Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Psychotop Höhle
"L'uomo fa il luogo, e il luogo l'uomo" Proverbio toscano
"Hallraum der Seele" Joseph von Eichendorff
"Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag
gedacht."
Nietzsche,
Das trunkene Lied
"Es kommt mir vor, als existierte ich als Rutengänger im eigenen Kopf." Bernhard, Der Keller, 102
"Die Orte, an denen wir die Zeit vergessen können, sind lebensnotwendig." Laudenbach, Heuer 138"
"Er (der Mensch) fühlt, daß ihm nichts mehr zu suchen bleibt, sobald er es entdeckt hat." Dostojewski, Fjodor, Aufzeichnungen aus dem Untergrund, in: Der Spieler - Späte Prosa, Aufbau-Verlag, Weimar und Berlin 1994, S.194
"Das Geheimnis, um ...den grössten Genuss vom Dasein einzuernten, heisst: gefährlich leben." Nietzsche
"Space drives behaviour" (Lohr, The Office 5)
"Er..suchte Freude darin, seine Kräfte zu fühlen und sich im Kampf mit Beschwerden und Gefahren zu bewähren." Hesse, Der geheimnisvolle Berg, S. 35
"Wenn ich manchmal den Schlüssel finde und ganz in mich selber hinuntersteige, da wo im dunkeln Spiegel die Schicksalsbilder schlummern,..." Hesse, Demian 163
"Temperature, texture, weight, sound, taste smell and colour, among a symphony of other physical sensations, affect us every day. We are moved without knowing we are being moved." Rehn, Material 115
"In der Tiefe, das lauert das Gewissen." Werthmann, Alligatoren 36
"Es ist schser, in einem dunklen Raum eine schwarze Katze zu finden, warnt eine alte Weisheit. Vor allem, wenn es diese Katze gar nicht gibt." Firestein, Ignoranz 7
"Unser Leben ist nur ein kurzer Lichtspalt zwischen zwei Ewigkeiten des Dunkels." Vladimir Nabokov in "Erinnerung, sprich"
"The cave leaves its mark on the human body." Dowd, The Archeology of Caves in Ireland
"Marathon..he liked the punch-drunk ones....the laggards und limpers who weren't running the course but running deep inot their character - down into the cave to return to the light with what they found." Colson Whitehead, The Nickel Boys 157
"...Erzeugen eines Gefühls von dem, was fehlt.." von Matt, Übeltäter 40
"That's a dark thought in the dark." David Gilmore
In einer relativ kleinen, aber trotzdem labyrinthisch angelegten Höhle des Hagengebirges bei Salzburg. Wir waren zu zweit unterwegs darin. Ein niedriger Kriechgang führt hinein, ein kalter Wind streicht hindurch. Von den Seiten kommen weitere kleine Gänglein hinzu. Ein Steinmann steht links an einem Absatz. Ein 1 m hoher Abstieg, dann steht man in einem quer dazu verlaufenden mannshohen Gang. Nach unten bricht der Gang in eine Halle ab, nach oben verzweigt sich das Ganze schon wieder. Immer dem Luftzug und den unregelmäßigen Röhren nach, die gerade so hoch sind, daß man gehen oder mindestens sich nur leicht bücken muß. Eine nächste Halle ist erreicht. Wieder in alle Richtungen Gänge, niedrig, klein, verblockt. Wir beschließen umzukehren. Der Steinmann ist eine gute Markierung. Hier muß es hinausgehen. Ein Abzweigung, ein Holzstöckchen liegt drinnen. Das ist der Ausgang. Denken wir. Kriechen hinein. Kriechen und kriechen. Eine schlammige Stelle kommt. Dort scheint noch keiner durchgekommen zu sein. Ich krieche voraus, es geht immer weiter. Die Röhre nimmt kein Ende. Der Zweifel wächst, ob ich noch auf dem "richtigen" Weg bin, es wird immer enger, langsam. Ich rutsche wieder zurück. Und noch weiter. Mein Kamerad wirkt völlig verändert. Irgendwie "geschrumpft". Ich höre ihn beten, er scheint voller Angst auf einmal zu stecken, daß wir nicht mehr aus der Höhle herausfinden werden. Eingeschlossen im Berg - für immer. Er steht unter Schock und leidet unter einer Art von Panik. Ganz leicht spüre ich auch Zweifel, ob wir wirklich wieder hinausfinden werden. Das Spielerisch-Leichte ist einem fühlbaren Ernst gewichen. Wo ist der letzte sichere Punkt? Der Steinmann. Da bin ich beim Hereinkommen vorbeigekrochen. Da muß es hinausgehen. Ich schaue mich noch einmal um. Ja, da war noch ein zweiter Gang, den wir beim ersten Mal nicht so beachtet haben. Ich krieche hinein, noch ein paar Meter weiter - und, da ist es ja wieder, das Tageslicht. Es sind nur ein paar weitere Meter, dann sind wir wieder deraußen auf der Erdoberfläche, der Wärme des Tages, dem Duft des Bergwaldes. Wir haben erlebt, daß es nicht selbstverständlich ist, sie erleben zu können. Ein wenig ist es schon wie zweite Geburt.
