Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die 55. Jahres- und 60. (Jubiläums)tagung des VdHK in Berchtesgaden

3.  bis 6. September 2015


"Other people matter"

 Antwort des amerikanischen Psychologieprofessors Christopher Peterson, auf die Frage, was Menschen brauchen, Asgodom 121


Da schauten sie an uns vorbei, wohin eigentlich? Sabine (Zimmerebner) und Benno (Wolf), beide nicht mehr bei uns, in auf photographischem Material festgehaltenen Momenten, auf dem Galaabend der Jubiläumsveranstaltung aus Anlaß des 60. Jahrestages der Gründung des deutschen Verbands der Höhlen- und Karstforscher,
- und die derzeitige Vorsitzende, Bärbel Vogel, lebendig, in voller Größe und in feines Schwarz gewandet, zu uns sprechend - ein äußerst bewegender Augenblick am Samstagabend, den 5. September 2015, im Kurhaus von Berchtesgaden.

Der Ort Berchtesgaden/Schönau war perfekt gewählt, denn es gibt in ganz Deutschland nichts Vergleichbares. Nirgends wo anders haben wir eine solche Konzentration der längsten und tiefsten Höhlen in diesem Land. Im "Riesending" sind diese Größen perfekt vereinigt, obwohl der "Rekord" längst schwankt. Die Vereinigung mit den benachbarten Riesenhöhlen im Untersberg steht an und damit mit den "Salzburgern / Österreichern" (Erst 1810 kam ja Berchtesgaden überhaupt zu Bayern auf Grund eines, sorry, es war so, Verrats eines zum "König" gekrönten Mannes, Max I. Josef! Vorher gehörte es zu Salzburg sowieso! So viele Parallelen zu heute) . Eine klare Scheidung ist vollkommen unangebracht, da die Steine irgendwie anderen, dauerhafteren, "Gesetzen" zu folgen scheinen als dieses biologische "Unkraut", das da für ein paar Jahrzehntausende, das Unterste nach oben kehrend und damit alles durcheinander bringend, auf der dünnen Kruste dieses winzigen Lichtpunkts im Weltall herumhüpft und sich wunder etwas einbildet, von wegen "Krone der Schöpfung", lächerlich!

Bis auf die "Himmlischen Mächte" waren alle gut eingestimmt. Petrus war vielleicht gerade in Urlaub und wurde gerade von einer "niedrigeren Charge" vertreten, schlecht bezahlt, entmutigt und mit der Aussicht auf die "Rente mit 67". Kein Wunder, daß dann am Wasserhahn ein wenig gespielt wurde, der Wolkenschieber oft zurückgezogen wurde und auch ein wenig am Kälteregler gedreht worden ist. Jedenfalls lag am Sonntagmorgen, als die sehr gelungene Veranstaltung langsam zu Ende kam, auf den höchsten Bergzügen rundum, z.B. im Alpeltal am Göll, wieder ein weißer Schneeüberzug.

Einen Bericht über so ein Ereignis zu schreiben, das ist immer ein Abenteuer, wie ich finde. Es gibt bestimmt 100 Wege, dies zu tun, je nachdem, wie man gepolt ist. Der eine zählt, der andere rechnet, der Dritte macht Bilder, vielleicht einfach nur noch mit dem Handy, und wirft dann an Ende alles auf sein FACEBOOK-Account. Von Wörtern werden solche Konvolute kaum mehr begleitet. Dazu müßte man wohl noch mehr als ein technisches Werkzeug, den Drückdaumen und ein paar Kenntnisse über die Bedienung von "Computern" haben. "Hirn" haben wir das einmal genannt. Einer will über möglichst alles berichten und keine Einzelheit auslassen - total report - der andere überfliegt alles mit dem "Satelliten" und kopiert vielleicht das Veranstaltungsprogramm als Näherungslösung.

Seit langem schon sehe ich die Höhle nicht nur als "Geotop" oder "Biotop". Sie ist auch ein "Psychotop" - und bei so einer Veranstaltung, wo, ich habe versucht, das zu recherchieren, ca. 200 Menschen zusammengekommen sind, gibt es immer genügend Beispiele für diese These. So sprach Herr Vogel, der Chef des "Hauses der Berge" in Berchtesgaden in seiner Eröffnungsrede davon, daß doch die Möglichkeit der menschliche Begegnung, das Treffen mit den Freunden und Kameraden, hier so wichtig sei. Ich murmelte als Kommentar dazu zu meinem Nachbarn: "auch den Feinden". Leider spielt ja auch das inzwischen wieder eine ganz wichtige Rolle, das Sich-Abspalten, das Andere-Niedermachen, das Sich-aus-dem-Weg-Gehen. Neue Formationen entstehen, alte Vereine bröckeln bis ins Fundament.

