Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen in den Tsingies des Ankarana-Gebirges, Madagaskar


 

  Tsingy Meva und die Chauves-Souries-Höhle Benavony Das Karstgebiet "X"

100 km südlich von der offiziell Antisiranana genannten Stadt, das früher Diego Suarez hieß und im Norden Madagaskars sich befindet, liegt das Ankarana-Gebirge. Der madegassische Name bedeutet, "wo es spitze Steine" gibt. Mit spitzen Steinen sind die Tsingies gemeint, was so viel wie "auf den Zehenspitzen stehen" oder "wo man nicht barfuß laufen kann", heißt. Bis zu 20 m hoch können die Türme werden und laufen nach oben gelegentlich bleistiftdünn aus. Von dem Ton, der entsteht, wenn man die hauchdünnen Kalksteine berührt, soll sich der Name ableiten.

Es sind rund 200 qkm Fläche, die aus Jurakalkstein auf einem Sockel aus Basalt, 50 m höher als der Meeresspiegel, bedeckt sind. Wie eine einzige lange und bis zu 200 hohe Mauer zeigt sich das Gebirge im Westen. Das tropische Klima und die damit verbundenen heftigen Regenfälle haben dazu geführt, daß nun alle so zerfressen ist. Tiefe Canyon zerschneiden die Gesteinsschichten und bieten nun einen Lebensraum für eine einzigartige Vegetation und eine besondere Fauna, die in den Krokodilen (Crocodylus niloticus) gipfelt, die in einigen Höhlen ihr zuhause haben. Eine ihrer Hauptnahrungsquellen sind die großen Aale, die in den Wasserläufen leben. Auch etliche Fledermauskolonien gibt es.

Die bedeutendsten Höhlen ist Ambatoharanana (Grotte des Crocodiles) > 18 km, lange Zeit hinduch die längste Höhle von Madagaskar, Ambatomanjahana (Grotte des Rois) 2,2 km lang, Andrafiabe 11,5 km lang, Antsatrabonko 10,4 km lang, Antsiroandoa 1,1 km lang, Lavaka Fanihy (Grotte des Chauve-Souris) 4,5 km lang, Milaintety 8,3 km lang.

Seit 1956 ist das Gebiet als Nationalpark ausgewiesen. Es gibt inzwischen 2 Parkbüros, von denen aus Wanderpfade in das Gebiet führen. Man muß einen Eintrittsobolus bezahlen, von dem die eine Hälfte an die Nationalparkverwaltung geht und die andere an die örtlichen Gemeinden. Zum Betreten braucht man auch noch einen Führer, den man extra zu bezahlen hat.

Bekannt waren die Höhlen seit Anbeginn der menschlichen Besiedlung von Madagaskar und wurden entsprechend genutzt. In kriegerischen Zeiten nutzte man sie als Zufluchtsstätte, andere Höhlen werden für den Ahnenkult vom Volk der Antankarana genutzt.


Im Oktober 2014 hab ich es möglich gemacht, dort auch einmal gewesen zu sein. Das passierte im Anschluß an eine HAUSER-Trekkingreise durch den südlichen Teil des Minikontinents Madagaskar. Sie endete in Antanarivo, der Hauptstadt des Landes.

In den Führern steht, daß es zwei Anfahrtsmöglichkeiten nach Ankarana gibt: mit dem Flugzeug nach Diego Suarez und von dort mit dem Fahrzeug 100 km südwärts. Im ReiseKnowHow-Führer von 2012 steht da noch etwas von einer "gut ausgebauten" Straße zwischen Ambilobe und Antisiranana, von wo aus noch weiter auf der Nationalstraße geht. "Gut ausgebaut", früher vielleicht, heute ich die Straße in einem Zustand, der, wie es so schön heißt, "jeder Beschreibung spottet". Wenn es nur Schlaglöcher gibt, dann geht das ja noch, aber es gibt Abschnitte, da gibt es gar keine Fahrbahnbelag mehr, weicht man gelegentlich schon ins Gelände aus, die Brücken sind auf Einspurigkeit reduziert und fast zu schmal für Lkws. Entsprechend gering ist das Verkehrsaufkommen. Es passiert, daß 10 Minuten lang kein einziges Fahrzeug passiert, mal ein Lkw, mal ein Taxi Brousse, vollkommen überfüllt und überladen, selten ein privates Fahrzeug, meist allradangetrieben. Gelegentlich waren sogar noch R4s unterwegs. Die sind offenbar genügend robust für die anstrengende Piste. 4 bis 5 Stunden Fahrzeit muß man heute für den Weg ansetzen. Geschwindigkeitsbegrenzungen braucht es nicht, jeder Überlebenswillige reduziert von selber die Geschwindigkeit meist auf 10 bis 20 km pro Stunde.
Die andere Alternative wäre die reine Taxi Brousse-Tour von Anatanarivo her gewesen. Im Führer steht was von 24 Stunden, aber das war wohl noch vor Degradation der Straße. Da teilt man dann den knappen Raum mit 20 anderen, die letzten stehen noch hinten auf der Stoßstange, und auf das Dach wird dann noch gepackt, was draufgeht. Ein paar Seile rundherum und los geht das Abenteuer.

