Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
HÖREPSY 2014
- das alljährliche Treffen der
offenen "Interessengemeinschaft Höhle-Religion-Psyche"
Im Glastal / fast alle ohne den Photographen - In der
Bettelmannsküche
"Es ist alles durchwebt von Vermutung....Aber im Laufe der Zeit finden wir, suchend, das Bess're." Xenophanes
"Das Abenteuer mag uns Schauer über den Rücken jagen, ein wonnevolles Prickeln, seinen Abschluß aber wünschen wir uns friedvoll." Tobias Lehmkuhl, Die Odyssee
"Warum leben wir nicht, wo wir doch wissen, daß wir nur ein einziges Mal da sind, nur ein einziges und unwiederholbares Mal, auf dieser unsagbar herrlichen Welt.!" Max Frisch, Antwort aus der Stille
Wimsener Höhle
Im Tal der
Großen Lauter
Landschaft und Höhlen bei Zwiefalten
"upbeat" - "cheerful und making you feel that good things will happen". So erklärt der LONGMAN Dictionary of Contemporary English diesen herrlichen Ausdruck. Ich hoffe, daß HÖREPSY wieder in einen solchen Zustand gerät, nachdem leider einige Jahre diese inzwischen zur Traditionsveranstaltung gewordenen Einrichtung, für die es weltweit keinen Vergleich gibt, einen ruhigeren Verlauf genommen hatte. Das Kernthema ist die "Anthropospeläologie", die Beziehungen zwischen Mensch und Höhle.
Wir hatten uns wieder dafür entschieden, daß es wieder auf der Schwäbischen Alb sein sollte. Dort waren wir schon oft gewesen, und alle Treffen dort waren schöne Erfolge geworden. Das erste Treffen ja schon auf der Schwäbischen Alb statt, dem Scheuelberghaus bei Heubach. Später kamen dann das Pfannentalhaus auf der Ostalb, Weißenhorn südlich von Ulm, Urspring, Dietfurt. Jeder, da dabei gewesen ist, wird sich wohl gerne an die vielen diversen Geschehnisse erinnern, die da passiert sind.
Nun Zweifaltendorf, Gasthof Blank. Die Wahl dieses Ortes war überhaupt kein Zufall. Denn in ganz Deutschland und auch im Rest der Welt findet sich meines Wissens (ich lasse mich gerne eines Besseren belehren!) kein solcher Ort wieder. Wer hat denn schon im Keller, wenn er in einem Wirtshaus sitzt, eine Naturhöhle? Dort ist das der Fall. Gut 10 m ist sie lang, erreichbar durch ein Stiegenhaus vom Brau-/Gastraum aus. Der Ort und das Gasthaus waren ein Glücksgriff. Willi Adelung erklärte sich bereit, das Treffen zu organisieren, bestimmte den Termin, vereinbarte die Unterkunft und bangte, wie das halt immer so ist, ob genug Leute kommen würden. Er hatte Herrn Blank die Zahl von 8 Personen genannt, die wohl kommen würden. Bis wenige Tage vorher war das noch sehr unsicher. Das das "Wunder von Zwiefaltendorf" zu nennen, das greift sicherlich zu hoch ins Regal - aber schön war es dann doch, als wir am Freitagabend beisammen waren.
Jeder hat so seine eigene Anfahrtsgeschichte. Ich kam mit Otto
und Alfred aus Gröbenzell angefahren. Seit neuestem verwende auch ich ein
Navigationssystem und das schickte uns erst Richtung Ulm. Glücklicherweise gab
es hinter Augsburg noch keinen Stau, was ja wegen der Bauarbeiten für den Ausbau
dieses Autobahnstücks zur sechsspurigen Autobahn nicht selbstverständlich war.
Bei Ulm schickte uns das Gerät eine Route, die ich weiß nicht welchen Kriterien
folgte. Hin und her auf der Autobahn, "Weißenhorn" war da auf einmal zu lesen,
alte HÖREPSY-Erinnerungen stiegen angenehmst hoch, da wollten wir nicht hin.
