Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Zufall / Synchronizität und Höhle
In der Witzenhöhle
Zufall: für ein einzelnes Ereignis
oder das Zusammentreffen von mehreren Ereignissen kann keine kausale
Erklärung gegeben werden
Albert Einstein: "Das, wobei unsere Berechnungen versagen, nennen wir
Zufall."
Zufall: "Wir nennen 'Zufall' solche Ereignisse, deren Auftreten innerhalb des naturwissenschaftlichen Weltbildes keiner Erklärung bedarf." (Helmut Pietschmann)
Synchronizität: relativ zeitnah aufeinander folgende Ereignisse stehen nicht in einer Kausalbeziehung miteinander, werden aber vom Beobachter in sinnhafter Verbindung miteinander erlebt / bedeutungsvolle Zufälle
"Alles heil. Ich glaube nicht an Zufälle. Zufall ist, wenn man nicht rauskriegt, wer's gewesen ist." Lewinsky, 96
"Der Begriff "Zufall" (hasard) hat zwei verschiedene Konnotationen. Einerseits die Kontingenz, andererseits die Zufälligkeit (accidence). Das Zufällige ist einem bereits bestimmten notwendigen Feld nachgeordnet." Zizek 85
"Alles ist unregelmäßig und ständige Bewegung, ohne Führung und ohne Ziel." Montaigne, zitiert nach Bernhard, Der Keller
"Den Alten schien die himmlische Welt geordneter, als sie uns erscheint. Indessen kam ihnen die irdische Welt sehr wenig geordnet vor. Was ihnen auffiel, war der Zufall, die Freiheit, die Laune (den Zufall heißt ja die Freiheit der Dinge, unser Eindruck einer Vielzahl von Lösungen -)." Valery, Cahiers VII, 482
"Bassist ruft aus
Es gibt keine Zufälle
Regisseur
In einer mathmatisch vollkommen ausgeklügelten Welt
die noch dazu auch noch durch und durch die Natur ist
kann es keinen einzigen Zufall geben
Verleger
Wo wir doch fortwährend
von Zufällen überrascht
um nicht sagen zu müssen
überrannt sind"
Thomas
Bernhard, Die Berühmtesten 40
"Er erzählte mir von den riesigen Mißverständnissen, die die Geschichte bestimmen, von den Zufällen, die den Lauf der Dinge unterbrechen, und..." Delacourt 55
"Dabei mag das in der Natur zufällig erscheinen, was in
seiner Gesetzmäßigkeit noch nicht erkannt ist oder durch bestimmte
Gesetzesannahmen nicht erklärbar ist." Hampel, Tunguska 245
"Zufälle (sind) ebenso wie Gesetzmäßigkeiten etwas von Menschen
Hinzunehmendes, etwas, das sie nicht, wie manche kulturellen und
technischen
Entwicklungen, beeinflussen können.." Hampel, Tunguska 245was
"Es ist immer das Fällige, was einem zufällt." Uwe Johnson
"Die Natur...ist der Absolutismus des Zufalls in reinster Form." Sloterdijk, Nach Gott 215
"Im gewöhnlichen Leben wird das Wort "Zufall" meist für ein Ereignis verwendet, das eingetreten ist, ohne daß man es beabsichtigt hat....ein Zufall ist ein Ereignis, das eintritt, obwohl es nach dem verwendeten Kausalgesetz nicht vorhergesehen werden konnte ." Frank 190
"..die Zufälle sind immer auf Seite der Herren.." Kafka, Das Schloß 45
"Ein zufälliges Geschehnis verursachte manchmal eine plötzliche Wendung ins Unendliche, und das ganze Bild änderte sich." Flaubert, Madame Bovary 74
"Dem Zufall bin ich immer gewachsen; ich muss unvorbereitet sein, um meiner Herr zu sein." Nietzsche, Ecco homo 269
"Man muß dem Zufall, dem Reiz von aussen her so viel als möglich aus dem Wege gehn; eine Art Selbst-Vermauerung gehört zu den ersten Instinkt-Klugheiten der geistigen Schwangerschaft." Nietzsche, Ecce homo 284
"Alles ist Zufall." (Kapitelüberschrift in Taschner, Rudolf, Zahl, Zeit und Zufall)
"Das Leben ist reiner Zufall." (Maron, Zwischenspiel 55)
"Dem Zufall bin ich immer gewachsen..." Nietzsche, Ecce Homo
"Das Wesentliche der Existenz ist, daß sie zufällig, kontingent ist und keinerlei Erklärung zuläßt." Sartre, Les Mots
"Wenn x so y" ?