Ein Taxi Brousse

Lawis, der Betreuer der HAUSER-Reise uns selber Betreiber eines Reiseunternehmens dort, riet mir deutlich ab, die Taxi Brousse-Tour zu unternehmen. So flog ich für 350 Euros hin- und zurück mit dem Flugzeug der AIR MADAGASCAR, die auch den Spitznamen trägt: AIR MAYBE. Woher das kommt, das spürte ich bald selber. Eigentlich sollte der Flieger um 6.05 Uhr in der Frühe starten, am Flughafen erfuhr ich dann, daß der Flug einfach gecancelt worden war. Ein Grund wurde dafür nicht genannt, vermutlich war es die geringe Auslastung. Um 11 Uhr würde das nächste Flugzeug starten. Solange wartete ich im ungemütlichen Wartesaal am Flughafen. Mehrfach wird man gefilzt, wobei mir auch noch die halbleere Sonnencremetube abgenommen wurde, weil die Packungsgröße das zuläßige Maß überschritten habe (Ich bin vorher schon mindestens 10 Kontrollen durchgewunken worden, ohne das jemals jemand beanstandet hätte!). Wie sehr muß man sich denn noch entmündigen lassen im Namen höchst fragwürdiger Sicherheitsmaßnahmen? Wenn es nur eine Alternative gäbe! Das Eisenbahnwesen ist auch kein Konkurrent. Es gab einmal Eisenbahnlinien in Madagaskar, aber die sind längst privatisiert worden, was ihrer Stillegung ziemlich nahe kommt. Ein oder zweimal in der Woche fährt tatsächlich dann ein Zug - für die Menschen sind die Schienenwege inzwischen bessere Fußwegverbindungen geworden. Tatsächlich ging der Flieger tatsächlich mittags, war aber immer noch nicht ganz voll. Einen Zwischenstop gab es auch noch an einem Provinzflughafen, dann war endlich der heiße Norden der Insel erreicht.
Draußen wartete schon ein junger Mann auf mich, mit dem ich dann zuerst einmal in ein Restaurant mit Karaokeausstattung zum Mittagessen fuhr. Ein THB gehörte natürlich auch dazu, das landestypische Bier. Beim Verlassen von Diego Suarez wurden wir erst einmal von Polizisten wieder kontrolliert, daran gewöhnt man sich, und ein Geldschein wechselte den Besitzer. Warum? Keine Ahnung. Je weiter wir uns von der Provinzhauptstadt entfernten, desto mieser wurde der Straßenzustand. Jemand mit Rückenbeschwerden sollte sich nicht auf diese Reise machen. Es dämmerte schon, als wir am Ziel anlangten, der Straßensiedlung von Mahamasina, von wo aus man in den Nationalpark hinein kann.

