Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen im Mährischen Karst, Tschechien


Language never fits geography.
Derek Walcott


Das Maccocha-Punkvahöhlesystem
Das Slouper-Sosuvske-Höhlensystem
Höhlen in der Umgebung von Holstejn

5 km breit, 24 km lang, 1000 km² Devon- und Karbonkalk, mehr als 1000 Höhlen. So könnte eine aufs kürzeste reduzierte Beschreibung des Mährischen Karstes aussehen.
 
Er ist das größte zusammenhängende Karstgebiet Tschechiens und wegen seiner Bedeutung heute Landschaftsschutzgebiet. Man sollte keine "breathtaking views" erwarten dort. Wer einmal durch die Fränkische Schweiz von Ebermannstadt nach Pottenstein fährt, der hat ein viel schöneres Gebiet gesehen. Landschaftlich hat mich der Mährische Karst eher enttäuscht.
 
Wer von Brünn kommt, der fährt zuerst einmal entweder bergan, hinein in ein großes Fichtenstangenwaldgebiet, oder er bleibt in den V-förmigen Tälern mit starkem Waldbewuchs und ab und zu einem Industrieort, wie Blansko und Adamov. Das hängt mit der Geologie zusammen, denn es gab dort große Eisenerzvorkommen, die seit der Hallstattzeit ausgebeutet wurden und die Grundlage für die Eisen- und Maschinenbauindustrie bildeten.
Kommt man dann auf die Hochflächen, so gibt es wieder Fichtenstangenwälder, wenige kleine Ortschaften wie Rudice oder große einheitlich bewirtschaftete Riesenflächen. Darin sieht man vielleicht ein paar grüne Flecken, die immer auf Dolinen hinweisen und gelegentlich sogar eine Schachthöhle bergen.
Richtig schöne Felspartien sind selten im Mährischen Karst. Nur bei Sloup, bei Rudice und beim Macochaabgrund treten sie deutlich heraus und setzen leuchtende Akzente.

Viele der Höhlen des Karstes waren seit Urzeiten bekannt und wurden auch entsprechend genützt. Die Kulnahöhle ist eine der am längsten durchgehend bewohnt gewesenen Plätze Europas - und das nicht zufällig. Ein herrliches Felstor öffnet sich nach Südwesten und ist so an allen Sonnentagen von Nachmittag bis in den Abend hinein ein wunderbarer Platz zum Sein.
Nicht weit davon verschwindet ein Bach in der Erde bei der Slouperhöhle, der Sloupsky potok, und liefert so das lebensnotwendige Wasser. Die über 10 m hohen Fundschichten beginnen schon mit dem Neandertaler. Die Höhle als Aufenthaltsort für Menschen, nicht nur für Fledermäuse, ein auch heute noch recht aktuelles Thema, insbesondere dort, wo man durch das Geld und die "postmodernen" Lebensumstände eigentlich schon jede Rückbindung an den Grund, wo man herkommt, die "Natur",  verloren hat. Da gilt nämlich das Nächtigen in einer Höhle bei manchen "Meinungsführern" schon als Sakrileg, weil es absolut "überflüssig" ist. Dort haben wir gleich zweimal kleine Gruppen von jungen Wanderern und Radlern gesehen, wie sie die Nacht und einen Großteil des Tages in Höhleneingängen verbracht haben, nicht schlecht, einmal in der Ciganska, wo wir im Abendlicht ein paar Radl stehen sahen und die Leute, die ihre Matten ausbreiteten, und in den kleinen Höhlenöffnungen bei den Felsen von Rudice, im Kataster als "j. 1002 v. Kollbkach" bezeichnet, wo sich gleich verschiedene Gruppen verlustierten, ein Liebespärchen und eine Dreiergruppe, die gerade am wieder angeheizten Lagerfeuer Toastbrote zubereiteten.
 
Heute ist die Kulna-Höhle in den Schauhöhlenbezirk der Slouper und Sousuvka-Höhle miteinbezogen und ist so Bestandteil einer weiteren, heute sehr aktuellen Art, Höhlen zu nutzen, nämlich als Schauhöhle.
So ist sie eine der Grundlagen für den Tourismus, der sich derzeit dort abspielt. Es gibt noch 3 weitere Schauhöhlen in dem Gebiet. Am meisten besucht wird die Macocha, das Highlight des Mährischen Karstes.
Über diese "Bockerlbahn" ist auch die Katharinenhöhle leicht zugänglich, die auch über einen anderen Fahrweg ,von Blansko her, erreichbar ist. Sie ist relativ klein, birgt aber einen Konzertsaal, eine Asthmaheilstätte und vor allem schöne Tropfsteinsäulen.
 