"In das Wasser des Zufalls treten, ohne Angst zu haben..." Rabindranath Tagore
"Glücksfälle sind nicht wiederholbar - nicht einmal im Traum." Gumbrecht, Hans Ulrich, Weltgeist im Silicon Valley, 2018, S. 206
"Die Frage, ob Gott würfelt oder nicht, ist womöglich zu groß für die Menschheit; sie ist empirisch unterdeterminiert, wie Philosophen sagen. Das heißt: Ob es ZUfall gibt oder nicht, kann durch Beobachtungen weder bestätigt noch widerlegt werden. Finden Forscher einen bisher unbekannten Zufallsvorgang, könnte dahinter ein Gesetz stecken. Glauben sie ein Gesetz gefunden zu haben, kann auch das nur ein Zufallprodukt sein." Rodemann 31
"Das ist eine sinnlose Frage in einer Welt, die allein auf Zufall aufgebaut ist.." F. Dürrenmatt
"Ob wir die geheime Macht über das Schicksal der Menschen Vorsehung nennen oder Zufall, sie rechnet mit Äonen, sie mündet in die Ewigkeit." Chargaff, Erforschung der Natur 214
"Freiheit: alles dem Zufall überlassen können (auch sollen)" Handke, Felsfenster 76
"Wenn der Zufall, an den wir doch gewöhnt sind, plötzlich nicht mehr vorkommt, werden wir unfähig, Handlungsspielräume zu erfassen. Die Welt ist nicht so berechenbar wie eine Maschine. Wenn Menschen plötzlich konzertiert so agieren, als wenn sie es wäre, und sich dabei nicht um Wirklichkeit und Tatsächlichkeit kümmern, sondern einfach ihre verquere Weltsicht konsequent über alles bügeln, dann wissen wir nicht mehr, wie uns geschieht." Stangneth, Böses denken 74
"Koenig erinnert daran, dass die wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen gemacht werden, während nach etwas ganz anderem gesucht wird. Und wie oft finden wir den schönsten Ort auf einem Umweg, lernen zufällig einen guten Freund kennen, weil er sich auf einer scheußlichen Party ebenso gelangweilt hat wie man selbst." Minkmar, Zu dumm 9
"Die meisten Menschen erfreuen sich an Zufällen, so haben sie etwas, über das sie reden können. Aber wenn es deren zu viele gibt, kommt das unangenehme Gefühl auf, der lange Arm des Zufalls deute auf einen Bereich hin, wo ein vernünftiger Mensch sich wahrscheinlich unbehaglich fühlt." Lessing, Der Mann 63
"Zufall...(Der Begriff)..gehört hochgradig in den Bereich der Kontingenz, denn er bezeichnet ein Geschehen, das in gar keiner Weise sein müßte, da keiner mit ihm vorher gerechnet hat. Er ist nicht nur im täglichen Leben beheimatet, sondern bleibt auch zumeist auf es beschränkt? Heuß, Kontingenz in der Geschichte 15
"..es ist doch auffällig, wie oft die Naturwissenschaftler hier mit solch einem Unterton des fundamentalen Staunens sprechen...Das zweite, was auffällt: Wie sehr sie alle den Zufall betonen im Sinne des ihnen Zugefallenen. Carolyn Bertozzi sagt, es gebe "keine Mißerfolge, sondern nur Experimente, mit deren Ergebnis man nicht gerechnet hat. Oft ist das die größte Chance, etwas Neues zu lernen..." Alex Rühle, Das große Staunen 9
"..überall mehr Zufall als Schicksal finden.." Friedrich Schiller / zitiert nach Bossart,Trotzdem lachen 102
"Der Zufall ist eine insuläre Begebenheit oder stellt ein Ereignis dar, das abgeschlossen ist und in sich kompakt wie eine Insel. Vom Zufall aus wird auf der einen Seite die Geschichte als möglicher Zusammenhang ins Bild gerückt. Der Zufall ist gleichzeitig dasjenige, was aus dem kontinuierlichen und notwendigen Zusammenhang von Kauselreihen herausfällt." Joseph Vogl, in Kluge, Heinrich von Kleist 83
"..alle die unzähligen Zufälle des Lebens..." Franz Kafka, Der Bau
"Der Mensch entwirft, und Zeus vollendet es
anders!" Homer, Illias
Dinge passieren, die man sich beim besten Willen nicht wirklich erklären, passieren aber wirklich. Mit keiner noch so guten Planung würde man das so hinbekommen, viel wahrscheinlicher wäre, daß irgend etwas schief geht, daß zumindest zeitlich etwas nicht paßt.
