Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Lochsteine und Durchkriechbräuche in Österreich
Richtig aktuell wurde das Thema "Lochsteine" in Österreich, insbesondere der Oststeiermark, durch die neuen Forschungen von Ingrid und Heinrich Kusch. Auf der Suche nach Erdställen und dem Rätsel, das sich vielleicht hinter einer Art "Schatzkarte", die in einer alten hohlen Kanonenkugel versteckt gewesen war und erst bei Renovierungsarbeiten am Dachstuhl eines alten Bauernhauses entdeckt worden war, stießen sie auch auf viele Lochsteine. Hunderte sollen es sein, wobei über deren Zweck und Sinn gut spekuliert werden kann. Ganz Profanes wie die Funktion von Zaunstangenhaltern kommt da vor bis hin zu dem Gedanken, sie seien "Torhüter zur Unterwelt".
http://www.buecherquelle.at/Buchshop/Neuerscheinungen/Tore-zur-Unterwelt::2130.html
Ein paar Hinweise:
Sankt Wolfgangs-Höhle, Salzburg
Die Bucklwehlucke, St. Thomas am Blasenstein, Oberösterreich
"Beim sogenannten Blasenstein, einem riesigen, fast runden Felsen, der auch als Phallusstein bezeichnet wird, handelt es sich um eine heidnische Kultstätte. Der alte Kultfelsen liegt gegenüber der Kirche von St. Thomas auf einem großen Felsblock, zu dem man auf einer Stiege hinaufsteigt... Der Block ist durch die berühmte Spalte geteilt: ein Durchkriechstein. Es ist erstaunlich, daß alle, die durchkriechen, den Einstieg von Osten beginnen. An der engsten Stelle ist der Spalt so schmal, daß nur normal gewachsene Menschen durchkommen. Er ist schon vorgekommen, daß Dickere steckenblieben und von der Feuerwehr geborgen werden mußten. Der Stein, die Spalte, gilt als heilbringend. Durch die Berührung mit dem als heilig verehrten Stein erhoffte man Gesundheit für Leib und Seele. So wurde er "Bucklwehstein" genannt, weil er besonders bei Schmerzen am Rücken Linderung bringen sollte. An den abgewetzten Stellen kann man ermessen, wie viele Menschen sich hier schon durchgezwängt haben. Heute ist der kultische Sinn weitgehend verloren gegangen, und es gilt als lustiger Volksbrauch, sich durch die Lucke zu zwängen. Aber ohne Berührung mit dem Stein geht es nicht." (Jantsch, Franz, Kultplätze im Land Oberösterreich & Salzburg, Unterweitersdorf 1994)
Foto Adelung
"In der Südflanke des Westrückens des Dietrichhagriedels nördlich von Großreifling. Markierter Zugangsweg. Länge 22 m, Höhe 12m. Vom eingeebneten Eingang betritt man über Stufen und durch einen künstlich erweiterten Eingang eine Höhlenraum, der mit einem Altar als Andachtsstätte (H. Rochus) eingerichtet ist. Eine Stiege führt zu einer kleinen Plattform, von welcher man den geräumigen, steil ansteigenden, hinteren Teil der Höhle erreicht. An der Westseite des Portales wird durch einen Felspfeiler ein etwas höher liegender, enger Durchschlupf gebildet, der vom Vorplatz wie auch vom Höhleninneren durch Holzstege erreichbar ist (Durchschlupfstein - nach altem Volksglauben Heilung von Krankheiten)" (Hartmann, H. und W., Die Höhlen Niederösterreichs, Band 3, Wien 1985)
Pfennigsteinhöhle bei Mödling, Niederösterreich
Der Pfennigstein. Aus: Eder, R. (1919) Eigenes Photo 1996
"Im sogenannten 'Matterhörndl', früher Pfennigstein, einem ca. 10 m hohen Felsgebilde 50 m östlich der Forststraße von Mödling zum Husarentempel..... Länge 3m, mannshohe Durchgangshöhle über die es zahlreiche Höhlensagen gibt, Benützung als Durchkriechstein, Heilung von Krankheiten, Fruchtbarkeitskult... Das Felsgebilde ist Naturdenkmal seit 4.9.1941." (Hartmann, H. und W., Die Höhlen Niederösterreichs, Band 2, Wien 1982), weitere Literaturhinweise sind in Band 4, S. 41