Ein anderes, extremes Beispiel für das "Psychotop" war die mit Kreide an die Tafel im Eingangsbereich geschriebene Notiz, daß am Samstag um 17 Uhr ein Besuch des Grabs der "Höhlenprinzessin" (sorry, im Original heißt es "Höhlenrettungsprinzessin") Sabine Zimmerebner starten würde. Ich bin nicht hingegangen, denn das wäre mir zu viel geworden. Wir waren schon Tage zuvor dort gewesen, vor einer mehrtägigen Tour ins Hagengebirge. Es gibt nicht nur die Trauer, das Leben geht weiter, wenn es einem auch manchmal so erscheint, daß alles hinterher ziemlich banal, wenn nicht sinnlos erscheint. Wenn es gut geht, dann lernt man, ein wenig besser mit der eigenen Vergänglichkeit umzugehen, wenn nicht? Keine Ahnung.

Das Gesamtprogramm begann am Mittwoche, 2. September, mit einem Workshop zum neuen Bundesberggesetz. Am Donnerstag standen Exkursionen auf dem Programm und abends eine Vortragreihe unter dem Titel "Offizielle Prozeduren bei Höhlenunfällen". Freitags gab es im "Haus der Berge" in Berchtesgaden den "Tag der Höhlen" (mit künstlicher Höhle!) mit Filmen und Vorträgen, die abends in der Schule eine Fortsetzung fanden. Am Samstag fand vormittags in der Schneewinkelschule die Jahreshauptversammlung des Verbandes statt, nachmittags gab es mehrere Workshops (Höhlenrettung, Schauhöhlen) sowie Treffen der Arbeitskreise Biospeläologie und Höhlentauchen. Den großen Höhepunkt bildete die "Nacht der Höhlen" im großen Kursaal im Kongresshaus in Berchtesgaden mit Bildervorträgen von Carsten Peter, Max Wisshak und Peter Hofmann, ein Vortragshighlight über die Geschichte der Höhlenorganisationen in Deutschland von 1945 bis 1990 von Friedhard Knolle und die Verleihung des Benno-Wolf-Preises von Michael Krause, der leider nicht anwesend war. Am Sonntag gab es noch einmal Exkursionen.

Bärbel Vogel hatte es sicherlich nicht ganz einfach, gerade in Berchtesgaden so ein Programm auf die Füße zu stellen, da die lokale Basis an Höhlenforschern ja nicht vorhanden ist, sprich es gibt keinen Höhlenverein. Dafür sprangen dann Helfer aus der Umgebung ein, hauptsächlich von den Chiemgauer Höhlenbären. Sie hatten die Aufgabe des Caterings übernommen und versorgten alle mit Speisen (die von einem Caterer bezogen  worden waren, dessen Leistung recht unterschiedlich beurteilt wurde) und Getränken. Stefan Sassenrath und Co. managte die Anmeldung. Von den Salzburgern kam Hilfe in Form von Vorträgen und Organisation von Höhlentouren usw.. Auch wir Münchner leisteten ein Schärflein mit Vortragsbeiträgen, Tourenangeboten und der Zurverfügungsstellung der "Schlufkiste" für das Haus der Berge.

Ich machte bei der Exkursion "Alpine Natur und Kultur - Almen und Felszeichnungen", geführt von Peter Wörnle und Elisabeth Brandstetter, am Donnerstag mit. Wir fuhren mit der Seilbahn auf den Jenner, stiegen hinauf bis zum Gipfelkreuz, hatten von dort wenigstens für Momente ein wenig Sonnenschein und konnten zwischen den Wolken ein paar der Gipfel im Umland erblicken, den Schneibstein, die Kratzspitze, den Fagstein, den Untersberg. Danach ging es den steilen Weg bis zum Königsee hinunter, durch das alte Metallabbaugebiet am Torrener Joch, bei der Königsbachalm fanden wir die beiden Felsen, auf denen schöne Ritzzeichen zu sehen sind, teilweise schwer zu finden, wenn sie einem keiner zeigt und man sie selber finden muß, und am Ende, zwischen den zerbrochenen Riesenfelsen im Tal in einer Spalte - noch eine Ritzzeichnung eines Hirschen. Zu erwähnen ist natürlich auch der "Schnapsstop" an der Enzianbrennerhütte, wo wir die klaren Brände direkt an der "Quelle" bezogen. Die Zeit verflog wie im Flug und wir kamen erst gegen 17 Uhr an der Schneewinkelschule wieder an. Andere besuchten das Hennerloch (Führung Georg Ronge), die Schlüssellochhöhle (Führung Karl Blimetsrieder), die Salzgrabenhöhle (Führung Werner Vogel) usw.. Leider fiel die Tour auf die Reiteralm, organisiert von Thomas Schulzki, dem unsicheren Wetter zum Opfer, die ich eigentlich mitmachen hatte wollen.