Schließlich hatte unsere Odyssee ein Ende auf dem Parkplatz in der Mitte von
Zwiefaltendorf. Vor uns ein hoher Kirchturm, auf dessen Spitze ein richtiges
Storchennest mit echtem Storch vor unseren Augen war. Rückkehr in eine
nachhaltige Welt? Wo auch die Generationen, die auf uns folgen, hoffentlich,
noch eine Chance haben?
Wir drei suchten die Blanksche Wirtschaft auf, ich drückte die Türklinke aus
Messing runter, die Tür war offen (ich schreibe das, weil wir vor vielen Jahren
es schon einmal probiert hatten, an einem Sonntag, und das Ergebnis war ein
anderes. Kein Zutritt. "Sonntags geschlossen". Welche Wirtschaft schließt schon
am Sonntag? Hier ist das der Fall.). Ich freute mich. Wir wurden freundlich
begrüßt, bekamen das erste der vier verschiedenen hier hausgebrauten Biere,
beerdrinkers' paradise, hatten ein erstes herrliches Gespräch mit Herrn Blank
senior, bekamen die Zimmerschlüssel, alles lief einfach easy.
Bis um 6 Uhr war noch Zeit, eine Tour in die Umgebung war noch
möglich. Erster Zielpunkt war die Wimsener Höhle, wo noch sehr wenig los war. In
aller Ruhe konnten wir zur Höhle gehen und das Museum in der Mühle besichtigen.
Im Biergarten vor der Gastwirtschaft, die den Namen "Friedrichshöhle" im Namen
hatte (die Karst&Küche-Lämpchen leuchteten natürlich auf), war nicht viel los.
Es war ein kleines Ausklinken aus der fremdproduzierten Hektik und Aufgeregtheit
unserer momentanen Welt. "IS"? "Donbass"? vielleicht auch noch "Fukushima"? War
hier wenigstens die "Welt in Ordnung"? Vielleicht erscheint das vielen Menschen
hier so.
Aber selbst die Existenz eines Sees im Eingangsbereich der Wimsener Höhle ist
Menschenwerk! Er entstand erst dadurch, daß man das Wasser hochstaute! Noch
früher konnte man trockenen Fußes da hineingehen - und - das haben die
Forschungen der letzten Jahre gezeigt, da wurde sogar ein Mensch weit hinter den
heute erreichbaren Teile beerdigt!
Unsere Mission war eine andere. Mit dem Auto läßt es sich ja herrlich herumcruisen, ohne selber große körperliche Anstrengungen sich anordnen zu müssen (dies schreibe ich nach der Erfahrung einer neuntägigen Jakobswegwanderung durch die Schweiz). Wir tauchten ab ins Große Lautertal und dann wieder hinauf Richtung Hayingen. Im Abendlicht kamen wir zurück zum Punkt, wo wir gestartet waren.