Den Ausdruck "Psychotop" habe ich zum ersten Male gehört, als ich eine Fernsehsendung über die Wiener Ringstraße gesehen habe. Sie sei ein Ort, der diesen Ausdruck verdiene, sagte der Fernsehsprecher. Sofort kam mir der Gedanke, daß auch die "Höhle" so ein "Psychotop" sei. Es gibt eben nicht nur "Geotope" oder "Biotope", sondern halt auch noch viele andere "-topoi", vom griechischen Wort "topos", Ort, Platz. (Ein analoger Begriff dazu aus der Literatur stammt von Thomas Bernhard: "Denkbezirk". Er verwendet ihn im Zusammenhang mit Krankenhäuser, Klöstern, Gefängnissen > Der Atem - Eine Entscheidung, S. 45)
Geotope sind, lt. Wikipedia, "Gebilde der unbelebten Natur, die Einblicke in die Erdgeschichte, einschließlich der Entstehung und Entwicklung des Lebens auf der Erde, vermitteln." Einblicke bekommt man auch in der Höhle, dann halt in das "Seelenleben" des Menschen."
Früher hat man auch andere Ausdrücke für den Bezug von Mensch und Erde benutzt, z.B. genius loci, "a place with a special atmosphere for health, a place that raises your soul to a higher level" (Burleigh). Solche Orte sind sicherlich manche Höhlen, was sich in ihrer Verwendung als Kultstätte zeigt, z.B. in Lourdes.
Beschreibung des Höhleneindrucks "nach einer Art" Höhlenrettung in der Falkensteiner Höhle im Juli 2019: "22.34 Uhr: Jetzt spricht einer der Höhlenretter über die Befreiungsaktion. Max Fahr (29) ist unter anderem Berufssoldat und war während der Rettung mit den Touristen abgeschlossen von der Außenwelt. Der BILD erzählte er von den langen Stunden: „Die Bedingungen waren Horror. Es war schwierig, in die Höhle zu kommen. Wir haben keine Sekunde geschlafen. Ich habe das Unfallopfer in zwei Schlafsäcke und eine Rettungsdecke gepackt, ihm gut zugeredet, versucht, die Angst zu nehmen. Insgesamt saßen wir fast 14 Stunden zusammen da drin. In der Höhle war es kalt, nass, unangenehm, laut. Es hat nach Urin und Schweiß gestunken. Kein Ort, an dem man lange bleiben mag.“
Viele Fragen stellen sich in Bezug auf das Verhältnis Mensch und Höhle, die den Bereich unserer "Psyche" (vom griechischen Wort "psyche" - wörtlich: "kalter Hauch" / Hasenfratz 102) vor allem nahe stehen.
Eine kleine Auswahl davon, eine erste Annäherung an dieses weite, unerschöpfliche Thema:
Wie wirkt das Sein bzw. Werden in der Höhle auf uns und unsere "Seelen"?
