Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Jungfernhöhle bei
Tiefenellern
Fränkische Schweiz
Felsen in der Nähe des Eingangs zur Jungfernhöhle
In dem nordwestlichen Teil der Fränkischen Schweiz, der in Richtung Bamberg weist, und der seit neuestem mit der Bezeichnung "Fränkische Toskana" vermarktet wird, liegt Tiefenellern im Tal unten. Von da steigt sie in einigen Kehren Richtung Hollfeld an und man passiert den sog. "Eulenstein".
Später kreuzt sie die Straße Scheßlitz -
Heiligenstadt. Folgt man dieser rund 300 m nach rechts, so
erreicht man ein Wäldchen, an dessen Rand ein Hinweischild zur
Höhle nicht zu übersehen ist. Dort gibt es auch einen kleinen
Parkplatz. Von dort sind es nur noch 200 m zu Fuß bis zur
Höhle. Sie liegt am höchsten Punkt des kleinen Hügels in einem
stehengebliebenen Dolomitklotz.
Manchmal steht eine Baumleiter in der Höhle, dann kann man an
ihr in den Höhlenraum hinabsteigen. Wenn das nicht der Fall ist,
dann braucht man Schachtausrüstung, um in die kleine Halle unten
zu gelangen. Viel gibt es da unten aber nicht zu sehen. Ein paar
Steine, ein paar Äste, vielleicht auch ein bißchen Müll. Die
Dimensionen sind, lt. Hermann, 15 m Länge, max. 10 m Breite und
4 m Tiefe.
Diese Höhle ist nicht nur ein Geotop, sondern
auch ein starkes Psychotop. Psychotope sind Ort,
die auf Menschen besonders anziehend oder abstoßend wirken.
Manchmal sind Träume und Phantasien die Auslöser für
entsprechende Aktivitäten, seien aus nun Grabungen, Sprengungen,
Verschlüsse und ähnliches. Diese Vorstellungen zeigen sich dann
in Geschichten, Sagen, Bildern zum Beispiel.
Die ältesten datierten Funde aus der Höhle stammen aus der Zeit
um 4.150 Jahren v. Chr., was in die älteste Periode des
Neolithikums paßt. Gefunden wurden Bandkeramikgefäße,
Knochenstäbchen und, deshalb wurde die Höhle sehr bekannt, man
könnte auch sagen "berüchtigt", Skelett- und
Schädelreste von mindestens 40 menschlichen Individuen (10-11
Erwachsene, 4-5 Jugendliche und 23 Säulinge und Kinder). 80 %
der Individuen waren weiblich.
Kunkel, der Ausgräber, meinte, daß es an den Knochen
Schnittspuren und abgeschlagene Gelenkenden gäbe, und deutete
den Befund als Hinweis auf rituell motivierten Kannibalismus. Die
Presse griff die Ideen bereitwillig auf und titelte:
"Kannibalenhöhle bei Bamberg" oder"Vierzig Opfer
mit Steinbeil geschlachtet". Nach bei Friedrich Hermann
lesen wir noch von "gewaltsam zu Tode gebrachten
Individuen", die darauf schließen lassen würde, "daß
wir es hier offenbar mit einer Art "Mördergrube" zu
tun haben".
Heute ist man viel zurückhaltender. Die Veränderungen können
auch durch die ganzen Raubgrabungen teilweise passiert sein und
auch Deckenniederbrüche könnten Folgen gehabt haben. War die
Höhle nun wirklich ein "Opferplatz", wo vielleicht
blutige Rituale stattgefunden haben - oder einfach ein alter
Begräbnisplatz. Während vieler Zeiten und an vielen Orten
dieser Erde nahm man die Höhlen ja für genau diesen Zweck her.
Anfang der 50er Jahre begann der als
"69jähriger Sonderling" beschriebene Georg Engert mit
Grabungen in der Höhle. Er suchte nach dem
"Goldschatz", der in einer Truhe liege, die ihm im
Traume erschienen sei. Er fand kein Gold, sondern nur Keramik-
und Skelettreste, die ihn aber nicht interessierten. 8 m³ Aushub
habe er und zwei Helfer aus der Verwandschaft aus der Höhle
geschafft
Die einheimische Bevölkerung setzte sich auch schon lange mit
der wenig spektakulären Höhle im Wald auseinander. Man
erzählte sich, man habe in der Nähe der Höhle ein schwarze
Kutsche gesehen. Es gab einen Kutscher, Pferde und drei
Jungfrauen - und eine Gemeinsamkeit: Sie waren alle ohne Kopf!