Die Gruppe wuchs, alle waren am Ende da. Bei einem köstlichen Abendessen (Karst und Küche!) begann die Tagung. Erste Themen wurden in den "Ring" geworfen. Zufall - gibt es den? Oder ist vielleicht alles schon vorbestimmt? Keiner von uns ahnte, was einen Tag später passieren sollte und wesentlich ins Geschehen einwirken sollte. Davon später. War die These von Augustinus von der Einteilung der Zeit in die Vergangenheit, also das, was nicht mehr da ist, das Zukünftige, das, was noch nicht da ist, und das Gegenwärtige, das das einzig für uns Daseiende ist, richtig? Tatsächlich ist ja oft zum Beispiel spürbar, wie sehr das angeblich "Vergangene" noch oder wieder da ist. "Der Dämon der Habgier" zum Beispiel, Alfreds Lieblingszitat, aufgeschnappt vom Eremiten in der Einsiedelei unterhalb des Steinernen Meers anläßlich unserer HÖREPSY-Tagung beim Lamprechtsofen vor vielen Jahren. In so einem Kreis von verständigen Menschen, kann man sich öffnen und auch an den Traumatas "arbeiten", die einem im Laufe des Lebens passiert sind (Ich erinnere mich an einen jungen Mann, der einmal bei HÖREPSY dabei gewesen ist. Er lebt inzwischen schon nicht mehr. Er war verschüttet worden in einer Höhle und konnte aber befreit werden aus seiner Eingeschlossenheit. Das hatte einen großen Schatten auf seiner Seele hinterlassen und das Erzählen dieses Ereignisses half ihm, hoffentlich). Die Brauerei Blank gehört zu dieser Wirtschaft. Die brauen 4 Sorten verschiedenes Bier und die wollten alle ausprobiert sein im Laufe der 2 Tage. Das Wasser dazu stammt aus dem tiefen Karst. Ich erwähnte die Zahl 300 m als Tiefe und mußte mich korrigieren lassen: 360. Schließlich begaben wir uns in den Gästeraum im Gästehaus neben der Gaststätte. Die Zeit ist hier stehengeblieben. So wie in einer Zeitmaschine. Das Interieur, wann wurde das gekauft, geliefert und steht seitdem dort? Wohl vor 30, 40 Jahren. Glücklicherweise waren wir nicht mehr Teilnehmer, denn dann wäre der Raum zu klein gewesen.
Eine Leinwand wurde aufgestellt, der Beamer angeworfen, auch der
Laptop. Ich holte zu einem umfassenden Vortrag über "Romantik und Höhle" aus.
Seit 4 Jahren habe ich ja schon daran gearbeitet und wollte endlich an ein
wenigstens vorläufiges Ende kommen. Jüngst habe ich ein Seminar über Thomas
Bernhard besucht, den berühmten österreichischen Schriftsteller. Eine
Lieblingsfigur in seiner Texten ist der Schriftsteller, der Wissenschaftler, der
scheitert, weil er an kein Ende kommt. Im Roman "Kalkwerk" hat er ihm ein
Denkmal gesetzt. 30 Jahre Forschung und keine Zeile niedergeschrieben, und am
Ende erkennt er, daß es nun schon zu spät ist. Ich wollte nicht wie so eine
tragische Figur enden und wagte den Sprung. Wie schon Goethe sagte: "In der
Beschränkung zeigt sich erst der wahre Meister." Goethe solle man nicht zur
Romantik rechnen, sondern eher zur Klassik. Von ihr wollten sich die Romantiker
deutlich abheben, ein erstes wichtiges Merkmal. "Wandern" sei die zentrale
Bewegungsmetapher der Romantik, ein zweites (Herrlich etwa im "Leben eines
Taugenichts" nachzulesen). Über eine Stunde ging es durch die Geschichte,
insbesondere den Zeitraum zwischen 1790 und 1830. Es ist schon sehr erstaunlich,
was es da nicht alles auch an Speläologischem zu finden gibt. Die klassischen
Texte wie Novalis "Heinrich von Ofterdingen", Jean Paul "Dr. Katzenbergers
Badereise" oder Tiecks "Genoveva", aufschlußreiche Reiseerzählungen von
Höhlenbesuchen in der Fränkischen Schweiz, des Harzes oder der Predjama in
Slowenien, August Kopischs "Entdeckung der Blauen Grotte" auf Capri, die
zahlreichen Höhlengemälde aus dieser Zeit, herausragend die von Friedrich und
Turner, die vielen Stiche von Höhlen, oft die ersten bildlichen Darstellungen
von diesen Höhlen überhaupt, z.B. der Wimsener Höhle, der Nebelhöhle, dem
Schulerloch usw.. Und dann noch die Musik, z.B. die "Fingal's Cave"-Komposition
von F.M. Bartholdy. Es wurde Zeit für eine Pause.