Was für das Leben allgemein gilt, das gilt natürlich auch für den Mikrokosmos der Höhlen und des Kontakts Menschen mit der Höhle, oft verkürzt als "Höhlenforschung" bezeichnet
Drei Beispiele aus meiner eigenen Erfahrung:
Witzenhöhle
Anläßlich einer kurzen Meditation im Endraum der Höhle während eines
Treffens der Interessengemeinschaft Höhle-Religion-Psyche erlebten
wir, daß sich plötzlich ein Stein aus der Decke löste und zu Boden
fiel. Nur für einen kurzen Moment war die Stille dadurch unterbrochen,
dann war wieder absolute Ruhe.
Seltsam: Vor 2.000 Jahren gab es schon ein mal so ein Erlebnis. Von
einem Eikadios wird berichtet, daß er sich in seiner Höhle aufgehalten
hätte. Plötzlich sei ein Stein von der Decke gefallen. Cicero macht
sich später über seine Kollegen von der Stoa lustig, die das nicht für
Zufall hielten. Er sagt: Dieser Stein wäre auch von der Decke
gefallen, wenn Eikadios gerade nicht in seiner Höhle gewesen wäre."
(Brunold 45)
März 2013 Auf dem Weg von
Antiparos
nach Paros/Kykladen/Griechenland:
Ich will zurück auf die Insel Paros. Zwei Tage war ich auf Antiparos
gewesen, hatte die berühmte Tropfsteinhöhle besucht, und benützte die
Fähre, um das Seestück zwischen den beiden Inseln zu überwinden. In
Pounda stehe ich etwas verloren an der Hafenanlage. Ich hatte gehofft,
daß vielleicht ein öffentlicher Bus da ist, der Besucher zurück nach
Parikia, dem Hauptort der Insel, bringen würde. Aber nichts und
niemand war da. Hieß das, daß ich die 5 km wieder zu Fuß zurücklegen
mußte, so wie ich es beim Herkommen getan hatte? Ich schaute herum, da
war unter anderem ein Mann in mittlerem Alter in einem roten kleinen
Auto, der zu mir herschaute. Wir schauten uns kurz an, seine Gestik
schien mich zu fragen, ob ich mit dem Auto mitfahren wollte.
Tatsächlich, er war so freundlich und nahm mich mit. Wir
kommunizierten auf englisch. Es stellte sich heraus, daß er
geschäftlich unterwegs war, hatte gerade einen Kunden seiner Firma auf
Antiparos besucht, war unterwegs zum nächsten. Der arbeitete auf
Santorin. Mittags würde er die Fähre dorthin nehmen. Noch ein paar
Wort mehr und wir wußten, daß wir etwas gemeinsam hatten: die
Höhlenforschung! Er war ein griechischer Höhlenforscher, Angelos
Vlahopoulos, gehörte zu Gruppe ,ΘΗΣΕΑΣ
auf deutsch: Theseus, und hatte schon einige Höhlen im Raum der
Kykladen besucht. Sogar einige Filme von ihm sind in Internet
anschaubar:
Νέα τεχνική
ανάκλησης για τη κατάβαση φαραγγιών - YouTube und
Νέα τεχνική
ανάκλησης κοντών σχοινιών - YouTube. So klein wird auf einmal
die Welt! Auf meine Frage hin, ob er eine besonders empfehlen könne,
die ich alleine besuchen könne, antwortete er: die Zashöhle auf Naxos.
Die stand schon auf meinem Programm. Wie kommen solche Begegnungen
zustande? Zufall?
Andere Vorfälle:
"It was not by design only luck that persons interested in caves purchased land in the Kula Kai Estate." So beginnt die modernere Forschungsgeschichte einer der bedeutendsten Vulkanhöhlensysteme der Erde, des Kanohina Systems auf Hawaii. Ric Elhard und Rose Herrera waren auf der Suche nach einer Möglichkeit irgendwo auf Hawaii eine Höhle zu finden, die man als Schauhöhle entwickeln konnte und kamen nach Ocean View. Daraus wurde eine Geschichte, die auch heute noch nicht zu Ende ist. (Elfhard, S. 1ff.)
