Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Tham Chom Ong bei Oudomxay, Laos
Bekannt war diese riesige Höhle den Menschen, die dort gelebt haben, immer schon. Sie haben dort Fledermäuse gejagt, die durchaus auf dem Speisezettel dort auftauchen. Auch Fische aus dem Höhlenbach wurden gefangen und gegessen. Der Guano, den die Fledermäuse hinterließen wurde geborgen und als Dünger auf den Feldern verwendet. Im letzten Krieg zogen sich die Menschen, die Angst hatten, von den Amerikanern bombardiert zu werden, tagsüber in die Höhle zurück, die ihnen guten Schutz bot. Erst am späten Nachmittag und in der Nacht kamen sie dann wieder hervor und bestellten die Felder.
Mit dem Ende des Krieges änderte sich natürlich auch wieder ihr Leben und damit auch wieder ihr Bezug zur Höhle. Einen besonderen spirituellen Bezug haben sie aber weiterhin. Sie glauben noch immer, daß es in der Höhle Geister gäbe, mit dem man erst in Verbindung treten müsse, ehe man sie betritt. Animismus ist der Fachbegriff, mit dem solche religiösen Strömungen bezeichnet werden. Vor der Höhle begannen unsere Führer, wir würden wohl sagen, "zu beten". Sie murmelten Sprüche, taten die Hände zu einer Art Gebetshaltung zusammen und verbeugten sich leicht. Dann wurde erst das Tor aufgeschlossen. Im Eingangsraum ist ein kleiner Altar mit bunt glitzernden Gaben und drei kleine Erdhügel wie runde Pyramiden. Vor allem fallen aber die langen Stoffstreifen auf, die von der Höhlendecke hängen und im Höhlenwind hin- und hergeweht werden. An einigen sind Geldscheine angesteckt. Seit wann lassen sich die Geister von unseren Zahlungsmitteln beeindrucken?
Heute erhofft man sich wohl einen wirtschaftlichen Aufschwung durch wachsenden Tourismus, der durch die Höhle kommen könnte. Es wird versucht, das Projekt ökotouristisch zu betreiben, so daß vor allem die örtliche Bevölkerung davon profitieren soll und nicht irgendwelche fremden Firmen, die nur für ihr Geld eine möglichst hohe Rendite haben wollen. 2006 begann man mit dem Bemühungen für die Erschließung. Der deutsche Entwicklungsdienst förderte einige Aktionen, wie die Abhaltung eines Kochkurses, ein Haus für die Übernachtungen und eine eine Toilettenanlage wurden errichtet.
Grundlage für ein solches Projekt ist die Erforschung und Vermessung der Höhle. Die wurde in erstaunlich kurzer Zeit durch 3 Expeditionen, die 2009, 2010 und 2011 stattfanden, geleistet. Unter "www.laoscaveproject.de" finden sich dazu mehr Informationen. Heute (2011) sind ca. 18 km Höhle vermessen, womit die Tham Chom Ong die zweitlängste Höhle von Laos ist.
Die Höhle durchzieht einen 4 km langen Bergkamm auf 2 Hauptetagen. Die Dimensionen sind gewaltig. Gangbreiten zwischen 20 und 25 m sind normal, in die Höhe reichen die Tunnels 30 bis 50 m. Ein Bach, bzw. bei großem Wasserandrang auch Fluß tritt am Nordende in den Berg ein und man konnte ihm durchgehend bis zum Wiederaustritt im Süden folgen.