Lochstein bei
Rauchenöd, Oberösterreich
"Daß der Platz um die Kirche St. Michael ob
Rauchenöd bei Freistadt einmal eine vorchristliche
Kultstätte war, ist kaum zu bezweifeln. Prachtvoll steht
die Kirche auf der Anhöhe, früher war sie Ziel von
Pilgern, heute nur mehr von Touristen und
Kunstfreunden.... für uns ist das wichtigste nicht so
sehr die Kirche selbst, sondern der Platz und die uralte
Markierung durch eine kleinen Menhir, den Lochstein, der
etwa einen halben Kilometer nördlich der Kirche auf der
Wiese steht und dessen Bild den Deckel dieses Buches
ziert. Er hat im oberen Teil eine Öffnung, durch die man
die Hand strecken kann. Er ist fast mannshoch und nicht
so kunstvoll geglättet.... Er weist alle Zeichen von
Urtümlichkeit auf....." (Jantsch, Franz,
KULTPLÄTZE im Land Oberösterreich & Salzburg, Band
II, Unterweitersdorf 1994)
Der "Klobenstein" bei Kössen, Tirol
3 km nördlich von Kössen inTirol, ganz nahe der bayerischen Grenze, ist die Wallfahrtskirche Klobenstein in der engen Schlucht der Tiroler Ache. Daß gerade hier ein Wallfahrtsort ist kein Zufall, sondern aufs engste geknüpft an das Vorhandenseins des "Klobensteins". Ein riesiger Felsbrocken ist irgendwann einmal von den Bergen oberhalb herabstürzt und hier liegengeblieben. Das Besondere daran ist, daß er in zwei Teile zerbrochen ist, zwischen denen man wie in einer engen Schlucht hindurchgehen kann.
Eine Sage von der Entstehung des Naturphänomens erzählt von einem Wunder, daß der Sprung im Stein genau dann passiert sei, als eine Frau von Kössen nach Marquartstein gerade dort unterwegs gewesen war. Der herabstürzende Block sei genau in dem Moment zerbrochen, als die Frau von ihm zermalmt worden wäre. "Es springt der g'waltig Stoa netta mitdurch, und die Oa steht frei am Weg - herent und drent liegen die gsprungana Felsenwänd."
Die frühesten urkundlichen Aufzeichnungen über diesen Ort stammen aus dem Jahre 1696. Damals wollte ein gewisser Johannes Holzner an dieser Stelle eine Klause errichten, u.a. "zur besseren Aufsicht über den Opferstock" dort. Dieser seltsame gespaltene Felsblock war offenbar schon länger bei dem Menschen des Umlands bekannt, war mit einem Marienbild versehen worden und wurde gerne augesucht.
Es entstand zuerst eine "Waldkapelle", dann eine Lorettokapelle, 1886 kommt dann noch eine Lourdeskapelle hinzu. Bemerkenswerterweise findet sich auch überhaupt kein Hinweis auf irgendwelche kultischen Handlungen rund um den Klobenstein im "Wallfahrtsbüchlein", das dort noch heute verkauft wird. Sollte es wirklich derartiges nicht gegeben haben? Oder wird auch hier ängstlich vermieden, darauf hinzuweisen, weil das "Durchschlupfen" amtskirchlich vielfach nur auf Ablehnung gestoßen ist, ja sogar mit Strafsanktionen bedroht worden ist.
Trotzdem, ganz konnte man die "Magie" dieses Ortes doch nicht zum Verschwinden bringen. Die Lorettokirche rückt ganz nah an den Riesenfelsen heran, so daß zwischen Felsen und Kirche nur ein schmaler Durchgang möglich ist. Man kommt zu einer Verzweigung. Nach rechts geht es auch steinbelegten Stufen hinunter durch den Felsspalt, nach links öffnet sich eine schmale Türpforte in der Kirchenmauer, die ziemlich genau die Breite der natürlichen Schlucht hat und somit darauf Bezug nimmt. Beim Durchgang streift man unwillkürlich die Felswände. War hier wirklich kein Brauchtum damit verknüpft? Wer weiß mehr darüber?