"1926 kam es am Untersberg in der Eingangshalle des Großen Eiskellers zum denkwürdigen - und rein zufälligen - Zusammentreffen Abels und seines Freundes Richard Palfinger mit Czoernig." (Klappacher, Salzburger Höhlengeschichte Teil 2, S. 25)
"Ich hatte meine erste Höhle entdeckt - durch Zufall." Pohlenz, Schwammerllöcher 37
Aus dem Bericht von Abomeit über den Unfall in der Riesendinghöhle: "Der Brocken hat sich aus der Höhlendecke gelöst, ohne dass einer der Höhlenforscher ihn auch nur berührte. Ein Zufall: Sie waren einfach im falschen Moment an der falschen Stelle. Aber was nützt es?" Abromeit, Rettung 58
https://www.atta-hoehle.de/informationen/entdeckung/ Attahöhle/Sauerland .....Steinbrucharbeiter bei Sprengarbeiten....19. Juli 1907
Kanadas größte Höhle durch Zufall entdeckt....wollten eigentlich nur Karibus zählen... https://www.spektrum.de/news/kanadas-groesste-hoehle-per-zufall-entdeckt/1612598
"Am 13. Dezember 1971 öffnete sich bei Sprengungen in einem Muschelkalksteinbruch an einer Wand ein ca. 1 Meter hoher und 2 Meter breiter Spalt." Eberstadter Tropfsteinhöhle https://www.tropfsteinhoehle.eu/startseite.html
Aus der Literatur:
"Wir standen an einer Kreuzung, an der sich zwei Wege
trafen, die beide schmal und dunkel waren. Welchen sollte man
einschlagen? Das
war eine schwierige Frage. Aber mein Onkel schien weder vor mir noch
vor dem
Führer zögern zu wollen. Er deutete auf den östlichen Tunnel, und
gleich
darauf waren wir alle drei in ihm verschwunden.
Übrigens hätte ein Zögern vor dieser Kreuzung ewig dauern können, denn
nichts wies darauf hin, welcher der richtige war. Man mußte es dem
Zufall
überlassen." (Jules Verne, Die Reise zum Mittelpunkt der Erde, S. 173)
In Körtschach a.d.Gail aßen wir viel und gut, trafen den
Höhlenforscher Moser aus Regensburg ganz zufällig und fuhren noch über
Lienz und durch den Felbertauern bis zum Tauernhaus, wo wir im Freien
übernachteten." Lorenz, Paklenica 30
Aus einer Beschreibung der Höhlen von Christian
Friedrich
Schröder, 1796, zitiert nach Röder 103: " Die unterirdische Welt
erscheint nicht anders, als wie ein Nachtstück voll regellos durch
einander
geworfener Partien, voll grausenvoller, fragmentarischer Massen und
verzerrter
Figuren und Schreckgestalten - zusammengemischt nach den Würfen eines
tausendfältig spielenden Zufalls, hier mehr, dort weniger
mitternächtlich-tief
gedunnkelt an Farbe, unberechnet auf Haltung und Zusammenhang des
Ganzen mit den
Theilen, der Theile mit dem Ganzen."