Schier unendlich viele Antworten sind möglich und sind schon gegeben worden. Eine kleine Auswahl daraus:
1.1.) Die Wirkung der Dunkelheit (..die Abwesenheit von Licht in einer bestimmten Blickrichtung)
- "Was gäbe ich nicht, ihr könnt es mir glauben,
für den Frieden der Seele und jene höchste Erkenntnis,
die uns den Weg auftun, der durch die Finsternis führt.." Thanassis
Lambrou, Labyrinth 27
- "Die Welt ist ein Rosengarten und zugleich die Fremde,
der Weg zu dem Einen durchs Dunkel mitten hindurch." Thanassis Lambrou,
Labyrinth 35
"Ich heiße die Nacht willkommen, denn ich spüre diese tiefe Verbundenheit mit der Natur nur durch die Absenz des Lichts." Berg, GRM 221
"Ich kniff die Augen zu, um die Finsternis nicht zu sehen - wie ein Kind." Verne, Mittelpunkt 355
"Nur des Dunkel verlockt zum Denken." Kaeser, Die Welträtsel 217
"Die Dunkelheit, aus der ich stamme." R.M Rilke
"Die Wissenschaft ist ein Streichholz, das der Mensch eben erst angezündet hat. Er dachte, er sei in einem Raum - in Momenten der Andacht, in einem Tempel....Es ist eine seltsame Erfahrung, nun, da das Licht aufgehört hat zu flackern und mit klarer Flamme brennt...um ihn her, statt all der Schönheit und des Trostes, die er glaubte, erwarten zu dürfen, noch immer - Dunkelheit." H.G. Wells, Die Wiederentdeckung des Einzigartigen, zitiert nach: Kaeser, Welträtsel 217
"Nur das Dunkel verlockt zum Denken." Kaeser, Welträtsel 217
"There are few ways of feeling mor human than to find oneself in a deep cave when the lights go out." Dowd, 2015
"Ewige Finsternis: ein Zustand ohne Anfang und Ende, der nur durch einen Höhlenforscher mit Karbidlampe ein Ende findet." Wiener, Tratschspalte In Memoriam
""In mir löst das Wort Dunkelheit eine Bewegung aus; es tut sich eine tiefe Furche in meinem Innersten auf, in der Trauer und Krankheit, Nacht und die Farbe Schwarz wohnen - Tür an Tür mit meiner höchstpersönlichen Angst vor der Dunkelheit." Sandberg, Dunkelheit 26
"Wir brauchen die Dunkelheit genauso wie das Licht." Nickel, Spitzweg 194
"..denn der Mensch ist ein dunkles Wesen, er ist nur Herr über sich in der Finsternis und am Tag kehrt er zurück in die Sklaverei." Bachmann, Malina 132
"Die Erleuchtung erlang man nicht, indem man sich das Licht vorstellt, sondern indem man sich des Dunkeln bewusst wird." C.G. Jung, zitiert nach Grasshoff, Schön erschöpft 47
1.2 Die Wirkung des leeren Raumes bzw. von Leere
https://www.textlog.de/tucholsky-leere.html
"Diese Leere ist nicht das negative Nichts. Verstehen wir die Leere als Raumbegriff, dann müssen wir sagen, daß die Leere dieses Raumes gerade das Einräumende ist, das was alle Dinge versammelt." (Heidegger, zitiert nach Gumbrecht, Nach 1945)
"Und ist es nicht überhaupt erst die vollständige, farben- und formenlose Leere, die sich am wunderbarsten beleben kann?" Handke, Sainte-Victoire 14
"Die Leere umreißt mich besser als das Volle, die Fülle; die leere Straße umreißt mich besser als die volle Straße." Handke, Felsenfenster 301
"Statt "die Leere umreißt.." sag auch gestaltet: "Die leere Straße gestaltet" (mich, dich, ihn); das epische Element, entstehend erst aus dem Leeren: weniger freilich aus dem leeren Haus als aus dem leeren Weg, dem leeren See, dem leeren Fluß, dem leeren Zug, dem leeren Autobus, dem leeren Bergrücken." Handke, Felsenfenster 302
"..these triumphs had a hollowness; at arm's length they were, not in the heart; and it might be that she was growing old..." Woolf, Dalloway 193
"Irgendwas muß der Mensch doch tun, oder soll er denn sein Leben lang einfach dasitzen und ins Leere schauen und nachdenken, was Gott, in seiner unergründlichen Langeweile, vielleicht mit dem Menschen gemeint hat?" Frisch, Stille 43
"Und was uns zurückbleibt aus aller Begeisterung, die uns die Natur schenkt, ist immer nur die erwachende Einsicht, wie ausgeschieden du bist aus dieser Welt, die schön ist und vielleicht einen Sinn hat, wie ausgestoßen aus aller natürlichen Vollendung, wie einsam in deiner Leere, wie fremd und taub in dieser großen Stille eines solchen Waldes." Frisch, Stille 60
1.3 Die Wirkung der Stille / des "Schweigens"
"Also öffne dich. Der Mensch komme hervor. Atme die Luft und die Stille." (Kafka)
"Jenseits des Schweigens gibt es weniger zu entdecken." George Steiner
"Aber plärr nicht, wie am Beatboden. Wer will, ist still, nur der dem heimlich vom Ernste graut, will überlaut." Repis, Höchst überflüssig
1.4 Die Wirkung des "Abgrunds"
Das Wortfeld "Abgrund" und
verwandte Begriffe
1.5 Die Wirkung der "Enge"
> Greg Baird "Gedanken in einem Schluf,, Vereinsmitteilungen
Landesverein für Höhlenkunde Salzburg 2/1978, S. 27 (...Was soll ich
überhaupt hier?)