Es war noch Zeit und Aufnahmefähigkeit da. Ich machte weiter und erlaubte mir,
ein sehr ausgefallenes Thema einmal vorzustellen: Kuß und Höhle. Wenn es auch
nicht viel Material darüber gibt, das was ich zusammentragen hatte, z.B. über "cave
kisses", verdiente schon einmal vorgetragen zu werden. Und Manfred Moser hatte
gleich eine wertvolle Ergänzung, nämlich eine Kußgeschichte im Zusammenhang mit
Meister Goethe. Im
Kickelhahn, oder auch Hermannsstein genannt, befindet sich eine kleine,
künstlich ausgehauene Höhle, die Goethe hoch schätzte. Ein "S" an der Wand, das
nach einem Besuch von Frau von Stein dort eingemeißelt wurde, soll heftig von
ihm geküßt worden sein....Es ist schon erstaunlich, was sich da nicht alles so
findet und auf einmal Aufmerksamkeit wieder geschenkt bekommt. Es war schon spät
geworden und wir schlichen uns zu den nahen, sehr erholsamen Schlafplätzen.
Der nächste Morgen grüßte mit blauem Himmel und das schöne
Wetter blieb uns den ganzen Tag treu. Ein üppiges Frühstück, auch mit frischem
Most aus der hauseigenen Mosterei, brachte uns alle in Stimmung. Mit drei Autos
ging es dann los in den Karst nördlich von Zwiefaltendorf. Ziel waren die
größten der kleinen Höhlen, die es in der Gegend zuhauf gibt. Ehe wir zur
Gerberhöhle im Fichteltal kamen, machten wir eher ungewollt noch einen Ausflug
zur "Naturbühne". Nirgends hatten wir am Weg irgendein Sperrschild gesehen, so
fuhren wir einfach hinein in Wald und Tal. Schließlich kam da ein Parkplatz und
wir hielten. Keine Menschenseele zeigte sich irgendwo. Man hat sich da schon ein
sehr schönes Stück Natur ausgesucht, das man nun "bespielt". Von so viel Kunst
angeregt, ließen wir uns zu einem "romantischen" Photo hinreißen. Am Abend zuvor
hatten wir ja gehört, was noch bei Caspar David Friedrich als typisch
romantische Körperhaltung auf einem Bild interpretierte - und weshalb er von
seinen Kritikern sehr gescholten worden ist: Der Mensch wendet sich vom
Betrachter einfach ab und zeigt nur noch seinen Rücken!
Die Gerbershöhle war leicht gefunden, da ein Hinweisschild eindeutig hilft, den
Abzweiger von der Fahrstraße durchs Fichteltal zu finden. Steil geht es bergan,
zu steil für einen aus unserem Team. Aber die Lage der Höhle nimmt eben keine
Rücksicht auf körperliche Gebrechen, die durchs Alter kommen. Entweder laufen
wir jetzt noch hoch, wo uns die Füße tragen, oder es ist irgendwann einfach zu
spät. Die vielen Eingänge in der Wand unterhalb der Gerberhöhle, die unter dem
Namen "Kleine Gerberhöhle" im Kataster geführt werden, wurden von den meisten
von uns nur angeschaut. Wenige kletterten hinein bzw. krochen in den Berg. Ein
rastloser Photograph versucht mittels vieler Blitzgeräte auch hier noch den
"Zauber der Unterwelt" einzufangen, was vieler Anläufe bedurfte. Über eine
Felstreppe ging es dann hinauf in die nächste Etage, wo schon 5 attraktive
Wanderinnen vor dem protzigen Eisentor, dann den Eingang während der Winterzeit
blockiert, standen. Als wir aus der Höhle zurückkamen, waren sie schon wieder
entschwunden. Balkenlöcher im Eingangsbereich weisen daraufhin, daß das
einstmals wohl eine Höhlenwohnung gewesen ist, worauf heute ansonsten nichts
mehr hinweist. Immerhin auf 64 m wurde die Höhle vermessen. Einer von uns hatte
sogar einen Schlaz an und einen Helm auf. Für den wäre der Besuch der inneren
Teile der Höhle möglich gewesen, aber mangelnde Lust ließ auch ihn rechtzeitig
umkehren. Ein paar Buildn wurden noch geschossen, dann zog es auch uns wieder
nach draußen.