 Für die Höhle Balcarka baut man gerade (2001) ein neues Besucherempfangsgebäude. Sie wirbt mit ihren Tropfsteingebilden und ihren "Rotunden", runden Durchbrüchen zwischen den Horizontaletagen der Höhle, weniger erwähnenswert sind die vielen Stollen, die die einzelnen Höhlenkammern miteinander verbinden.
 
 2013  
   
 
Eine fortgeschrittenere Form des Speläotourismus ist die Führung durch unerschlossene Höhlen durch Höhlenforscher. In einer noch verfeinerten Form nennt sich das dann "Ausbildung zum Höhlenforscher", wo man dann z.B. gezielt in die modernen Formen der SRT-Technik eingeführt wird. So etwas entwickelt sich offenbar beim Schlinger von Rudice, der heute auch von "Laien" begangen werden könnte. Ganz einfach ist das aber nicht. 120 m an Leitern in die Tiefe und wieder herauf? Da nimmt man sich etwas vor!
Zwei Höhlen haben Räume für Speläotherapie, die Slouper Höhle und die Katharinenhöhle. In letzterer sieht man wenigstens noch ein paar weiße Plastikstühle, die man an diesem Ort aufbewahrt "für die Kinder", die man dort für einige Zeit hinschickt, damit sich ihre Anfälle lindern sollen. In der Slouper Höhle war nur noch ein leerer Kleiderständer und eine kahle Betonfläche zu sehen. Kommt man von dieser Therapieform wieder ab? Jedenfalls scheint sie nicht sehr aktuell zu sein.
 
Katharinenhöhle

unten Slouperhöhle


Auch die höhlenakustische Nutzung von Höhlenräumen hat scheinbar heute nicht gerade Konjunktur. Sowohl in der Slouper Höhle (Ambientsound) als auch der Katharinenhöhle ( Gefangenenchor aus Nabucco) hat man sich als Besucher den Zwangsklängen der Schauhöhlenführung zu fügen, aber den "Konzertsaal" in der Katharinenhöhle soll man heute nicht mehr für Liveaufführungen nutzen - aus Angst um das Leben der Zuhörer, die angeblich durch eventuell herunterfallende Felsbrocken während der Vorführung gefährdet sein sollen!
 
Was kann man noch alles mit Höhlen tun? Man kann etwas herausholen, hineinstecken oder das Ambiente so lassen, wie es ist, und einfach nur etwas damit machen. Nun, herausgeholt wurde z.B. das Höhlensediment der Jachymka, das man wegen seines Phosphatgehalts als Dünger auf den Feldern verstreute. Herausgeholt wurden auch z.B. etwa 1000 Fundstücke aus der Byci skala, zu einer Zeit, als noch die "Österreicher" dort das Sagen hatten, und die heute im Naturhistorischen Museum in Wien aufgewahrt werden. Gedeutet wurde dieser Hortfund damals als Ritualbestattung eines Herrschers der Halltstattzeit. Mehr als klassisch wurde dieses Ereignis als Gemälde wiedergeben, das heute ebenfalls in Wien hängt - als wildes Feuerfest mit kannibalischen Elementen und sexuellen Komponenten. (Heute wird der Fund sehr viel weniger gefühlsbetont gewertet - ein Händler sei vermutlich einem Unfall zum Opfer gefallen) Geht man heute dorthin, dann ist das nicht besonders romantisch. Eine kleine Hütte steht am Weg zur Höhle an der Straße, von jungen Leuten im August 2001 benutzt, die gegrillt haben, zeitgenössische Musik hörten, wohl eine schöne Zeit hatten. Der Zugang zur Höhle ist sofort blockiert. Zwei massive Stahltüren sperren jeden Weiterweg, vielleicht noch Überreste der Nutzung während des Krieges: als Rüstungsfabriken. Eiskalter Wind streicht durch die Ritzen, die noch offen sind und kündigen von dem, was wohl jenseits ist - immerhin die zweitlängste Höhle Tschechiens.
 
Jachymka

 
Byski Skala

Auch etwas Okkultes fanden wir in den Höhlen des Mährischen Karstes. Dort, wo die Führung durch die Katharinenhöhle wieder umdreht und den Weg zurück beginnt, dort steht ein schwärzlich gefärbter Stalagmit mit einen kleinen Wasserbecken in der Spitze. Wer dort seinen Finger hineintut, der darf sich etwas wünschen. Es geht in Erfüllung, in einem Jahr und einem Tag, so erzählt einem die Führerin. Ob man sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch dran erinnern wird?
 