> Chabert, Claude (1992): De l'confort intellectuel des trémis, Grottes
& Gouffres n° 125, septembre 1992, 31-33
> Serres, Michel (1994): Die fünf Sinne, Suhrkamp, Frankfurt a.M.
2.Auflage
1.6 Die Wirkung des "Drecks"
"Ich weigere mich, in eine dreckige Höhle zu gehen." Diese Bemerkung habe ich tatsächlich wieder einmal gehört, im März 2016. Meine Antwort: Geh dort einmal zum Doktor, damit er dich daraufhin behandelt. Ironie des Schicksals: Die Person, die das gesagt hat, ist selber Arzt. Verständlich ist die Aussage, allein der "Dreck" ist einfach Wesensmerkmal der "Höhle", und wer den Kontakt mit ihm ablehnt, der ist nicht mehr qualifiziert, "tiefer" in die Welt der Höhle einzudringen
"Gailenreuther Höhle...hier muß man in immer tiefere Schlünde hinabklimmen. Sprossen und Stangen sind mit feuchtem Moder überzogen; man sieht bald aus wie ein Mohr oder wie (salva venis) Schwein, wenn es lange nicht geregnet hat." Immermann, Reise durch die Fränkische Schweiz 52
1.7 Die Wirkung von "Nichts"
Parmenides: Sein ist, Nichtsein nicht. Stimmt das?
"Das vom frühen Heidegger evozierte "Hineingehaltenseins in das Nichts" manifestiert sich - wenn man für eine ontologische Formel eine psychologische Entsprechung suchte - in Zuständen der Unentschiedenheit, der Unschlüssigkeit, des Verlusts von Boden unter den Füßen." Sloterdijk, Den Himmel 326
"Dichter..man kann sein ganzes Dasein vergessen und das Nichts in klingende Worte hüllen..." Frisch, Stille 44
"Nur der lautlose Nebel schleiert durch die nahen Bäume, deren Stämme naß und schwarz sind, und in der Ferne, wo man die großen und zerfransten Tannen erkennt, erscheinen sie wie graue Schemen, die irgendwo am Steilhang stehen, irgendwo aus einem bodenlosen und uferlosen Nichts - " Frisch, Stille 60
"Die Barockliteratur ist reich an Elogen und Verherrlichungen des Nichts, voller intellektueller und poetischer Schärfe gegenüber der faszinierenden Undenkbarkeit ihres Gegenstandes, dem Nichts, das schwieriger zu begreifen ist als die Ewigkeit Gottes, und gegenüber dem Wunsch, der Herausforderung durch diese begriffliche Unmöglichkeit zu begegnen oder sie zu umgehen..Kepler...Strena sen De Nive Sexangula.." Magris, Donau 124
1.8 Die Wirkung der "Reibung"
"Reibung ist die Essenz von Expertise, Kunst, Wissenschaft - ja, Fortpflanzung.....Das ist gefährlich, weil Effizienz Reibung beseitigen soll." (Interview von Jannis Brühl mit Tristan Harris und Roger McNamee, "Die Aussteiger", SZ Nr. 213, 15.09.2020, S. 9)
Reibung....das kennt jeder, der durch einen engen Schluf einmal gekrochen ist, sich durchgewürgt hat.. oder auch mal auf dem feuchten Lehm ganz elegant durch eine Engstelle geglitten ist..... siehe "Enge"
1.9. Die Wirkung der "Tiefe"
""Tiefe"...meine ganz elementare Erfahrung, dass unser Denken, ja, unser Leben nicht ein für allemal fest gefügt ist, sondern aus den Fugen geraten kann, und dass vielleicht gerade durch die Fugen hindurch der Sinn für eine andere existenzielle Dimension geweckt wird, für die Epizentren des Religiösen in unserem Alltag....Warum nicht das Religiöse als einen besonderen Sinn für diese Weltrissigkeit begreifen?" Kaeser, Welträtsel 201
1.10. Die Wirkung der "Schönheit"
"Beauty offers her lures" Virginia Woolf
2. Warum geht ein Mensch überhaupt in eine Höhle und warum eigentlich mehrmals, sprich, warum wird jemand zum "Höhlenforscher"?