Der Besuch der Höhle wird in einem 2 oder 3 Tagesprogramm angeboten. Beim 3-Tagesprogramm fährt man am ersten Tag die 45 km bis zum Dorf Ban Chom Ong im Nordwesten von Oudomxay am Vormittag. Das dauert wegen des wirklich oft schlechten Straßen- bzw. Wegezustands rund 3 Stunden. In der Regenzeit ist er oft gar nicht befahrbar. Nur die ersten Kilometer sind geteert, dann biegt man ab und zunehmend verschlechtert sich der Straßenzustand. Immer wieder verzweigen sich die Wege, aber nirgends ist ein Straßenschild, das einem helfen könnte, zu entscheiden, welche der Fahrbahnen nun die "richtige" ist. Bäche werden durch Furten überquert, Brücken sucht man vergeblich, manchmal genügen ein paar im Wasser liegende Baumstämme. Die letzen Kilometer sind kaum mehr zu packen. Selbst ein 4-Rad-Fahrzeug kommt gerade noch im 1. Gang hoch. Ausweichen ist nirgends möglich. Wenn da jemand entgegen käme, nicht auszudenken, was man dann machen könnte. Im Dorf akklimatisiert man sich erst einmal, es gibt Lunch, nachmittags ist noch eine Wanderung bis zum Höhleneingang vorgesehen. Immerhin eine Stunde Fußmarsch ist bis dorthin und dann auch wieder eine zurück. Es geht durch Reisfelder, vielleicht stehen gerade Wasserbüffel herum, es geht auf- und abwärts durch Bambusdschungel, ein mäandrierender Bachlauf wird mehrmals überquert. Wieder verzweigen sich die Wege. Welchen man nehmen muß, um zur Höhle zu gelangen, das weiß nur der Führer beim ersten Mal. Unterhalb der Höhle wird gerade eine Toilettenanlage errichtet, es gibt ein paar einfache Hüttchen, eine große Informationstafel. Auf dem Rückweg kann man auch auf einem anderen Weg ins Dorf zurückkehren, der höchst reizvolle neue Ausblicke auf die Karstbuckel der Umgebung ermöglicht. Zurück in der Unterkunftshütte gibt es Abendessen, frisch gekocht vom Dorfkoch für die Gäste. Alle sitzen am Boden gemeinsam um das kleine Tischen mit den Speisen, Reis natürlich, Kürbis, gedörrtes Rindfleisch usw... Übernachtet wird im großen Hauptraum, wo Mosquitozelte aufgespannt werden, um ein ungestörtes Schlafen zu ermöglichen.
Am nächsten Tag gibt es Frühstück, das Lunch
wird in der Höhle gereicht und abends gibt noch einmal ein
Dinner. Am zweiten Tag marschiert man noch einmal zur Höhle und
durchwandert sie, ein vergleichsweise kleines Stück des
Gesamtsystems zu mindest. "local guides" sind immer
dabei, ausgerüstet mit Taschenlampen und Flipflops. Als Tourist
bekommt man einen Helm mit elektrischer Lampe gestellt. An den
ganz wenigen Stellen, wo man sich vielleicht den Kopf anhauen
könnte, da wird man freundlicherweise darauf hingewiesen, daß
man sich da weh tun könnte. Die ersten paar hundert Meter werden
mit elektrischem Licht beleuchtet. Der Strom dazu wird solar
erzeugt. Wo es notwendig ist, da stehen aus Bambus gefertigte
Leitern und ermöglichen damit eine gefahrlose Befahrung. An
vielen Stellen in diesem alten Teil sind schon so viele Menschen
gegangen, daß einige Stellen schon spiegelglatt sind und
glänzen. Nach rund einem Kilometer Höhlenstrecke in einem
Riesentunnel zweigt der normale Höhlenbesucher nach links in
einen Verbindungsgang zum Wasserteil ab. Den verfolgt man noch
rund 200 m, dann steht man vor einem rund 20 m tiefen Abbruch.
Unten sieht man die schwarze Masse des Flusses still vor sich
hinfließen. Da kehren alle Besucher gerne wieder um und es geht
auf dem gleichen Weg wieder nach draußen. Ein kleines Stück der
Höhle kann man von draußen auch noch erreichen, nämlich den
Eingang in den Wasserteil. Mit ein wenig Zuhilfenahme der Hände
kann man hinab bis zum Wasser steigen. Dann drehen wohl die
allermeisten Besucher lieber wieder um, um keine nassen Füße zu
bekommen.