Literatur: Wallfahrtsbüchlein, Geschichte von Klobenstein bei Kössen in Tirol, Mit kirchlicher Druckerlaubnis Im Selbstverlag der Wallfahrtskapelle Sechzehnte Auflage 68.000-70.000 1996
Moderner Lochstein bei einer Käserei zwischen Walchsee und dem Inntal
- Lochstein bei Kugelbaum/Widlwisen/Steiermark
- Lochstein in Lafnitz
- 2 Lochsteine in Kirchschlag / Oberösterreich
4 Lochsteine auf dem Pöstlingberg bei Linz / Oberösterreich
Lochstein in Grammastetten
Kriechofen bei Eberstein / Kärnten
Wolfgangsstein von Valentinshaft / Oberösterreich
Lochstein im Mesnerhaus bei Adlwang / Oberösterreich
Seelenlucken in alten Häusern bei St. Oswald im Yspertal / Niederösterreich
Liebesfelsdurchschlupf bei St. Oswald / Niederösterreich
Durchkriechbrauch unter dem Grab der hl. Hemma im Dom von Gurk / Kärnten
Der Dom und die KryptaDer Zugang zum Durchschlupf durch den Altar Der Durchschlupf mit den 3 Köpfen
"Heidnische Kirche" am Moserboden bei Kaprun, Salzburg
Durchkriechstein bei Wald im Pinzgau, Salzburg
"Heiligenstein" bei Gaflenz / Niederösterreich
"Teufelsmühlstein" in den Fischauer Bergen / Niederösterreich
Der "Heilige Stein" bei Mariazell / Niederösterreich
Für einen "Durchschlupf" ist die Stelle schon zu
breit - "Zum Ursprung" heißt die Stelle. Ein Felsen
habe sich dem Mönch Magnus auf seinem Weg nach
Mariazell in den Weg gestellt. Er stellte eine selbst-
geschnitzte Madonnenstatue drauf und "der Fels
spaltete sich" - so die Legende. Noch heute besuchen
Leute diese Stelle.
Moderner Lochstein beim Kloster Zwettl, NÖ
Ein Lochstein an der Grenze zwischen Oberösterreich und der Steiermark am Weg nach Bad Aussee
Lochsteinbrunnen in Dornbirn, Vorarlberg
Loch im Zentralstein des Labyrinths bei Schweiggers am Thayawanderweg in Niederösterreich
Lochstein bei Vils/Tirol
Ein Lochstein in einem Verkehrskreisel östlich von Kapfenberg in der Steiermark
Die größte Konzentration an Lochsteinen auf der Erde dürfte es wohl in der Umgebung von Vorau in der nordöstlichen Steiermark geben. Warum das so ist, das bedarf noch einer Erklärung!
Beim Stift Vorau, 2024
Nicht weit weg davon ist Wenigzell, wo es zwei Lochsteine im engsten Kirchenbezirk gibt:
Miesenbach in der Oststeiermark ("Blumendorf,"Kult"-Wanderweg um die
sagenhaften Lochsteine" - Zitate aus dem Internet)Stralleck in der Oststeiermark ("Blumendorf, Felsbildmuseum beim Gh.
Mosbacher. Kultwanderwg um die zahlreichen Lochsteine. Berühmter (und
mystisch verklärter?) Bildstein im Wald" - Zitate aus dem Internet)Perg / Oberösterreich
Mühlsteine vor dem Heimatmuseum Hier war einst ein bedeutsamer Produktionsort für diese spezielle Art der Lochsteine
Klassische Gattersteine in der Nähe von Perg
Lochstein neben der Hubertuskapelle in der Kühschwalb / Nordseite des Hohen Gölls, Salzburg
Lochstein am nördlichen Ortsende von Glödnitz links an der Bundesstraße gelegen, wenn man in Richtung Flattnitz fährt; gleich neben der mauerumfassten Wehrkirche. Foto Gottfried Wernig
Lochstein beim Piessling-Ursprung, Totes Gebirge, Oberösterreich
Lochstein auf dem Salzburger Kommunalfriedhof, 2021
Literatur:
Andree-Eyse, Marie Volkskundliches aus dem bayrisch-österreichen Alpengebiet, Braunschweig 1910 Gugitz, Gustav Fest- und Brauchtumskalender für Österreich, Süddeutschland und die Schweiz 2. Auflage, Neudruck des 1955 erschienenen Werkes Kusch, Heinrich und Ingrid Tore zur Unterwelt - Das Geheimnis der unterirdischen Gänge aus uralter Zeit, V.F. Sammler-Verlag, Graz 2009 Leskoschik Steirische Gnadenbrunnen, St. Josephskalender 1948 Limpöck, Rainer Magisches Berchtesgadener Land, Berchtesgaden 2012 Lukan, Karl
Wanderungen in die Vorzeit, J&V, 2. Auflage, Wien 1995 Lukan, Karl Seltsame Kultstätten - Sonderbare Heilige, J&V, Wien 1995 Lukan, Karl Wanderungen in die Vorzeit - Kultstätten, Felsbilder und Opfersteine in Österreich, Wien 1889, Neuauflage 1995 Links:
Lochsteine und Durchkriechbräuche
Der_Lochstein_von_der_Zwerchhalde_Sternenfels_doc.pdf (application/pdf-Objekt)
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