..ein sehr spannendes Thema, eigentlich das wichtigste für
jeden, der sich der Sorte "Höhlenforscher, speleo, caver usw."
zugehörig fühlt. Das noch ausführlich zu behandeln ist....
Thomas Kesselring hat das schon einmal gründlich untersucht und ist dabei
eine
neue Untersuchung durchzuführen
Ein anderer Artikel von ihm zu diesem Thema: https://nzzas.nzz.ch/gesellschaft/hoehlen-drama-in-thailand-warum-zieht-es-menschen-ins-herz-finsternis-ld.1403020?reduced=true
3. Die Angst und die Höhle
> Angst und Höhle
4. Was erleben wir Positives in der Höhle?
- unsere "Wilde Seite" (Born to be wild....), siehe u.a. Gnettner
- wir erleben "Abenteuer". "Jedes Abenteuer lohnt sich, solange man danach noch tanzen kann." Rolando Villazon in einem SZ-Interview 15.1.2021
Gerade der Abenteueraspekt ist zentral. Christian Foerster, "Abenteurer, Autor und Motivationsexperte" (Holch in CHRISMON 04.4021, S. 42) nennt drei Bedingungen dafür, daß etwas ein "Abenteuer" sei: 1) Sie müssen raus aus der Komfortzone. 2) Sie machen etwas anders als bisher. 3) Sie akzeptieren die Unsicherheit." Ein Pseudoabenteuer sei z.B. "Trekking in einer Höhle". Warum? "Ich habe überhaupt keine Selbstverantwortung. Es ist alles vororganisert, der Ablauf steht, und es ist jemand da, der sich darum kümmert, dass alles genau so läuft, wie es laufen soll. Das sind keine ehrlichen Erlebnisse - bei denen schaffe ich aus meiner eigenen Kraft heraus etwas."
5. Höhlenforschung als Eindringen in vorher nie begangene Räume
Eine der stärksten Motivationen, "Höhlenforscher" sein zu wollen, ist, daß man Gebiete dieser Erde erreicht, in denen vorher noch nie jemand gewesen ist. Man könnte fragen, wen immer man wollte, keiner könnte es einem wirklich sagen. Egal wie studiert jemand ist, je belesen, je "ranghöher" - egal. Niemand weiß es wirklich.
Damit zerbröckelt auch ein Satz wie: "Auf noch nie begangenen Wegen braucht man Führer; auf Wegen, die sogar den Führern noch unbekannt sind, braucht es den genialen Führer." Schlaffer, Das entfesselte Wort" 132. Es gibt hier keinen "Führer", egal wie sehr sich auch jemand "aufbläst"! Bescheidenheit, zugeben des Unwissens ist hier viel eher angebracht....
In einer alten mythischen Geschichte, die uns durch Pausanias überliefert ist, taucht ein weiteres Motiv auf, das Aufnehmen des Menschen mit der Schwerkraft. Ein aktuelles Beispiel ist ja der Brückeneinsturz im August 2018 in Genua/Italien. Da nimmt es jemand auf sich, den Gewalten, die von "oben" drohen, zu trotzen. Er hält sich für überlegen, jedenfalls gibt er vor, daß er alles im Griff hat, z.B. durch regelmäßige Kontrollen im Rahmen der definierten Bedingungen. Wenn die nicht viel taugen....
Es da in der uralten Geschichte um Pulydamas, der alles gemeistert hat, einschließlich der olympischen Ehren. Dann geht er mit seinen Trinkgenossen "in eine Grotte; zur unglücklichen Stunde war gerade damals die Decke der Grotte gerissen, und es war augenscheinlich, daß sie alsbald zusammenstürzen und nur noch kurze Zeit halten würde. Da sie das drohende Unglück bemerkten, und die übrigen sich zur Flucht wandten, fiel es dem Pulydamas ein zu bleiben, und er hielt seine Hände in die Höhe, als ob er im stande wäre, die einstürzende Grotte aufzuhalten, und als ob nicht einmal der Berg ihn überwältigen könnte. So fand er damals seinen Tod." (Hermann, Höhlenunfälle 145)
Angeblich beherrscht der Mensch jetzt diese Welt...... vielleicht für kurze Zeit einige Phänomene...der Hochmut gegenüber der "Natur".