Untergebracht war ich zuerst im "Chez Aurélien", später im "Chez Laurent". In erster Bungalowsiedlung hatte ich noch ein eigenes Klo und eine eigene Dusche, in der zweiten gab es nur Gemeinschaftsanlagen. Man ist nie allein in diesen kleinen Holzhütten mit Wänden aus Bambus. Mücken gab es zum Glück nur wenige, aber die hinderten doch immer wieder hartnäckig am Schlafen. An die Geckos an den Wänden gewöhnt man sich und sie sind ja auch nützlich, denn sie haben es auf das andere Getier abgesehen, das sich sonst noch hier aufhält. Beim Hinausgehen am letzten Tag aus meinem Hüttchen bemerkte ich noch einen Mitbewohner: Eine lange Schlange kam unser meiner Bettstatt hervor und verschwand leise über das Bodenbrett nach draußen. Ich hatte sie nicht bemerkt und weiß nicht, wie lange sie sich da schon aufgehalten hatte (Es heißt, daß es auf Madagaskar keine giftigen Schlangen gibt). Im Aurélien zu duschen hatte schon einen perversen Touch. Während wir Touristen das Wasser aus Tanks bekommen, die hoch oben angebracht sind, um den nötigen Druck zu bekommen, holen sich die Einheimischen das Wasser mit dem Eimer aus dem 10 m tiefen Ziehbrunnen herauf. Eine geordnete Wasserversorgung gibt es nicht, Trinkwasser kauft man flaschenweise im Laden und verwendet es wohl auch besser zum Zähneputzen. Zum Aurélien gehört auch ein achteckigen hölzerner Pavillon, in dem man morgens frühstücken und abends speisen kann. Da sieht man dann, wer ansonsten noch alles da ist. Da sind mir dann auch drei Deutsche begegnet, die eine privat organisierte Reise im 4-Rad-Fahrzeug mit Fahrer unternahmen. Und ich habe einen französischen Höhlenforscher, Jean-Claude Dobrilla, getroffen, der gerade für die Nationalparkverwaltung arbeitete und Höhlenforschung betrieb. Mit ihm hatte ich dann Gelegenheit in ein neues unbekanntes Höhlengebiet zu gehen, "X" von mir genannt, weil ich keine weiteren Informationen bisher darüber habe.

4 Tage verbrachte ich dort, dann holte mich an anderer Fahrer von Lawis mit einem anderen Fahrzeug wieder ab. Diesmal war mehr Zeit, so daß die Gelegenheit bestand, zwei echte Highlights Madagaskars, die praktisch am Weg lagen, noch aufzusuchen. Jeweils ist ein kleiner Obolus zu bezahlen, dann kann man auch hinfahren. Ohne 4-Rad-Fahrzeug hätte man aber keine Chance, denn der Straßenzustand ist wirklich "wild". Wir haben den Lac sacré mit seinen wilden Krokodilen aufgesucht und sind zu den roten Tsingies gefahren. Die gehören wohl zu den schönsten geologischen Formationen, die es auf dieser Erde gibt. Sie bestehen aus Laterit, einem Gestein, das reich an Eisenoxyd ist und das allmählich turmartig verwittert.

Das wichtigste am Besuch am Mahamasina ist natürlich der Besuch der Tsingies. Sie beginnen etwa 2 km entfernt. Eine Fahrpiste führt hin, die gerade, 2014, erneuert wird. Richtige Baumaschinen sind da und bringen Schottermaterial, um den Weg zu verbessern. Das sind wohl die ersten Maßnahmen, um den Bau eines geplanten Exclusivhotels nahe des Nationalparks zu fördern. Ob sich das wirklich rentieren wird, daran haben manche ihre ernsten Zweifel. Kurzfristig mag es einen Aufschwung geben, aber ob der anhält? Vom Aufstieg und Fall solcher Entwicklungspläne spricht auch die Ruine, die am Ende des für Vierradfahrzeuge zugänglichen Straßenteils steht. Da gab es schon einmal ein Haus, heute stehen nur noch die Außenmauern. 50 m weiter baut man gerade ein neues Häuschen, wohl für die Parkverwaltung.

Heute bekommt man die Parktickets, pro Tag ca. 8 Euros teuer, und einen Guide, der "obligatorisch" mitkommen muß, der dann noch einmal ungefähr 10 Euros kostet. Laut Beschreibung ist das Büro von 7.30 Uhr bis 4 Uhr nachmittags offen. Man wird sogar kontrolliert. Unterwegs sitzt im Schatten eines Baumes ein Mann mit einer langen Liste, in die man dann eingetragen wird.

Es gibt mehrere Routen durch den Park, die offiziell zugelassen sind. Ansonsten ist das Betreten des Geländes nicht erlaubt. Man wird immer wieder Einheimische treffen, die auf der anderen Seite des Parks leben und die querdurch mit dem Fahrrad fahren, wo es überhaupt geht, oder sie laufen gleich, und schleppen zum Beispiel Reissäcke mit sich. Die werden dann im "Nachbardorf", das halt 25 km Luftlinie entfernt ist, verkauft, und man macht sich dann wieder auf die Rückreise. Das ist eigentlich der einzige und kürzeste Verbindungsweg durch das Tsingygebiet, alle anderen Wege wären 10mal so lang und zeitweise, besonders in der Regenzeit, überhaupt nicht benutzbar.