Das ist der Stoff für Schauer- und Gruselgeschichten! Eine
andere Variante dieser Sage berichtet von 9 Jungfrauen, "die
in bestimmten Abständen des Nachts kopflos einsame Heimkehrer in
der nächsten Umgebung belästigen sollen".
Robert Nickol hat sich mal zu einer kleinen Geschichte anregen
lassen, die hier nur auszugsweise vorgestellt werden soll:
"...kurz vor der Anhöhe, in der die Höhle liegt, glaubte
ich plötzlich Stimmen zu hören. Ich ging den Lauten nach, und
oben angekommen um einen Felsen blickend, bot sich mir eine
grausige Szene: auf dem Vorplatz zur Höhle schien ein schauriges
Fest im Gange zu sein. Etwa dreißig fell- und lederbekleidete
Gestalten saßen in einem weiten Kreis und murmelten einen
eigenartigen Reim. Neben dem Höhleneingang loderte ein großer
Scheiterhaufen, dessen flackernder Schein die unheimliche
Versammlung noch gespenstischer erscheinen ließ. In der Mitte
brannten einige kleinere Feuer, bei denen zwei Kinder, die ganz
und gar mit rotem Lehm eingeschmiert waren, und ein kleiner
dürrer Mann mit eigenartigem Kopfschmuck standen. Die Gestalten
in der Runde verstummten auf ein Signal hin, das Männchen reckte
nun beide Arme zum Himmel, und mit einem markerschütternden
Schrei zertrümmerte es mit einer Steinaxt den Schädel eines der
beiden Kinder..."
Unter dem Titel "Die Geschichte von der
Jungfernhöhle" wurde in Gut Schluf eine Satire über Höhle
veröffentlicht unter dem Pseudonym "frei nach Dr. Öggl W.
Gnaaburger". Auch hieraus ein kleiner Auszug, der besonders
auf die "Gefühle" anspielt: "Vor langer, langer
Zeit streiften einmal drei Jungs auf der Suche nach Abenteuern
durch die Wälder ob Tiefenellern. Über Stock und Stein, durch
tiefsten, dunklen Forst führte sie ihr Weg, immer weiter von zu
Hause entfernt. Plötzlich wurden sie eines tiefen, dunklen
Abgrunds gewahr, der sich drohend vor ihnen auftat. Der Sturm
heulte durchs Gestein, Nebelschwaden stiegen aus dem
unheilkündenden Höllenschlund, und von Entsetzen gepackt
rannten die drei davon.
Tag um Tag verging, doch schon bald wurde ihre Neugier immer
größer. Schließlich besiegte sie die Angst, und voller
Abenteuerlust stiegen sie, mit Fackeln und Strick ausgerüstet,
erneut gen Berge..." Eine schöne Geschichte, die noch
allerhand Überraschungen enthält.
Ausstellung "Aus Bayerns Höhlen" in München | |
2019 |
Literatur:
Auer, Horst M. | Fundort Geschichte Franken Ausflüge in die Vergangenheit Band 3, Cadolzburg 2015 |
Burgdorf, Phil | Eine Siedlung vor dem Kultplatz, Der Fränkische Höhlenspiegel 60-2015, S. 20ff. |
Heller, Florian | Das Diluvialprofil in der Jungfernhöhle bei Tiefenellern, Landkreis Bamberg (Broschiert), 1960 |
Hermann, Friedrich | Höhlen der Fränkischen und Hersbrucker Schweiz |
Katholing, Winfried | Heilige Stätten der Heiden und Ketzer - Ein Führer zu ausgewählten Kultplätzen in Deutschland und Frankreich, Aschaffenburg 1999, S. 15ff |
Kunkel, Otto | Die Jungfernhöhle bei Tiefenellern. Eine neolithische Kultstätte auf dem Fränkischen Jura bei Bamberg. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 5 1955. |
Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e.V. | Kulthöhlen, Nürnberg 1996 |
Nickol, Robert | Der Ruf der Jungfernhöhle, Gut Schluf 1-1985, S. 19f. |
Orschiedt, Dr. Jörg | Die Jungfernhöhle bei Tiefenellern. Eine Neuinterpretation, 133. Bericht des Historischen Vereines Bamberg, 1997, 185-198 |
ohne Verfasserangabe | Die Geschichte von der Jungfernhöhle, Gut Schluf 12-1988, S. 19 |
Rind, Michael M. | Menschenopfer, Universitätsverlag Regensburg, 2. Auflage 1998 |
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