Der einstündige Rückmarsch liegt noch vor den Besuchern, dann
ist man wieder in der Hütte im Dorf, wo dann das Dinner
gereicht wird.
Am dritten Tag frühstückt man wieder in der Hütte und fährt dann zurück nach Oudomxay. Wer nicht für so viel für einen gemütlichen Tourenverlauf übrig hat, der kann das auch in Tagen machen und reist eben nach der Höhlentour sofort wieder zurück in die aus der Perspektive des Dorfes sehr sehr weit entfernten Zivilisation.
Im Februar 2011 besuchten wir selber mal die
Höhle. Da machte erforderlich, daß wir die Mekongfahrt in
Pakbeng abbrachen und mit dem Bus der "Holzklasse" nach
Oudomxay in 3 1/2 Stunden gondelten, begleitet von der
landestypischen Musik, die permanent aus den Autolautsprechern
schallte, was gewöhnungsbedürftig war. Als einzigen
Anknüpfungspunkt für die Höhlentour hatten wir nur den Hinweis
im Loose-Führer, daß man im Provincial Tourism Office
vorsprechen könne. Das taten wir dann auch. Im Eingangsraum
stehen lauter Schautafeln, die auf mögliche Aktivitäten in der
Umgebung aufmerksam machen. Da prangte dann auch der große Plan
der Chom Ong Höhle, zusammen mit einigen lesbaren Erklärungen.
Das ist schon wichtig, denn oft findet man nur die Thaischrift
und da kann man meist gleich wieder die Aufmerksamkeit woanders
hinlenken. Eine Anfrage bei der einzigen Person, die wir
antrafen, ergab, daß es schon möglich sei, daß wir ab morgen
die Höhlentour unternehmen könnten, zuerst müsse aber der
Guide zustimmen, und der komme erst um 3 Uhr von einer Führung
zurück. Wir suchten uns im Ort ein Guesthaus und fanden es
gleich neben dem Nam Ko-Fluß, das Vivanh. Dort konnten wir schon
mal unsere schweren Rucksäcke zurücklassen. Um 4 kamen wir
zurück und bekamen das OK. 720.000 Kip mußten wir im voraus
bezahlen und bekamen eine Quittung dafür. Auf ihrer Rückseite
stehen allerhand nützliche und weniger sinnige Anweisungen:
"Don't step backwards blindly while taking pictures. Keep at
least (!) 5 m from the edge of the cliff.
..Never reach with your hands for something in dark holes, rock
crevices etc. Use a stick when necessary.
Wear long-sleeve shirts, long trousers and firm shoes (no
slippers!) Wear a hat."
Um 9 Uhr sollen wir am nächsten Tag vor dem Office sein. Dann würde es losgehen. Wir waren pünktlich da und unser Führer auch. Es erstes spazierten wir zu den Markthallen hinüber und kauften das Essen ein. Der Pauschalpreis für den Trip beinhaltete ja Fahrt, Führung, "Fressen/food" und Unterbringung/accommodation.
Auf dem Markt / Unterwegs
Für die Fahrt stand ein 4-Rad-Fahrzeug mit eigenem Fahrer für 2 Tage zur Verfügung! Besser schlecht gefahren als gut gelaufen, das stimmt schon, aber gesund sollte man schon sein, will man diese Rumpelpiste heil überstehen. 3 Stunden später trafen wir im Dorf Ban Chom Ong ein. Ein fremde, äußerst ungewohnte Welt tat sich da auf. Das war unsere "hilltribe"-Erfahrung, die so viele Reiseveranstalter der Touristen zukommen lassen wollen. 15 Großfamilien soll dort heutzutage leben. Dominant ist die Schule und der Fußballplatz davor, der mitten in der besiedelten Fläche liegt. Eine Straße gibt es da nicht, Gehsteige natürlich auch nicht. Häuser sollte man die Unterkünfte nicht nennen, Stelzenhütten paßt besser. Viele viele Hunde sausen dazwischen umher und fauchen alle an, die unterwegs sind. Man sieht gleich, wo jemand lebt, der sein Areal sauber hält. Da wird fleißig mit dem Besen geputzt und alles aufgeräumt. Aber nicht jeder tut es so sorgfältig. Schade.