Aus dem reichhaltigen Vortragsprogramm wählte ich Gerhard Zehentners Beiträg über den "Unterirdischen Untersberg auf österreichischer Seite" aus, der den neuesten Stand der Höhlenforschung in dem 5-Sterne-Höhlengebiet perfekt resümierte. Ich hielt einen kleinen Überblicksvortrag über die Höhlen der Gegend um den Königsee, um ein wenig das riesige speläologische Potential der Gegend zu zeigen und abends präsentierte ich unser Forschungsprojekt "Meghalaya 2015", was nicht einfach war, weil der Laptop ein Eigenleben entwickelte und sich z.B. erst einmal wieder abschaltete, eh er dann beim zweiten Versuch selbstherrlich auf Projektion mit Zeitschaltung verfiel.

Auch dieses Treffen stand noch unter dem Eindruck des Großrettungseinsatzes im Sommer 2015 im Riesending. Johann Westhauser, der Gerettete, war auch da und nahm an der Tagung teil. Viel wurde berichtet und diskutiert, auch die Folgen für den Solidaritätsfond des deutschen Höhlenverbandes. Die Diskussion geht weiter und soll im nächsten Jahr zu weiteren Schritten führen. Einer war nicht da, Jörg Obendorf, dem Genesungsgrüße von der Hauptversammlung per Bild ins Krankenhaus gesendet wurden.

Ein nächster Tagungsort ist auch gefunden: Rübeland im Harz. Das wird sicherlich auch eine Veranstaltung, deren Besuch sich lohnen wird.

Warum gehen Menschen zu solchen Tagungen? Die meisten wohl, um andere, meist Gleichgesinnte zu treffen. Dabei kommt es zu den ungewöhnlichsten, schier unglaublichen Begegnungen. 1997 habe ich ja mit dem VHM in Garmisch die 37. Tagung organisiert. Dort stand mir z.B. einer, Elmar Hammerschmitt war es, der mir Tage zuvor als das Zeitliche gesegnet habend beschrieben worden war, auf einmal wieder leibhaftig und höchst lebendig gegenüber. Diesmal war es Frank Ulmer. Ich hatte ihn zuletzt als einen Höhlenforscher erlebt, der tief bis in den Brustbereich im Schlamm der Chauverochehöhle im Französischen Jura am 16. Juni 1986 feststeckte und um dessen Befreiung aus dem Schlam(m)assel wir eine Stunde lang hart ringen mußten. Damals machte ich ein Photo von ihm, wobei ich ihn gebeten hatte, doch zu "lächeln", wenn ich die Aufnahme von ihm machen würde. Er tat es und das Bild wurde so gut, daß es sogar den Weg auf die Titelseite des französischen Höhlenmagazins Spéléo N°10-1992 gefunden hat. Sein Kommentar nach 29 Jahren:
"Mir war gar nicht mehr bewusst, dass ich so tief drin gesteckt bin."

Es bleibt nur zu danken, allen, die sich hier engagiert haben. Ihr habt es sehr gut gemacht. Eigentlich muß das ja auch zu allen gesagt werden, die hingegangen sind, da sie ja auch Teil des Geschehens waren - und vielleicht auch zu denen, die nicht gekommen sind. Da gibt es leider auch so manchen Brunnenvergifter und Stimmungsschlechtmacher drunter, die oft einfach nicht gut tun, uns aber halt wieder in die oft harte Wirklichkeit zurückführen.

 


 

Der Hauptschauplatz: die Schule in Schönau am Königsee

> Der Parkplatz: wichtiger Stand-, Camping- und Lebensraum von vielen während der Tagung

     
> Während des Vortrags über die Höhlenrettung in einem Raum, der normalerweise als Schulzimmer dient
     
Im Eingangsraum der Schule: zentraler Treffpunkt, Anmeldeplatz und "Wohn/Eßzimmer" der Tagung
     
Beim Anliefern und Aufbau der "Schlufbox" des VHM im "Haus der Berge" in Berchtesgaden
     
Georg beim Ausstieg aus der Schlufbox  
     
< Drinnen: Die Fotoausstellung "Erde extrem" von Carsten Peter im "Haus der Berge", die Natur in atemberaubenden/breathtaking Perspektiven

> Draußen: die schönste Natur: der Watzmann ganz echt, frischluftigst und in voller Größe
- vielleicht nur noch in der Version von C. D. Friedrich in Berlin übertreffbar

     
     
     
Eigene Führung für die Tagungsteilnehmer durch das "Haus der Berge"

> Wo steht unser "Guide" gerade? Auf der "Eiskapelle" vielleicht?