 
 

 
Katerinskahöhle
 
Ponor von Rudice
Bei der Vypustekhöhle
 
Kostelikhöhle
 
Jeskyne Jachymka
 
 
 
 
Jeskynni system Vintoky
  Junge Leute beim Höhlenbiwakieren
  Eingang in die
Harbesska jeskyne
  Die Eintrittskarten in die Schauhöhlen
 
Tropfsteine im Freiland
 

An mehreren Orten finden sich Museen, in denen Höhlenkundliches aufbewahrt wird:

- Mährisches Landesmuseum in Brünn


Geschnitzter Knochen

Eine Kopie des berühmten Stiers aus der Bysci Skala
 

- Höhlenkundlichen Abteilung des Museums in der Windmühle von Rudice

- Höhlenkundliche Abteilung im Museum von Blansko


Reproduktion des berühmten Gemäldes
im Naturhistorischen Museum in Wien
von der "Begräbnisszene in der Byski skala"

Modell des Maccochaabgrunds

 


Ein restauriertes Bauernhaus am Weg

Morgennebel

Literatur:

Kucera, Bohumil, Hromas, Jaroslav, Skrivanek, Frantisek Jeskyne a propasti v Ceskoslovensku, Academia, Prag 1981
Panos, Vladimir, Spicak, Josef, Vozdecky, Jan Moravsky kras, Prag 1992
Musil, Rudolf a kolektiv MORAVSKY KRAS - labyrinty poznani, Brünn 1993
Kraus, Peter Tschechoslowakei 82, REFLEKTOR
Schacherl, Lilian Mähren, München 1975
Drewitz, Heike Karst- und Pseudokarstgebiete in der CSSR, Mitteilungen der Naturhistorichen Gesellschaft Nürnberg 1/2-1984, S. 23ff.
Prix, Dr. Rudolf Höhlen im südmährischen Karstgebiet, Die Höhle 3-1967, S. 80f.
Mrkos, H. Der unterirdische Lauf des Baches von Jedovnice zwischen dem Ponor von Rudice und der Byci skala-Höhle zur Gänze erforscht, Höhlenkundliche Mitteilungen Wien und Niederössterreich 5-1988, S. 119ff.
ABSOLON, Abel Die "Macocha" und die neuen Tropfsteinhöhlen, Punkwa- und Katharinenhöhle, Punkwa-Wassergrotten. 4. verm. Aufl. Brünn, Winkler, 1925
SIMON, Jul Die Zaubergrotten im Mährischen Karst. Geheimnisse im Schoße der Erde. (Leimen, Vlg f.heimatl. Schrifttum, ca 1956)
Absolon, Karl Die "Macocha", ihre Tropfsteinhöhlen und die grünen Grotten der Punkwa. Das gelöste Problem des großen mährischen Abgrundes. Mit 63 Abb. Mit einer gef. Karte. Brünn: Winkler 1936
EASTON, Dr. C. Een bezoek aan de Macocha en de Katharina-grot in de Moravische karst. Amsterdam, K.N.A.G., 1922
ABSOLON, Karl Führer durch den Mährischen Karst insbesondere seine Grotten und Höhlen in der Umgebung von Blansko - Punkwa - Macocha - Sloup - Jedownitz. Touristisches und naturwissenschaftl. Handbuch. Brünn,Winiker 1912
Wankel, Heinrich Bilder aus der Mährischen Schweiz und ihrer Vergangenheit. Wien, Adolf Holzhausen 1882
Thallemer, Axel IM MÄHRISCHEN KARST; Der Schlaz 19-1976, S. 8ff.
Rind, Michael M. Menschenopfer, Universitätsverlag Regensburg, 2. Auflage 1998
Parzinger, Nekvasil Barth Die Bysiskala-Höhle. Ein hallstattzeitlicher Höhlenopferplatz in Mähren. Römisch-Germanische Forschungen, 54, Mainz 1995
Oliva, Martin THE MORAVIAN KAST IN THE ANTHROPOLOGICAL PERSPECTIVE; ics proceedings volume 1, Brno 2013, p 18-21

Links:


[ Index ] [ Englisch version ] [ Höhlen und Höhlengebiete ] [ Kunst ]
[ HöRePsy ] [ Höhlenschutz ] [ VHM ] [ Veranstaltungen ] [ Links ]