Vor dem Mittagessen besuchten wir noch die Bettelmannshöhle im Tal der Großen
Lauter. Am Parkplatz des Schlosses Derneck läßt man das Fahrzeug stehen und
wandert ein ganzes Stück, ehe ein Schildchen wieder den Weg nach oben weist. Ein
paar Kehren höher ist das große Eingangsportal nicht mehr zu übersehen. Auf 57 m
Länge haben die Vermesser die Höhle erfaßt. Im Eingang lag ein Haufen Stroh,
sicherlich von einem Nachtlager stammend. Ich bin auf so etwas inzwischen ganz
sensibel, denn auf dem Jakobsweg, den ich eine Woche vorher durch die Schweiz
gemacht hatte, hatten wir pro Nacht 30 sfrs dafür in Scheunen bezahlt! Letzte
Reste von großen Tropfsteinen stehen da tatsächlich noch im Raum. Ansonsten sind
viele Bodenstellen schon ganz geglättet und gerundet von den wohl zahllosen
Besuchen, den dieser Ort schon erlebt hat. Trotzdem - ein Besuch lohnt sich.
Wir fuhren ein wenig Lauterabwärts wieder, um im "HIRSCHEN" ein köstliches
Mittagsmahl genießen zu können. "Karst und Küche", ein wichtiger
"Forschungszweig" von HÖREPSY, wirkt nach. Und über Maultaschen und
Wildschweinpflanzerl ging es dann hoch her. Auch Markus Gabriel mit "Warum es
die Welt nicht gibt" tauchte da schon auf! Beim Verlassen dieser Schlemmerstätte
entdeckten wir dann an der Wand auch noch eine kunstvolle moderne Darstellung
der Wimsener Höhle. Wenn die Sinne geschärft sind...
Nächstes Ziel war der Quelltopf der Großen Lauter beim Gestütshof Offenhausen.
Auch dort trafen wir auf attraktive Wanderweiblichkeit, die mit unlösbaren
Höhlenquizfragen angegangen wurde. "Verbirgt sich hinter der Quelle eine große
Höhle?" Wir wußten es ja selbst nicht, aber "fragen wird man wohl noch dürfen".
Wir wollten einfach nur sehen, wie andere auf so eine Frage reagieren. Jenseits
des Südtors des Gestüts waren wir wieder alleine, folgten dem Text in einem
Höhlenführer, suchten den Strommasten, fanden ihn, aber er war weit weg von uns,
getrennt durch zwei Zäune und eine grüne Wiese. Durch den erwähnten "lichten
Wald" stolperten wir aufwärts. Zwei Teilnehmer verweigerten sich, die meisten
zweifelten oder stellten die Killerfrage: "Bist sicher, daß das der richtige Weg
ist?" Wie sollte man in diesem unübersichtlichen Gelände bitte "sicher" sein, da
man ja selber noch nie da gewesen war und auch nur mit der Stange im bildhaft
nur so beschriebenen "Nebel" herumstocherte. Aber das Glück war uns hold.
Tatsächlich: da war der Eingang in den Hohlen Stein. Noch im Binderführer über
die Höhlen der Schwäbischen Alb aus dem Jahre 1977 steht da: Breite 3 m. In
Wirklichkeit sind es bestimmt 13. Ein weites Maul und, oft typischerweise, wenig
dahinter. Ganz hinten scheint es, schien es, weiterzugehen, weitergegangen zu
sein. Unbekannte haben da einmal kräftig gegraben, aber die Stelle wurde dann
wegen Einsturzgefahr aufgegeben. Heute wohnen dort fette Spinnen.