     
Eintauchen in künstliche "Naturwelten" aus Beton und ähnlichen Materialien
     
Kunsthöhle

> Günther im Schluf

     
Am Eingang zur "Bilder"höhle - dem Vortragsraum mit optimalen Bedingungen, weil an 3/4n des Raums alles Schwarz war ..Plato

> Bärbel bei ihren Einleitungsworten

     
< Christina von Seckendorff vom "Umweltministerium" bei ihren  Begrüßungsworten

> Mittagessen im Museumsrestaurant
Spiesberger Berchtesgaden - Spiesberger's Alpenküche

     
Zurück in der Schule - back to school

Viel Freiraum für Gespräche und "Sich-aus-dem-Weg-Gehen"

     
< In der "shopping mall" der Tagung: dort, wo es "alles" gab, vom Gebrauchtbuch bis zur Luxushelmleuchte  
     
Samstag:

Die Jahreshauptversammlung

> der momentane /nicht: monumentale "overhead" des Verbands

     
Gleichzeitig an anderer Stelle in der Nähe an der Grenze bei Zill:

< Flüchtlinge zu Fuß auf dem Weg nach Deutschland

> fahrerlos zurückgelassener Kleinbus der "Schlepper"

     
Derweil am "Hauptschauplatz":

< Stimmabgabe!

> Scherz und Rechtschreibfehler:
"Happy Höhlentür!"

 

     
Abends im Kurhaus:

< Publikum im Saal

> Zwei der Hauptakteure bei der Vorbereitung ihrer Vorträge: Friedhart Knolle
und Max Wisshak
(weirdest cave on earth)

 

     
< Der abwesende Preisträger des heurigen "Benno-Wolf-Preises", anwesend wenigstens bildmäßig: Michael Krause

> Andreas Wolf und Bärbel Vogel: Bärbel hatte wirklich den Blumenstrauß und eine "Wellnesskarte" verdient - das sind ja alles nur bescheidene Symbole!

Zwei der "Hauptvortragenden":

Carsten Peter

und

Friedhart Knolle

     
Friedlich schlafendes "Kind" während der ganzen Veranstaltung, inmitten des ganzen "Towowabohus" - ein augenfälliges Beispiel dafür, daß der "Schlaf" etwas ist, das sich auch sehr wohl selbst zu regeln weiß

- gilt das nicht auch für den "Winterschlaf" der Fledermäuse?

Ein Gruß an alle "Fledermausschützer"!

 
     
Meine Exkursion am Do 3.9.2015:

Hinauf auf den Jenner und hinunter über die Königsbachalmen mit ihren Felszeichnungen bis zum Königsee

geführt von Peter Wörnle und Elisabeth Brandstetter

     
> "Kaiser..wie war doch sein Name?" und der Kamm des Untersbergs"
     
< Auf dem Gipfel des Jenners...Explanationen

> Vor der alten Hütte

     
Auf dem Weg zur Brennerhütte und seinen gebrannten Köstlichkeiten
     
Auf der Königsbergalm

> Ritzzeichnungen, irgendwo im Bergwald auf herunter gefallenen Felsblöcken

Die Frage nach dem Sinn dieser Zeichen kann man zwar stellen - allein - wer soll sie beantworten?

Literatur:

Asgodom, Sabine Der süße Duft des Erfolgs, Kösel-Verlag, München 2014
Eisenberger, Korbinian Wieder oben, Süddeutsche Zeitung Nr. 207, 9. September 2015, R13
Lindenmayr, Franz Schlaglichter - ein persönlicher Rückblick auf Garmisch '97, DER SCHLAZ  83-Oktober 1997, S. 12ff.
Verband der deutscher Höhlen- und Karstforscher VdHk Jahrestagung Tagungsunterlagen, Nesselwang 2015

Links:

Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher

Höhlenforschung vom 04.09.2015: Rettung unter schwersten Bedingungen | BR Mediathek VIDEO

Höhlenforscher-Tagung vom 04.09.2015: Ein Fonds für mehr Sicherheit | BR Mediathek VIDEO

Eiskapelle wird zum Eiskapellchen - Markt Berchtesgaden - Berchtesgadener Anzeiger

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Dropbox - VdHK_2015 Schönau am Königssee

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