Unterwegs wird man immer wieder kleine Touristengruppen mit einem Führer begegnen. Eine war ganz besonders. Es war wohl ein reicher Chinese, der uns da entgegen kam. Er hatte zwei eigene Träger dabei, die jeweils seine zwei Großstative trugen, dann noch mindestens 3 weitere Träger für die Kameraausrüstung, vielleicht war ja auch noch eigener Photograph dabei, der auf Geheiß des "Herrn" dann den Apparat bediente? Was es nicht alles gibt!

Einen umfassenden Eindruck von dem gesamten Karstgebiet zu bekommen, das ist schwierig. Ohne ein eigenes Fahrzeug, am Besten ein Vierradfahrzeug, geht es eigentlich nicht. Eine offizielle organisierte Verbindung der beiden großen Parkteile im Westen und im Osten gibt es nicht. Im Osten ist die faszinierende Tsingylandschaft, im Westen die großen Höhlen. Verbunden sind sie durch eine "Straße", deren Befahrbarkeit öfters nicht gegeben ist. Dann hat man halt Pech gehabt.

Mangels Fahrzeug beschränkte ich mich auf den Mahamasinateil und besuchte an zwei Tagen mit einem Führer zwei Bezirke. Dann hatte ich genug von dem dauernden Geführtwerden und beschloß auf eigene Faust eine lange Wanderung auf der Straße nach Norden zu unternehmen (Ich hatte schon noch im Kopf, ob ich wirklich alleine losziehen sollte. Da kamen mir einige Schwarze entgegen, trugen zum Beispiel lange Macheten. Ich begrüßte sie laut mit "Bon jour" und dachte mir, mich keiner angreifen wird, wenn er auch mit "Bon jour" anwortet!). Eigentlich ist es ja verboten, ohne Führer den Nationalpark zu betreten, aber an einer Stelle führt die offizielle Straße direkt hindurch. Dorthin wollte ich und erreichte auch mein Ziel, allerdings war ich am Ende total erschöpft von der Hitze und der Anstrengung. Wie schön war es dann am Ende, einfach nur noch unter dem Vordach meines kleinen Bungalows mit dem geflochtenen Palmwedeldach zu sitzen, Musik aus dem I-Pod zu hören, Tiziano Ferro zum Beispiel mit "La Differenza Tra Me E Te", und sehnsüchtig an den Bayerischen Wald mit seinen Wäldern auf Granitboden zu denken.


Literatur:

Chabert & Courbon Atlas des cavités non calcaires du monde, 1997
Duflos, J, Saint-Ours, J. Resultats Hydrogeologiques des Explorations Souterraines dans le Karst de l'Ankarana (Nord de Magagascar), Comptes Rendus de la Semaine Géologique Madagascar, 79-81
Gilli, E. Madagascar: Expedition 1981 Massif de l'Ankarana, Spelunca 13: 1984, 43-45
Laumanns, Michael Atlas of the Great Caves and the Karst of Africa, 1st edition, June 2002
Middleton, John, Middleton, Valerie Karst and Caves of Madagascar, Cave and Karst Science Vol 29, No. 1, Transactions of the British Cave Research Association
Rossi, Georges L'extrème nord de Madagaskar, Edisud, 1980
Rushin-Bell, Carol Jo World Cavers Guide & Karst Atlas 3. Madagascar, The International Caver (8) 1993, p 36f
Walters, Roo Biospeleological Expedition to Ankarana, Madagascar. 1986, in: Caves & Caving 36, p 18f
Wilson, Jane The Crocodile Caves of Ankarana: Expedition to Northern Madagascar, 1986, CAVE SCIENCE Vol. 14, No. 3, December 1987 Transactions of the British Research Association, p 107ff

Links:

Madagascar National Parks - Ankarana
Ankarana Nationalpark, Madagaskar
Madagascar :: Ankarana National Park
Parc National de l’Ankarana - Lonely Planet

Landschaft und Höhlen in Madagaskar.htm
 


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