Aus dem Gedicht "Fluchtpunkt" von Sarah Kirsch (1935-2013), zitiert nach Quint Buchholz, Vom Glück der Langsamkeit, S. 48
"....Uns zwingen die eigenen Maschinen
Ohne Verweilen weiterzurasen Expeditionen
Ins Innere der Menschen sind uns versagt
Die Schutthalden Irrgärten schönen Gefühle
Bleiben unerforscht und verborgen.."
...wird fortgesetzt
Literatur:
Bachmann, Ingeborg | Malina, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1971 |
Berg, Sibylle | GRM Brainfucking, Köln, 3. Auflage, 2019 |
Bernhard, Thomas | Der Atem - Eine Entscheidung, Residenz Verlag 1978 |
Bernhard, Thomas | Der Keller, Salzburg und Wien 1998 |
Bischof, Norbert | Psychologie - Ein Grundkurs für Anspruchsvolle, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 2008 |
Bono, Alain de | Trost der Philosophie - Eine Gebrauchsanweisung, fischer, 4. Auflage, September 2013 |
Bottegal, Mila | Freud e lo speleologo, Speleologia 86 - September 2022, S. 65f. |
Brean, Th. | Aspects psychologiques de la spéléologie, GROTTOLOGIE 2 bulletin annuel du G A G de Blois (1978) |
Brühl, Jannis, Interview | (Interview von mit Tristan Harris und Roger McNamee, "Die Aussteiger", SZ Nr. 213, 15.09.2020, S. 9) |
Brunner, Willi | Die Ochsenmaulhöhle, in: Münchner Höhlengeschichte II, München 2004 |
Burleigh, Nina | A New Kind of Pilgrim Visitis St. Francis' Home, The New York Times International Weekly, September 11, 2015 |
Chabert, Claude | De l'confort intellectuel des trémis, Grottes & Gouffres n° 125, septembre 1992, 31-33 |
Deubner, C. | Das Höhlen-Experiment, Der Schlaz 33-1981, S. 11ff. |
Dowd, Dr. Marion | The Archeology of Caves in Ireland, It Sligo, 2015 |
EJH | IS IT WORTH IT?, in: Journal of the Sydney Speleological Society, 1989, 33(12): 237-238 |
Freud, Sigmund | 1898 Brief an Wilhelm Fliess, S. 232, in: Briefe 1873-1939, S. Fischer Verlag, London 1960 |
Firestein, Stuart | Ignoranz - Die Triebfeder der Wissenschaft, Huber, Bern 2013 |
Fischer, Ernst Peter | Durch die Nacht - Eine Naturgeschichte der Dunkelheit, Pantheon, 2017 |
Friebe, Holm | Die Steinstrategie - Von der Kunst nicht zu handeln, Hanser, München 2013 |
Frisch, Max | Antwort aus der Stille, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2009 |
Gambari, Stefano | Freud e lo speleologo - scena di un incontro,Circolo Speleologico Romano 2021 |
Gnettner, Dr. Ines | Born to be wild, alpinwelt 4/2017, S. 36 |
Grasshoff, Friederike Zoe | Schön erschöpft, SZ Nr. 58, 9./10.03.2024, S. 47 |
Gumbrecht, Hans Ulrich | Nach 1945 - Latenz als Ursprung der Gegenwart, Suhrkamp, Berlin 2012 |
Hampe, Michael | Die Wildnis Die Seele Das Nichts - Über das wirkliche Leben, Hanser, München 2020 |
Handke, Peter | Die Lehre der Sainte-Victoire, suhrkamp, Frankfurt a. M. 1980 |
Handke, Peter | Am Felsenfenster morgens, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2019 |
Hasenfratz, Hans-Peter | Religion - was ist das? HERDER-Spektrum, Freiburg 2002 |
Heidtmann, Jan | Der Baumflüsterer, Süddeutsche Zeitung Nr. 269, 21./22. November 2015, S. 57 |
Herrmann, Eckart | Höhlenunfälle gab es auch schon bei den alten Griechen, HKM Wien und NÖ 6-1997, S. 145f. |
