Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Nischen in Erdställen


Nische im Erdstall von Loitzendorf - eine Tastnische, eine Lichtnische?


  • Substantiv, feminin [die]
  1. 1.
    flache Einbuchtung, Vertiefung in einer Wand, Mauer
  2. 2.
    kleine Erweiterung eines Raumes

Vom französischen Wort "niche".


Nischen in Erdställen gibt es viele und noch dazu ganz unterschiedliche. Wozu hat man sie in die oft sehr harten Wände des umgebenden Gesteins geschlagen? Lichtnischen und Tastnischen heißt es erst einmal.

Man habe sie dort angebracht, um einen Platz für das "Licht" zu haben, das man brauchte, um den Hohlraum in den Berg zu schlägeln, zu sprengen oder wie auch immer man das gemacht hat. Da hätten dann  Lampen gebrannt oder auch nur Kienspäne oder ähnliches, heißt es. Rußspuren vom Gebrauch hätte man gefunden. Benützte man später, nach dem Bau, die Erdställe wieder? Zu was eigentlich? Keiner weiß es. Dann hätte man, so die Denke mancher, in die Nischen die Lichter getan, wohl um sich zu "orientieren". Wirklich?
Man kann so manchen Erdstall auch komplett ohne Licht begehen, hinein und hinaus. Gut ist, wenn man sich auskennt, aber unmöglich für einen "Initianden" wäre das nicht. Aber es gibt halt "Helfer"! Die machen alles "leichter" und "sicherer". Davon gibt es doch, denke ich, immer/meistens, genug.

"An den Wänden sind Sitznischen, Abstellnischen, Tastlöcher, Ausweichnischen usw. eingelassen, auch Lichtnischen - erkennbar an den rußgeschwärzten Stellen - sind allenthalben erweisbar." Busch-Zantner, Erdstallproblem, 1935, S. 53 

"In die Wände sind nicht selten Nischen anscheinend zum Ausweichen oder auch Bänke zum Sitzen eingeschnitten. Kleinere Nischen, in gewisser Höhe an den Wänden gebracht, dienten offenbar zum Aufstellen von Lampen oder Kerzen, wie die Rußspuren zeigen." Hock 43"

"Niederpretz...Gangabschnitte..Die dort festgestellten sogenannten Sitznischen sind aus anderen Erdställen bekannt. Vor einer Nische in Verlängerung des Gangverlaufs sind gegenüberliegend zwei weitere ausgeaarbeitet. Vor diesen diesen drei Nischen ist eine rechteckige Vertiefung ausgehoben.." Steinmann 324

Bayerl schreibt in seinem Beitrag über "Künstliche Höhlen" aus dem Jahre 1898: "An den Wänden befinden sich öfters Nischen eingeschnitten, die fast gar nicht abgenützt sind, so z.B. waren die kleinen Nischen in dem Gange in Weng noch so scharf an den Kanten, als wären sie soeben mit grösster Sorgfalt angelegt worden. Von einer Benützung zu irgend einem Zweck kann bei dieser Höhle keine Rede sein, sonst wären die scharfen Sandkanten abgestossen worden." 163

Hartmann schreibt 1878 in seinen "Allgemeinen Gesichtspunkte für Beurtheilung der künstlichen Höhlen" u.a.: "An den Seiten der Rondelle und Kammern, oft auch in den Gängen selbst, sind Nischen angebracht, wleche auffallend von Russ geschwärzt erscheinen, und so erkennen lassen, dass in ihnen einst die Flamme zahlreicher Oellampen die ewige Nacht dieser geheimnissvollen Gänge erhellen musste. Solche Nischen findet man noch häufig in unseren Bauernhäusern und in älteren Gebäuden zu gleichem Zwecke angebracht und noch heute in Verwendung. Unteer den Nischen in den Kammern und Rondellen oder zu Seiten der ehemaligen Ein- und Ausgänge sind Sitze, aus der Sandmasse geschnitten, angebracht; im grossen Rondelle zu Roggenstein zog sich ein solcher Sitz im Kreise herum, und war derselbe nur durch die Ein- und Ausgangsröhren unterbrochen."

"In Wirklichkeit ziehen bergtiefe Gänge zu Reichersdorf bei Weyarn (wo der vom Schloß der drei Jungfrauen am Ortgraben bis unter die Kapelle führt), sowie zu Almering bei Mühldorf, Mergtau bei Friedberg, Rockenstein bei Alling und jene bei Kissing, die zum Theil in Kapellen ausmünchen (Panzer I. Pläne) Hier ward nach Ausweis der Lampen, die in Nischen brannten, einst der Dienst der Unterweltichen begangen." Sepp, Altbayerische Sagen 343 

 In einem der frühesten Texte über Unterirdische Gänge überhaupt, den von Probst Valentinus in der Wiedergabe durch Panzer über die Entdeckung der Kreutzgruft in Reichersdorf heißt es auch: "in den seitenwänder der gänge befinden sich mehrere nischen zum einstellen von urnen und kerzen, oder lampen,..." (S. 21).