Eigentlich wollten wir nun zum Pfaffental und ins Ottilienloch. Aber mangels
ausreichender Ortskenntnisse fuhr ich einfach daran vorbei und hielt erst wieder
am Parkplatz vom Vormittag beim Schloß Derneck wieder. Schnell war der Irrtum
aufgeklärt und ein Alternativprogramm ausgeheckt. Das Hasen- und Glastal in der
Nähe der Wimsener Höhle. Um diese Zeit war nicht mehr viel los. Nur eine
Hochzeitsgesellschaft mit hochgestylten Damen und fein gekleideten Herren eilte
uns auf dem geschotterten Fahrweg Richtung Schloß Ehrenfels entgegen. Das
Glastal ist ja ein Schmuckstück der Alb. Ein bequemer Weg führt bergwärts, meist
begleitet von einem sprudelnden Bächlein. Kein Verkehrslärm mehr, insbesondere
verursacht von den zahlreichsten Motorradfahrern, die hier ihr Elysium zu haben
scheinen und ihre sinnlosen Kraftstöße besonders akustisch in die Umwelt
verbreiten. An Höhlen gibt es hier einige, allerdings steht ihr Hohlraumvolumen
in einem ungünstigen Verhältnis zu ihrer Zahl. Das Ende ist immer schnell
erreicht. Besonders die Glashöhle und die Bärenhöhle sind hervorgehobene
Interessenpunkte. Bei letzter drehten wir um und wanderten wieder zurück
Richtung Parkplatz. Friede, Vorfreude, Eierkuchen. Wer sah sich nicht schon beim
köstlichen Abendessen in der Blankschen Wirtschaft in Zwiefaltendorf, als wir
vom Schotterweg auf die geteerte Fahrstraße zum Schloß Ehrenfels einbogen?
Einige von uns schauten ja direkt zu, was da plötzlich passierte. Willi, den
Photoapparat in der Hand, strauchelte plötzlich, blieb wohl am Rand des
Teerbelags der Straße für einen Moment hängen, er fiel zu Boden, Blut spritzte
aus seinem kleinen Finger, die Sehne war abgerissen, vielleicht war er
gebrochen. Er stand gleich wieder auf, aber die Situation war kritisch. Griff
zum Handy, Notruf verständigen, ich wanderte schnell weiter, um das Auto zu
holen. Unterwegs schon hörte ich die Sirene des ersten Rettungsfahrzeugs. Dann
kam noch eines. Und dann noch der Notarzt. Willi wurde bestens versorgt und ins
Krankenhaus nach Biberach gebracht. Mit einem Schlag war in eine heitere
Veranstaltung massiv der "Blitz" eingeschlagen.
"Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, mach einen Plan." Ein
polnisches Sprichwort soll das sein, ein Lieblingssprichwort von mir. Auch hier
zeigte sich seine Gültigkeit. "In good weather everybody can be a captain". Auch
damit konnten wir in dieser Situation etwas anfangen. Wie sollte es weitergehen?
Tun konnten wir für Willi nicht mehr, er war, hoffentlich, in guten Händen. Wir
fuhren zurück in die Blank'sche Wirtschaft, speisten wieder hervorragend und
begannen dann mit dem Abendprogramm.
Peter Walcher war wieder einmal dabei und zeigte einen Powerpoint-Vortrag über
Israel, wobei auch die vielen Höhlen, die es dort gibt, oft erwähnt und
teilweise auch gezeigt wurden. Das dauerte, weil es halt so viel gibt. Israel
und Palästina, das Gebiet ohne weltweit anerkannte Staatlichkeit gleich daneben,
wäre ein ausgezeichnetes Reiseziel für uns einmal - wenn es wieder einmal
friedlicher würde dort unten. Im Moment sieht es ja leider überhaupt nicht
danach aus. Aber wer kennt schon die Zukunft?
Es war schon spät geworden, aber die Diskussionen gingen weiter bis früh in die
Nacht.
Am Sonntagmorgen herrschte dichter Nebel vor dem Fenster.
