeutung für den Bau von Erdställen. Nach dem Mittagessen gab noch 2 Vorträge: Martin Müller über "Die Eignung von Erdställen als Zufluchtsorte in mittelalterlichen Bedrohungsszenarien" und den "Erdstallkataster Bayern" von Nikolaus Arndt.
Die knappe Aufzählung zeigt, wie reich diese Tagung an inhaltsreichen Beiträgen gewesen ist. Noch mehr wäre zuviel gewesen. Neben diesem offiziellen Teil gab es natürlich auch unendlich viel Gespräche untereinander, die ja einen besonderen Reiz oft haben. Man lernt neue Leute aus unterschiedlichsten Gegenden kennen, hauptsächlich aus Deutschland und Österreich, aber da waren halt auch einige aus Frankreich, Belgien, der Schweiz und sogar Vietnam.
Es bleibt nur noch, den engagierten Veranstaltern herzlich zu danken. Eine kleine finanzielle Unterstützung durch die EU hatte man auch bekommen: 3.748,07 € waren aus dem Programm "Interreg Bayern-Österreich 2021-2027" in die Kasse geflossen und half, die Tagung reibungslos über die Bühne zu bringen.
Es fiel auf, daß besonders die Vertreter der sog. "Flucht- und Versteckthese" der Erdställe hier zu Wort kamen. Überzeugen haben sie mich allerdings nicht können. So reicht es nicht, festzustellen, daß sich einst einmal jemand in einem Erdstall bei Gefahren versteckt hätte - und daß deshalb bewiesen sei, daß sie deshalb gebaut worden wären. Das wäre so, als wenn sich jemand hinter einem Baum verbirgt oder einer Mauer, und später dann festgestellt wird, daß, weil das getan worden sei, deshalb der Baum dort gepflanzt worden ist oder die Mauer errichtet wurde - aber in Wirklichkeit hat sich der Baum vielleicht von selbst aus einem Kern entwickelt oder die Mauer wurde zu einem ganz anderen Zweck errichtet. Und Versteck? Da wurden Bilder vom Erdstall in Kleinzwettl gezeigt. Den kennen viele gar nicht, weil man auch leider nicht mehr aus "Sicherheitsgründen" nicht hineingelassen wird in den letzten Jahren. Ich hatte noch die Gelegenheit dazu. Wenn man selbst einmal in diesem Erdstall war, dann kann man einen ganz anderen und sehr persönlichen Eindruck davon gewinnen. Wesentlich an einem Versteck ist, daß man nicht entdeckt wird - aber wenn der Eingang zum Erdstall mitten in der Kirche im Fußboden liegt, gibt es keinen zentraleren und auffälligeren Zugang dazu. Und "Fluchtraum"? Man kann meist nur wie ein Wurm durch eine enge Röhre kriechen, mehr geht nicht. Wozu so ein Aufwand, wenn ich mich nur vor Gefahren von außen schützen will. Der Feind soll wohl hinter einem herkriechen, und man entkommt ihm wieder, weil er in einer Schlaufe wieder zum Eintrittsort zurückführt. Abstrus. Wer sich verstecken will, muß Vorbereitungen treffen, muß Vorräte anlegen. Nirgends hat man irgend etwas Derartiges gefunden. Das Zeigen einer tönernen Kanne reicht nicht als Beleg. Im Gegenteil. Meistens sind die Erdställe leer und ausgeputzt, nicht gefüllt mit Dingen für den Notfall versehen. Die Spekulation über den oder vielleicht gar die Zwecke von Erdställen darf weitergehen.
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Abends beim Wirt | |
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Unterwegs auf Exkursion | |
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Nach der Erdstallbefahrung | |
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Literatur:
Oberösterreichisches Erdstallzentrum Tollet Unterstetten in Kooperation mit dem Arbeitskreis für Erdstallforschung e.V. (2025): Erdställe Rätselhafte Geheimgänge, Tollet 2025
Links:
https://erdstall.de/wp-content/uploads/2025/08/Einladung_Tagung-2025_d-1.pdf
https://www.tollet.at/UNSER_ORT/Geschichte_Sehenswuerdigkeiten/Schloss_Tollet
https://www.flickr.com/photos/146736635@N04/sets/72177720329868222/
Erdställe - rätselhafte unterirdische Bauten in Mittel- und Westeuropa
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