Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Höhlenwohnungen in Langenstein, Sachen-Anhalt


Höhlenwohnungen in Deutschland sind selten. Die geologischen Voraussetzungen sind dafür nicht so günstig wie etwa in Frankreich und Italien. Vor allem der Sandstein hat sich für den Bau solcher Lebensräume angeboten, weil er viel leichter als Kalkstein bearbeitbar ist.

Am nördlichen Harzrand gibt einen kleinen Ort, 9 km von Blankenburg entfernt, wo wir wieder ein paar dieser heute ungewöhnlichen Aufenthaltsorte für Menschen besuchen können. Die "Wende" hatte es möglich gemacht. ABM-Maßnahmen, bezahlt aus den Töpfen, die von uns, den Bürgern gefüllt werden, ermöglichten es, daß die schon wieder heruntergekommenen Lebensräume von einst wieder der Natur und dem allgemeinen Verfall wieder etwas entrungen wurden.

März 2006. Anläßlich des 2006er Treffens von HÖPHO, den deutschen Höhlenfotographentreffen, machten wir drei aus Südbayern, Raimon, Günther und ich, auch dorthin einen kurzen nachmittäglichen Abstecher. Wir fuhren von Rübeland los, besuchten erst den Volkmarskeller und strebten dann Richtung "Langenstein". Das funktionierte. Ein Wegweiser, ein Ortschild, ein Hügel mit vielen Fachwerkhäusern rundherum, das war es. Nichts wies uns auf die Höhlenwohnungen hin. Eine war leicht zu sehen. Wir stellten einfach das Auto am Straßenrand ab und zogen los. Dem kundigen Auge zeigte sich gleich, daß da mal in den Sandstein ein Hohlraum mit einer Felssäule getrieben worden war, eine Wandnische war zu sehen, in der gleich ein gefüllter Müllsack lang. Das war alles schnell geistig erfaßt, gab es noch weitere?

Wir stiegen viele Stufen hinauf und kamen dann tatsächlich zum ehemaligen Burgweg. Durch die ABM-Maßnahmen war es möglich, diesen wieder freizulegen, so daß die alten tiefen Wagenspuren wieder zu Tage kamen. Links und rechts von dieser hohlwegartigen Straße befinden sind Räume in den Fels gehauen. Sie sind nur noch die Reste einst mal viel größerer Anlagen. Bei den untersten Wohnungen führte westlich ein ziemlich abenteuerlicher Steig der Steilwand entlang, vom Schnee noch bedeckt und vor uns noch nicht benutzt, zu einigen kleinen künstlichen Felskammern. Das Haus davor ist offenbar aufgegeben, die Wänder stürzen allmählich ein, kein Ort aufkeimender Hoffnung für künftiges Leben. Links und rechts vom Hohlweg öffnen sich schwarze Löcher. Mal waren das wohl Ställe für Tiere, aber auch Wohnstätten der Menschen. Wiederhergerichtet worden war die Wohnstätte des letzten Höhlenbewohners, W. Rindert, der sie im Jahre 1916 dann endgültig verlassen hat. Die "Hausverblendung, Vordach, Hausnummer 11 und die Stallanlagen" wurden bei den "Wendemaßnahmen" wieder hergestellt, aber das hat nicht standgehalten. Die Tür steht heute jedem offen, Müll liegt herum, keinen scheint es mehr zu scheren, was da los ist.

Dann standen wir am Ende des Burgwegs, ein Traumpanorama tat sich vor uns auf, als wir den kleinen, mit Alustiegen erschlossenen Gipfel erklommen, dann ging es wieder hinab in die Ortschaft. Die Höhlenwohnungen am "Schäferberg" haben wir nicht gesehen, es gibt ja auch keinerlei Hinweise darauf. Auf dem Rückweg haben wir ein Schild gesehen: "4000 €". Das hing an einem großen, ehemals wohl "herrschaftlichen" Gebäude mitten im Ort - ein ziemlich krasses Beispiel für den Zustand Deutschlands im Jahre 2006. Unser Weg zurück führte uns auch am Kindergarten vorbei. Dort gab es tatsächlich noch "neues Leben". Hinter den Fensterscheiben sah ich einige Kindergesichter, die diesem "Mann" zusahen, der sich für den hohlen Baumstamm interessierte, der in ihrem Freigelände lag, und ihn sogar dreimal fotographierte - ein schönes Beispiel für eine Baumhöhle und die "Initiation", das langsame Erwachsenwerden, über Bekriechen einer hohlen Röhre aus Holz.

Am 3. Januar 2014 wurde in der ARD der Film: Picknick mit Leiche" in der Krimireihe "Heiter bis tödlich - Alles Klara" gesendet. Schauplatz sind u.a. die Langensteiner Höhlenwohnungen, wo die Kommissarin unvermutet eine Leiche findet. Am Schluß wird der "Übeltäter" überwältigt, in dem man eine Holzstange in den Kamin über dem Höhlendach hinunterwirft, die ihn am Kopf trifft und bewußtlos schlägt. Das Spiel ist aus.

Der Quergang zu den Höhlen
 
Die Kindergartenbaumhöhlen

 

Literatur:

Reinboth, Fritz Goethes Besuche in Harzer Höhlen während dreier Harzreisen, Mitt. Verb. dt. Höhlen- und Karstforscher 68(3), München S. 60-63
Tschorn, Johannes Höhlenwohnungen in Langenstein, Harzmuseum Wernigerrode 1987, Heft 17/18
Tschorn, Johannes Langenstein und ie Familie von Branconi, Veröffentlichungen des Städtischen Museums Halberstadt 26, Nordharzer Jahrbuch, Band 18/19 1995

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