Karner hat in seinem Klassiker (S. 8ff.) unterschieden zwischen

- Tastnischen
- Lichtnischen
- Geräthnischen
- Sitznischen
- Wächternischen (..dienten nun schon die Wächternischen dazu, dass der darin Sitzende einen Ankömmling entweder als Feind abwehren konnte oder aber als Freund einführte...)


"Gott ist das Licht des Himmels und der Erde.
Das Gleichnis seines Lichts ist das einer Nische,
In der eine Lampe brennt;
Eine Lampe in einem Glas,
Und das Glas funkelt gleich einem Stern,
Entzündet von einem gesegneten Baum..." Sure 24,35, zitiert nach Kermani, Jeder soll 114


"Kerzen flackern in den Steinnischen, auch hinter dem Glas der Laternen züngeln die Flämmchen...." Clavadetscher, Knochenlieder 42

......

Warum bauen Menschen Nischen in Mauern? Auch oberhalb der Erdoberfläche. Vielleicht können wir aus der Betrachtung dieses Themas etwas mehr über die Motive der Menschen erfahren, die das unter der Erde vor "bestimmt" 1000 Jahren auch bei uns getan haben. Ich bin einmal optimistisch und denke, daß es da mindestens einen "Punkt" geben könnte. Schauen wir einmal. Einfach aus der Lust des Menschen heraus, seinen Blick auf die Welt zu richten, keinen Anspruch zu erheben, "mehr" zu wissen, längst schon kodifiziert in Tausenden von Schriften, die man eigentlich auch schon gelesen haben sollte, ehe man sich "äußert" - der akademische Blick! ("Was sagen bloß die "Wissenschaftler" zu unseren Ideen? Halten die deren "Kriterien" stand? Sind wir nur die "Laien" und die die "Profis"?)

Peter Bichsel schreibt über "Nischen": "In Nischen finden wir zum Sinn für Interesse zurück: Pins sammlen, Nashörner sammeln, in den Computer schlüpfen und sich in einer Welt verstecken, die zu nichts nütze ist. Wichtig ist, von einer Sache (bitte von einer unnützlichen) alles zu wissen." (Bichsel, Alles.., S. 62)

Nischen im Erdstall von Loizendorf
   
  Nische mit Kreuz in einem Erdstall in Gaweinstal, Niederösterreich, A
  Nische in Erdstall von Althöflein, Niederösterreich, A
  Nischen in Erdstall in Neusiedl, Niederösterreich, A
   
  Nische in Erdstall um Raabs an der Thaya
  Nische in Erdstall um Raabs an der Thaya
  Nische im Erdstall Götzlhof, Bayern, D
     

Nischen gibt es heute kaum noch bei uns. Wir müssen schon in die Zeiten vor uns schauen und weit weg von uns, um mehr davon zu sehen. Damit können wir uns vielleicht eines Tages auch wieder besser in sie "hineindenken".

Beispiele:

Lichtnische in der Kirche von Conques, Frankreich

Nischen in Kappadokien
lhara, Türkei
 
Wandnischen in unterirdischen Anlagen im Sandstein bei
Thalmässing, Bayern, D
Mauernische in Nizwa, Oman  
Roque-Saint-Christophe, Vézèretal, Dordogne, F Der Trésor
   
 

Mauernische in einem Schlafzimmer in der Fuggerei in Augsburg
2020
  Opfernische in der Karainhöhle bei Antalya, Türkei
  Moderne Steinnische in Istrien bei Rovinj

 

Literatur:

Bayerl, Dr. Künstliche Höhlen, in: Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns, 12. Band, 1898
Bichsel, Peter Alles von mir gelernt, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2000
Busch-Zantner, Richard Das Erdstall-Problem, Burgwart 36, 1935, S. 51
Clavadetscher, Martina Knochenlieder, Hitzkirch, 2. Auflage 2017
Hartmann, Seraphin F. Ueber unterirdische Gänge und künstliche Höhlen, in: Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns, 2. Band, 1898
Hock, Georg Erdställe in Mainfranken, Bayerische Vorgeschichtsblätter Heft 12/1934
Karner, Lambert Künstliche Höhlen aus alter Zeit, Wien 1903
Kermani, Navid Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen - Fragen nach Gott, Hanser, München 2022
Panzer, Franz Beitrag zur deutschen Mythologie I, Bd. 1848, S. 271ff. 
Sauer, Hanno Moral - Die Erfindung von Gut und Böse, Piper, München, 2. Auflage, 2023
Sepp, Johann Nepomuk Altbayerischer Sagenschatz - Zur Bereicherung der indogermanischen Mythologie, 1876
Steinmann, Christoph Neue Montanarchäologische Anlagen im Bayerischen Wald und der Umgang mit dieser Denkmalgattung, Vorträge des 36. Niederbayerischen Archäologentages, Rahden/Westf. 2018, 315-330

Links:

Erdstall, Schrazelloch, Hausloch


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