Hesse, Hermann | Der geheimnisvolle Berg, in: Die Märchen, Legenden, Übertragungen, Dramatisches, Idyllen, Das erzählerische Werk, Suhrkamp 9, Frankfurt a.M. Berlin, 1. Auflage 2012 |
Holch, Christine | An jeder dritten Kreuzung rechts (Mikroabenteuer), CHRISMON 4.2021, S. 42ff. |
Hübl, Philipp | Der Untergrund des Denkens - Eine Philosophie des Unbewussten, rowohlt, Reinbeck bei Hamburg 2015 |
Immermann, Karl | Reise durch die Fränkische Schweiz, zitiert in GUT SCHLUF 15-1989, S. 48ff. |
Kaeser, Eduard | Die Welträtsel nicht nicht gelöst, Zug 2017 |
Kesselring, Thomas | Expedition ins Seelen-Innere des Höhlenforschers, Reflektor 2-25 |
Knuchel, F. | Psychologische Wirkungen des Höhlenaufenthaltes, in: Stalactite, Nr 3, August |
König, Stefan | Des Nachts gemischte Gefühle, alpinwelt 4/2015, S. 11ff. |
Lambrou, Thanassis | Labyrinth - Gedichte. Griechisch-Deutsch, Elfenbein-Verlag, Berlin 2014 |
Laudenbach, Peter, Heuer, Steffan | Action! Wollen wir immer schnellere Kicks? Wie verändert sich die Wahrnehmung - und mit ihr das Tempo der Medien? brandeins 12-2015, S. 132ff. |
Lohr, Steve | The Office Is Recast, and Quiet Returns, The New York Timmes International Weekly, October 27, 2017, 5 |
Magris, Claudio | Donau, Hanser, 1986 |
Matt, Peter von | Übeltäter, trockene Schleicher, Lichtgestalten, hanser, München 2023 |
Nickel, Eckhard | Spitzweg, Piper, München 2022 |
Nietzsche, Friedrich | Aus aus seinen Werken, Velhagen und Klasing, Bielefeld und Leipzig 1933 |
Obendorf, Jörg | Höhlenforschung und Medien, Der Schlaz 98-2002, S. 39ff. |
Poète.Bertramd | Une pratique differente de la speleo, Nos Cavernes 15-1986, 75-80 |
Repis, Willi | Höchst überflüssig zu erzählen! Vereinsmitteilungen Salzburg 1- 1969 |
Rohwedder, Pit | Körper - Geist - Seele / Bewegung in den Bergen, DAV Panorama 6/2023, S. 44ff. |
Rohwedder, Pit | Ich bin ein Teil der Berge - Plädoyer für eine neue Bergsport-Philosophie, 2023 |
Sandberg, Sigri | Dunkelheit - Eine Liebeserklärung an den Nachthimmel, btb 2022 |
Schlaffer, Heinz | Das entfesselte Wort - Nietzsches Stil und seine Folgen, Hanser-Verlag, München 2007 |
Sloterdijk, Peter | Den Himmel zum Sprechen bringen, Suhrkamp, Berlin 2020 |
Rehn, Jonas | A Matter of Touch - Material wirkt, form 271, May/Jun 2017, 112-117 |
Velden, Manfred | "Die Psychologie ist als Naturwissenschaft gescheitert", PSYCHOLOGIE HEUTE Dezember 2006, S. 38ff. |
Villazón, Rolando | "Salzburg und ich, das ist eine Liebesgeschichte", Interview mit dem Sänger von Michael Stallknecht, SZ Nr.11, 15.1.2021, S. 22 |
Werthmann, Carolin | Alligatoren im Rohr, Süddeutsche Zeitung Nr. 74, 28./29. März 2020, S. 36 |
Verne,Jules | Reise zum Mittelpunkt der Erde, Diogenes, Zürich 1976 |
Whitehead, Colson | The Nickel Boys, Fleet 2019 |
Wiener, Poldi | Tante Poldis Trantschspalte In memoriam, Vereinsmitteilungen Salzburg 2-1975, S. 5 |
Woolf, Virginia | Mrs Dalloway, penguin, 1925/1964 |
Zips, Martin | Im Rausch, Süddeutsche Zeitung Nr. 185 11. August 2016, S. 8 |
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