Andere erklären das, was passiert, anders:
"Der Inhalt des Kistchens erlaubte den Gefangenen, bis zu
der Stunde ihrer Rettung durchzuhalten. Dieser Blick auf göttliches
Walten ist
eine von den seelischen Errungenschaften, die wir, Nachfahren wie
Zeitgenossen,
der Lurloch-Katastrophe verdanken." Hofmann-Montanus, Lurloch 80
Greidloch bei Murnau/Estergebirge
"Bei einer Wanderung am 12.6.1994 legte er (Hans Koller jun), nach
eigenen Angaben, auf der Südseite des Buchrains im Berggras liegend
eine Pause ein. Dabei beobachtete er, dass der Zigarettenrauch
auffälligerweise nach unten in den Boden abzog. Neugierig untersuchte
er den Untergrund näher und legte unter der Grasnarbe den mit
Felsblöcken gewölbeartig verschlossenen Höhleneingang frei. Am
gleichen Tag wurde die Höhle...erstbefahren..." Wolf, Greidaloch 107
"Es mehrere Berichte über zufällige Höhlenbefahrungen während eines Erdbebens. Viele Höhlenforscher waren dabei überrascht zu hören, dass ein Erdbeben stattgefunden hat, als sie im Untergrund waren..." Schabdach, Natürliche Sinterzerstörung 24
...wird fortgesetzt
Stimmen zum Zufall:
"Für die Existenz der Naturwissenschaften..ist unabdingbar, daß dieselben Umstände stets dieselben Ergebnisse erzeugen. Wie sich zeigt, tun sie es nicht...Trotzdem - auch wenn dieselben Bedingungen keineswegs immer dieselben Ergebnisse erzeugen - machen die Naturwissenschaftler einfach munter weiter." (Brunold, S. 177)
"Der Zufall in einer dramatischen Handlung besteht darin, wann und wo wer zufällig wem begegnet." (Dürrenmatt, Theaterprobleme 1955)
"Je planmäßig die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen. Planmäßig vorgehende Menschen wollen ein bestimmtes Ziel erreichen. Der Zufall trifft sie dann am schlimmsten, wenn sie durch ihn das Gegenteil ihres Zieles erreichen: das, was sie befürchteten, was sie zu vermeiden suchten (z.B. Ödipus)", Max Frisch, Homo faber, S. 234f.
"Der Wirklichkeit ist mit Logik nur zum Teil beizukommen...doch in eueren Romanen spielt der Zufall keine Rolle, und wenn etwas nach Zufall aussieht, ist es gleich Schicksal und Fügung gewesen; die Wahrheit wird seit jeher von euch Schriftstellern den dramaturigschen Regeln zum Fraße geworfen. Schickt diese Regeln endlich zum Teufel. Ein Geschehen kann schon deshalb nicht wie eine Rechnung aufgehen, weil wir nie alle notwendigen Faktoren kennen, sondern nur wenige, meist recht nebensächliche. auch spielt das Zufällige, Unberechenbare, Inkommensurable eine zu große Rolle. Unsere Gesetze fußen nur auf Wahrscheinlichkeit, auf Statistik, nicht auf Kausalität, treffen nur im allgemeinen zu, nicht im besonderen. Der Einzelne steht außerhalb der Berechnung." Max Frisch, Homo faber, S. 431
"Die Anrufung des "Ab-grunds" läuft auf nicht weniger hinaus als auch die Verabschiedung des Kausalitätsprinzips: Halte dich nicht länger mit Grübeleien auf, aus welchem Grund etwas geschehen ist - lerne, mit dem Gefühl der Grundlosigkeit zu leben!" Dorn/Wagner Abgrund, S. 15
"Der lebensnaheste Fall von Kontingenz ist der Zufall, denn wer kennt ihn nicht bzw. hat nicht seine Bekanntschaft gemacht?....Er bezeichnet ein Geschehen, das in gar keiner Weise sein müßte, da keiner mit ihm gerechnet hat." Heuß S. 15
"Die philosophische Betrachtung hat keine andere Absicht, als das Zufällige zu entfernen." Hegel
"Man muß dem Zufall, dem Reiz von außen her so viel als möglich aus dem Wege gehn; ein Art Selbst-Vermauerung gehört zu den ersten Instinkt-Klugheiten der geistigen Schwangerschaft. Werde ich es erlauben, daß ein f r e m d e r Gedanke heimlich über die Mauer steigt? - Und das hiesse ja lesen." Nietzsche, Ecce homo, Nr. 3; 6,284
"Aber daß eine Besucherin an dem Tag auf ihn einredete, den Gabrielle zum La Metrie-Gottlieb-Gedenktag erhoben hatte, bewies wieder, was er längst wußte: Es gibt keine Zufälle. Was man für Zufall hält, ist immer eine noch nicht erkannte Gesetzmäßigkeit. Sollte er der Besucherin eigentlich sagen, welchen Tag sie isch ausgesucht hatte? Das würde allerdings ihr Duett mit einer Schicksalswucht aufladen, der sie, beide, nicht entsprechen konnten.." Walser, Augenblick, S. 21
(Der Herr Polaha)...Seine Natur hatte viel gemeinsam mit meiner, wieviel und in wie hohem Maße, erkenne ich erst jetzt, aber darüber zu reden, ist nicht die Zeit. Der Zufall, wenn es den Zufall gibt, hatte zwei Menschen, den Podlaha udn mich, zusammengeführt, die sich bis in kleinste Einzelheiten ihres Charakters hinein ähnlich waren. Das Wesen des Podlaha war ein mir nahe verwandtes, und unser beider Existenz war in entscheidenden Merkmalen parallel." Bernhard, Keller, S. 42
"Nichts ist Zufall, alles Notwendigkeit." Wolf Wondratschek, Mozarts Friseur 38
"Überdeckungshöhlen...."...Da diese Höhlen reine Zufallsgebilde sind, haben sie weder eine geologische noch geographische Bedeutung." Knebel, Höhlenkunde 177
Da gibt es Dinge in der "Wirklichkeit", aber die ignoriert man, weil man dem "Zufall" nicht dieselbe Aufmerksamkeit schenken will als wie der "Kausalität"!