Herbsteinstimmung. Wieder ein genußvolles Frühstück. Dann wieder ab in den
Vortragsraum. Ich präsentierte noch "Thomas Cole - auch ein Maler von
Höhlenmotiven". Bei uns dürfte er weitestgehend unbekannt sein - in Amerika gilt
er als der bedeutendste Landschaftsmaler der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Ich leuchtete in die vielen Ecken seines Oeuvres und konzentrierte mich dann auf
die "Höhlenbilder". Da gab es viel zu sehen und sich zu fragen, wie er wohl auf
diese und jene Idee je kommen konnte, die er meisterhaftest gemalt hat.
Daran schloß sich noch Dieter Heins inzwischen zur Tradition gewordene
Beitragsreihe an über das Motiv der Höhle in der Oper. Er hat drei Musikwerke
näher untersucht und Bezüge zum Thema gefunden. 1001Nacht und die vielen
Märchenstoffe darin waren z.B. Vorlage für die Librettos. Dieter trug das
gekonnt vor, begleitet von einer Schau passender Bühnenbilder, die überraschende
Höhlenbezüge, auf die ansonsten wohl nie jemand gekommen wäre, zeigten.
Dankbarer Beifall am Ende.
Die Zimmer waren geräumt. Es galt abzureisen. Wir strebten noch nicht heim. Einen Programmpunkt gab es schließlich nocht, den wir uns aufgespart hatten. Die Wimsener oder Friedrichshöhle. Die einzige Schauhöhle, wo man mit dem Boot hineinfahren kann auf der Schwäbischen Alb. Wir waren schon heruntergetunt, weshalb uns die 45minütige Wartezeit auch nicht so hart ankam. Mit schwäbischer Gemütlichkeit ging es zu - alle Möglichkeiten, um Sekunden und Minuten zu sparen, wurden vertan beim Führungsbetrieb. Aber warum denn Hetzen? Fast alle gingen schließlich in den Kahn, der uns nun wirklich in hautnahen Kontakt mit diesen natürlichen Hohlräumen in unserer Erde verschaffte, um den es schon seit bald 48 Stunden ging. Es galt so manches Mal den Kopf noch ein wenig mehr einzuziehen und sich nach innen zu drücken, um das Durchkommen des Kahns auf dem raffiniert in leuchtendem Weiß ausgeleuchteten Wasser, das dann in vielen Blautönen auf uns rüberkam, zu ermöglichen. Im Eingangsraum reiften Hunderte von Christstollen in Regalen auf ihren Reifezeitpunkt, wieder so ein Kontaktpunkt zu Karst&Küche. Die Fahrt war wirklich ein Genuß, begleitet von vielen Einlagen zum Thema "Humor und Höhle". Der Dauerbesuch von HÖREPSY bleibt nicht ohne Folgen! Beim innersten Punkt, den der Besucher der Höhle per Kahn erreichen kann, gilt es sich umzusetzen. Der Bootsführer wechselt nach vorne und alle Besucher um eine Bank nach hinten. Es ist schon erstaunlich, daß ein einziger Mensch genügt, um 10 anderer, die sich auch noch im Kahn aufhalten, fast mühelos wieder zurück übers Wasser bewegen zu können. Schließlich blinzelt das Tageslicht wieder von vorne, wächst der Lichtpunkt, landet man am hölznernen Steg, verläßt den Kahn. Eine feine Reise.
Wir strebten noch zum Wirtshaus, diesmal viel betriebiger als am Freitagabend. Pulks von Radfahrern trafen ein, stiegen kurz ab und pushten weiter. Auch hier gab es köstliche Speise. Ich probierte die Alblinsensuppe, garniert mit einer Schlangenlinie von Kürbiskernöl. Ganz gut mit einem frischen Zwiefaltendorfer Bier. Es wurde Zeit sich zu trennen. Nach Regensburg, nach Seeon, nach Gauting, nach Kempten, nach..., auch nach Biberach. Dort lag nun unser Willi. Wir warten alle auf deinen Vortrag über "Kosmos und Höhle", den du doch eigentlich halten wolltest. Alle Finger sollen dir wieder zur Verfügung stehen! Ihm verdanken wir ja dieses unvergeßliche Treffen, von dem er durch einen "halben Fehltritt" davonkatapultiert wurde. Ich glaube, daß sich unsere Erde und die unendlich vielen Geschehnisse auf ihr doch nicht komplett "ausrechnen" lassen!