Unterwegs zur Höhle:
In der Höhle:
Die solar betriebene Höhlenbeleuchtung im Eingangsteil | |
Ein Bodensinterstelle - geschützt durch eine kleine
Reihe aus Steinen |
|
Als wir am nächsten Tag gerade die Höhle wieder verließen, da kam uns ein deutsches Paar zwischen 50 und 60 entgegen. Der Mann hatte eine Verletzung am Arm, das war deutlich sichtbar. Sie hatten die Gibbon-Experience vorher mitmachen wollen, aber unterwegs am Drahtseil, mindestens 100 m über dem Boden gespannt, überkam ihm ein wenig die Angst und er hatte versucht zu bremsen mit dem Körper, ein ziemlich sinnloses und sehr schmerzhaftes Unterfangen. Diese Kategorie Besucher lockt man offenbar an. Als Begleiter hatten sie zwei "Omas" aus dem Dorf dabei, das reichte ja, weil sie den Weg wußten.
Der Rückweg wurde auch noch etwas abenteuerlich, weil sich unterwegs eine Schraube von der Batteriehalterung gelöst hatte und weg war. Wir waren irgendwo in der Wildnis, keine Hilfe weit und breit, Alternativen wurden überlegt, wo man so ein entscheidendes Schräubchen herbekäme. Eine war, die Schraube von der Federung hinten abzuschrauben und sie vorne wieder einzusetzen, mindestens bis zum nächsten Dorf. Irgendein Stück Draht rettete uns dann doch und im Dorf gab es sogar so Schräubchen, so daß wir ein paar Kilometer weiterkamen. Dann streikte das Fahrzeug noch einmal, aber da war eine kleine Werkstatt nicht weit, uns dann noch einmal rettete. Am späten Nachmittag trafen wir wieder beim Touristbüro tatsächlich wieder ein, durchgerüttelt bis zum letzten Knöchelchen, staubig, müde und voller exotischter Eindrücke.
Zum Schluß gab es noch Arbeit: Jeder Besucher wird gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Man will wohl dazulernen. Wie kam man überhaupt auf die Idee, diese Tour zu unternehmen? Was hat einem gefehlt? Welchen Preis findet man für die Leistung angemessen?
Wir müssen uns bei allen bedanken, die uns dieses Erlebnis ermöglicht haben. Vieles bleibt hier ja unerzählt. Vom Huhn, das im Dorf erstanden wurde, geschlachtet schon ganz in der Frühe, damit es auf dem Frühstückstisch bereits in der Suppe war, die Lebensgeschichten unserer Führer, die einen guten Einblick in das normale Leben geben, von denen man aber in keinem Reiseführer liest usw..
Literatur:
Dreybrodt, Joerg, Moser, Siegfried | The development of Chom Ong Cave as an ecotourism destination in Northern Laos, in: 16th International Congress of Speleology, Proceedings Volume1, Brno 2003, edited by Michal Filippi und Pavel Bosak, S. 281-284 |
Loose, Stefan | LAOS, 4. Auflage, 2010 |
Schultze, Michael | Laos, REISE KNOW-HOW, Bielefeld 6. Auflage 2006 |
Speläoclub Berlin | Volume 38: Northern Laos III, 2010 |
Speläoclub Berlin | Volume 32 Northern Laos Part 2, 2008 |
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