Ein bemerkenswerter Seitenaspekt des Themas wird heute mit "Serendipity" verhandelt: "jenes Glückgefühl, das sich einstellt, wenn man etwas Schönes und Interessantes findet, das man gar nicht gesucht hat (Schenz 17). Das passiert immer wieder, wenn man eine neue Höhle entdeckt oder wenigstens einen neuen Höhlenteil, ganz unverhofft..... einfach einmal nachgeschaut....
Literatur:
Abromeit, Lars | Rettung aus tiefster Not, GEO 7-2019, 48-80 |
Aigner, Florian | Der Zufall, das Universum und Du, Brandstätter, Wien 2016 |
Baranowski, Romina | Wie der Würfel fällt, Hohe Luft, S. 59 |
Bernhard, Thomas | Der Keller, Residenz Verlag, Salzburg und Wien, 1998 |
Bernhard, Thomas | Die Berühmtesten, Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1976 |
Black, Robert | Chance, Credence, and the Principal Principle, in: The Britisch Journal For The Philosophy of Science, Volume 49, Number 3, September 1998, p 371 - 386 |
Boehringer, Simone | Gier, Angst und Formeln, Süddeutsche Zeitung Nr. 15, 18. Januar 2019, WIRTSCHAFT, S. 26 |
Bossart, Yves | Trotzdem lachen - Eine kurze Philosophie des Humors, Blessing, München 2022 |
Brunold, Georg | Fortuna auf Triumphzug - Von der Notwendigkeit des Zufalls, Verlag Galiani, Berlin 2011 |
Cederquist, Jan | Die Magie des Zufalls - Wie Synchronizität unser Leben bestimmt, Kailash-Verlag, 2010 |
Chargaff, Erwin | Erforschung der Natur und Denaturierung des Menschen, Universitas 3-1989, S., 205-214 |
Delacourt, Grégoire | Die vier Jahreszeiten des Sommers, Hamburg 2016 |
Dorn, Thea, Wagner, Richard | Die deutsche Seele, Knaus-Verlag, München 2011 |
Eigen, Manfred, Winkler, Ruthild | Das Spiel - Naturgesetze steuern den Zufall, Serie Piper, München Zürich 1985 |
Eisler, Rudolf | KANT-LEXIKON, Georg Olms, Hildesheim 1961 |
Elhard, Ric | Kula Kai Kanohina Caves and the CCH, Deep Karst 2016, p 1ff. |
Enzensberger, Hans Magnus | Fortuna und Kalkül - Zwei mathmatische Belustigungen edition unseld, SV, suhrkamp, Frankfurt a.M. 2009 |
Esposito, Elena | Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität, Frankfurt a.M., Suhrkamp 1997 |
Flaubert, Gustave | Madame Bovary, aufbau verlag, Berlin, 1. Auflage 2009 |
Frank, Philipp | Das Kausalgesetz und seine Grenzen, suhrkamp taschenbuch wissenschaft, 1. Auflage 1988 |
Frank, Robert H. | When It Comes to Success, Luck Has a Role, THE NEW YORK TIMES, October 8, 2012, p 1 |
Frisch, Max | Homo faber, Frankfurt am Main 1957 |
Gigerenzer, Gerd und andere | Das Reich des Zufalls - Wissen zwischen Wahrscheinlichkeiten, Häufigkeiten und Unschärfen, Spektrum-Verlag, Heidelberg - Berlin 1999 |
Gisin, Nicolas | Der unbegreifliche Zufall, Berlin/Heidelberg 2014 |
Gumbrecht, Hans Ulrich | Weltgeist im Silicon Valley – Leben und Denken im Zukunftsmodus, NZZ Libro, Zürich 2018 |
Hampel, Michael | Tunguska oder Das Ende der Natur, Hanser, München 2011 |
Handke, Peter | Am Felsfenster morgens (und andere Ortszeiten 1982-1987), Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2019 |
Heuß, Alfred | Kontingenz in der Geschichte, in: neue hefte für philosophie 24/25, Göttingen 1985 |