Die "Romantik" hat Schafranski als eine "Suchbewegung" bezeichnet, die auf die Zeitgeschehnisse lebendig und halt auch abweichend zum "Kanon" reagiert hat, ähnlich wie etwas die "68er". Diese Idee der "Suchbewegung" ist natürlich überhaupt nicht nur auf den Beginn des 19. Jahrhunderts beschränkt! Daß wir uns auch gerade heute in einer solchen Umbruchszeit befinden, wer wollte das bestreiten? Welche "Sicherheiten" von "Gestern" gelten "Heute" noch?
Wir werden weitersuchen. Das Treffen hat wirklich Lust gemacht, HÖREPSY nicht einfach auslaufen zu lassen, vielleicht beim 25. Mal. Es gibt einfach zu viele spannende Themen, die man einmal ansprechen kann und sollte. Und es gibt, noch, ein paar Menschen, die zuhören. Vielleicht werden es beim nächsten Male wieder ein paar mehr, aber die reine Zahl ist kein Kriterium dafür, daß man ein HÖREPSY ein Erfolg war. Small is beautiful.
Wenn es klappt, dann treffen uns das nächste Mal im Salzburger Land.
Vor dem Gasthof Blank - der Veranstaltungsstätte |
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Wir, ohne Photograph, am Eingang zur "Höhle", die direkt unter
dem Wirtshaus liegt! Sind wir nicht am Eingang zum "beerdrinkers paradise"? Ein kritischer Blick in die so genannte "Wahrheit" ist sehr angebracht! Ein Abstieg in die "Unterwelt" ist ein Aufräumen mit "Mythen"! Do it yourself! |
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Im Naturtheater bei Hayingen | ||
Schauspieler | ||
"Romantische Pose" à la C.D. Friedrich | ||
Das Disaster war schon wieder vorbei und die Sanitäter waren da | ||
Im Vortragsraum - Dieter bei seinen Ausführungen |
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Der Kontrast: Bühnenbild zu Ali Baba und glümchengemusterter Vorhang |
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Der Ausklang in der der Gaststätte Friedrichshöhle | ||
Text vor der Veranstaltung:
HÖREPSY geht weiter. Wieder einmal auf der Schwäbischen Alb. Und das an einem Ort, der nicht näher an einer Höhle liegen könnte, wie es da der Fall ist. Sie liegt nämlich im Keller des Hauses und ist über eine Treppe direkt erreichbar. Willi Adelung wird wieder einmal die Hauptorganisation übernehmen und er hat auch eine Assistentin, Michelle.
Vorträge zu folgenden Themen sind angekündigt:
- Thomas Cole - der wichtigste amerikanische Landschaftsmaler der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und was sich bei ihm über Höhlen findet
- Caspar David Friedrich und seine Höhlenbilder
- Eine weitere "Höhlenoper"
- Kosmos und Höhle
Wir versuchen, den Film "Geheimnisvolle Tiefen" zu besorgen und ihn bei der Veranstaltung zu zeigen. Eine Rarität!
WANN: Freitag, 26. September, ab 18 Uhr - Sonntag, 28. September 2014
WO: Brauerei Blank in Zwiefaltendorf Blank's Brauerei, Brennerei und Mosterei
Wer an der Tagung teilnehmen will, der melde sich selber beim Gasthof zwecks Zimmerreservierung!
Wer gar einen eigenen weiteren Beitrag liefern möchte, der melde sich bei Willi (adelung.wilhelm@t-online.de) oder mir (hoehle3-lindenmayr@web.de) !
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