Harth, Dietrich | Schatten der Notwendigkeit - Ein Versuch über den Zufall in Wissenschaften und Künsten, in: neue hefte für philosophie 24/25, Göttingen 1985 |
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich | Vorlesung über die Philosophie der Weltgeschichte, Bd. 1: Die Vernunft inder Geschichte, hrsg. v. J. Hoffmeister, Hamburg 1955, S. 29 |
Hofmann-Montanus, Hans | Lurloch, in: Hofmann-Montanus, Hans, Petritsch, Ernst-Felix, Die Welt ohne Licht, Regensburg 1952 |
Jäger, Andreas | Von wegen purer Zufall - Mathematiker haben Münzen geworfen - und Erstaunliches festgestellt, SZ Nr. 250, 30.10.2023, S. 12 |
Kaeser, Eduard | Die Welträtsel sind nicht gelöst, Die Graue Edition, Zug 2017, S. 64 |
Kafka, Franz | Das Schloß, Fischer, 10. Auflage, Frankfurt a.M. 2005 |
Kafka, Franz | Der Bau, in: Die großen Erzählungen, suhrkamp taschenbuch 3622, Frankfurt a.M., 6. Auflage, 2018, S. 178-218 |
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Kanitscheider, Bernulf | Von der mechanistischen Welt zum kreativen Universum - zu einem neuen philosophischen Verständnis der Natur, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1993 |
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Rodemann, Julian | Würfelt Gott? SZ Nr. 234 10./11.09.2020, S. 31 |
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Siegeert, Almut | Müssen wir das Leben nehmen, wie es kommt? Brigitte WIR 3-2023, S. 8ff. |
Sloterdijnk, Peter | Nach Gott, Suhrkamp, Berlin 2017 |
Stangnetz, Bettina | Böses denken, Rowohlt, Reinbeck 2016 |
Taleb, Nassim Nicholas | Der schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse, Hanser-Verlag 2008 |
Taleb, Nassim Nicholas | Narren des Zufalls - Die unterschätzte Rolle des Zufalls in unserem Leben, München 2013 |
Taschner, Rudolf | Zahl, Zeit, Zufall, Piper, München Zürich 2009 |
Vaas, Rüdiger | Die Welt als Würfelspiel - Ordnung und Chaos im Universum, UNIVERSITAS 8/1991, S. 736ff. |
Valery, Paul | Cahiers/Hefte 6, S. Fischer, Frankfurt a.M. 1993 |
Verne, Jules | Reise zum Mittelpunkt der Erde, Diogenes, Zürich 1976 |
Vollmer, Gerhard | Ordnung im Chaos? Zur Weltbildfunktion wissenschaftlicher Erkenntnis, UNIVERSITAS 8/1991, S. 761ff. |
Walser, Martin | Der Augenblick der Liebe, rowohlt, Reinbek 2014 |
Welzer, Harald | So klein ist die Welt, National Geographic April 2016, S. 20f |
Wernicke, Christian | Viel Verantwortliche, kein Schuldiger, Süddeutsche Zeitung Nr. 15, S. 8 |
Willmroth, Jan | Lob der Unsicherheit, Süddeutsche Zeitung Nr. 16, 20./21. Januar 2018 WIRTSCHAFT 24 |
Wolft, A., et al. | Das Greidaloch bei Murnau im nördlichen Estergebirge, Bayerische Alpen, in: Mitt. Verb. dt. Höhlen- und Karstforscher 67(4), München 2021, 107-113 |
Wondratschek, Wolf | Mozarts Friseur, Hanser, Wien 2002 |
Zizek, Slavoj | Quer durchs Reale, Passagen Verlag, Paris 2010 |
Zydra, Markus | Schwan gehabt - Fonds des Katastrophen-Propheten Taleb verdient am Crash, Süddeutsche Zeitung Nr. 200, 1. September 2015, S. 17 |
Links:
Nassim Nicholas Taleb Home & Professional Page
Randonauten: https://medium.com/@TheAndromedus/a-beginners-guide-to-randonauting-1dd505c3c5a9
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