Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Landschaft und Höhlen in den Leoganger Steinbergen, Salzburg, A
Leoganger Lokalpatriotismus soll die Leoganger Steinberge im Norden dieses kleinen Ortes im Salzburger Land als "Pinzgauer Dolomiten" bezeichnen. Sie sind der südwestlichste Teil der Plateauberge, die vom Dachstein, das Tennengebirge, den Hochkönig und das Steinerne Meer herüberreichen, und von hier als als Kettengebirge in die Nordtiroler Kalkalpen übergehen. Der Grundriß des Gebirges ist annähernd dreieckig. Am Südrand liegt die höchste Erhebung, das Birnhorn, mit seinen 2.634 m. Die anderen hohen Erhebungen wie Dreizinthörner, Marchanthorn, Rothorn, Kuchlhorn und Mitterhorn verteilen sich über einen relativ großen Raum und verleihen dem Gebirge einen "Stockcharakter" ( G. Völkl). Scharfe Grate und Kämme verbinden die Gipfel miteinander. Dazwischen liegen dann 5 Kare: die Große und Kleine Saugrube im Westen, das zentrale Nebelsbergkar (heißt auch Ebersbergkar), das Dürrkar und das Grubkar im Osten.
Der Name "Steinberge" soll dieses Massiv von den "Grasbergen" der Schieferalpen und den "Keesbergern" der Hohen Tauern abgrenzen.
Der größte Teil des Gebirges ist nur wenig erschlossen. Es gibt nur eine Alpenvereinshütte, die Passauerhütte in der Mittagsscharte zwischen Fahnenköpfl und Hochzint. Der Zugang ist nicht ganz einfach und verlangt schon eine gewisse Beherztheit ("bez. Steig mit Sicherungen" oder auch "Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich"). Es gibt noch einen zweiten Zugang, den vom Saalachtal aus gehen kann, wobei es hier zwei Varianten gibt. In jedem Falle sind es mehr als 1.400 m Höhenunterschied, die zu überwinden sind. Landschaftlich ist er herrlich. Im unteren Teil ist er steil (sofern man vom Diesbach losgeht) und lärmerfüllt von den vielen Fahrzeugen auf der Bundesstraße, aber irgendwann hat man es geschafft. Ruhe kehrt ein und es geht weg von der Forststraße. Von da an ist es Genuß.
Im 1977 erschienenen Salzburger Höhlenbuch Band 2, in dem auch die Höhlen in den Leoganger Steinbergen behandelt wurden, hatte man gerade 37 Katasternummern vergeben. Daß es nicht so viele waren, ist angesichts der Verhältnisse nicht verwunderlich. Denn einfach sind viele der Höhlen nicht erreichbar, angesichts der Verhältnisse. Es mußten erst Höhlenforscher kommen, die sich intensivst mit dem oft schwierigen Gelände auseinandersetzen wollten. Erst kamen sie aus Frankreich, dann aus Polen. Früher war der Ansporn, die "Tiefste Höhle der Welt" zu erforschen, aber seitdem man im Kaukasus eine Höhle gefunden hat, die einen größeren Höhenunterschied aufweist, als man hier erreichen könnte, bleibt halt die Begeisterung für dieses einsame Stück Erde. Der 1996 erschienene Band VI der Salzburger Höhlenbücher hörte erst bei der Nummer 120 auf. Und inzwischen wurde fleißig weitergeforscht. Inzwischen hat sich die Forschung ins Dürrkar verlagert und auf die Hochgrube wurde bereits von den Polen angeschaut. Inzwischen ist man an der Scheidelinie angekommen, wo das Wasser entweder noch zum Lamprechtsofen fließt oder schon südwärts Richtung Birnbachloch.
2. Juli 2010 Dutzende von Malen bin ich schon die Straße von
Lofer nach Saalfelden entlang gefahren, habe oft schon beim
Lamprechtsofen Station gemacht, aber nie zuvor hatte ich mich auf
den Weg begeben, um mal hinauf zur Passauer Hütte am Fuße des
Birnhorns, des höchsten Berges der Leoganger Steinberge, zu
wandern. Nun war es so weit. Am frühen Nachmitttag lassen wir
das Gefährt an der Bundesstraße bei Dießbach stehen und ziehen
los. 5 Stunden später stehen wir erschöpft und glücklich
drüber, 1.450 m Anstieg hinter uns zu haben im abendlichen Licht
vor der Hütte. Ein Prachtpanorama ringsum. Wer auch die Namen
der Gipfel wissen will, kann sich auf drei Photoschautafeln im
Freien bestens informieren.
Abends in der Hütte wurde es gemütlich. 4 Ausflügler waren
auch noch da und 2 zwei davon konnten musizieren. Hubert, der
Hüttenwirt, versteht sich auch auf die Musik und so gab es dann
so ein kleines alpenländisches Konzert mit Gitarre, Akkordeon
und sogar Posaune. Seine Frau, die Heidi, kümmerte sich um die
Küche, und zauberte erstklassige Fleischkücherl mit
außergewöhnlich feinem Kartoffelsalat auf den Tisch. Auch noch
ein Begrüßungsschnapsstamperl gab es dazu.
Im Dachgeschoß sind die Schlafräume, alle in einem prima
Zustand. Unter der Decke sind auch noch die letzten Raumreserven
mit Schaumstoffmatratzen gefüllt, was wohl ein Zeichen dafür
ist, daß es gelegentlich "voll" hier wird. Das war am
Freitagabend glücklicherweise nicht der Fall. Die Nachtruhe
wurde nur einmal noch gestört, als um 2 Uhr früh aus dem Tal
noch ein paar Leute ankamen und sich noch stundenlang eifrigst
was zu sagen hatten.
Am nächsten Morgen Kaierwetter. Fernblicke nach überall hin möglich. Paarweise treffen schon die ersten Bergwanderer aus dem Tal ein, machen Rast und ziehen weiter. Die meisten gehen hinauf zum Birnhorn, einige begnügen sich mit dem Hochzint, manche drehen auch gleich wieder um und latschen zurück ins Tal. Viele haben in ihrem Rucksack ein paar Holzscheitel für Hütte.
Wir machen haben unsere eigene Route und ziehen zuerst zum
Melkerloch, machen ein paar Fotos und gehen dann anfangs erst
Richtung Birnhorn. Später zweigen wir dann ab Richtung
Dürrkarhorn. Der Weg führt durch die wilde Karstlandschaft der
Hochgrub, dann über den Sattel beim Metzhörndl, dann ist das
Dürrkar erreicht. Es ist wohl einer der einsamsten Teile in den
Leoganger Steinberge. Gemsenrevier ist das hauptsächlich. Und
Karstzone, die seit einigen Jahren jetzt auch von polnischen
Höhlenforschern erkundet wird. Ihr Fokus hat sich in den letzten
Jahren vom Ebersbergkar hierher verlagert, immer auf der Suche
nach noch höher gelegenen Eingängen in den Lamprechtsofen.
Jeden Sommer finden jetzt hier vierwöchige Forschunglager statt,
um in den gefundenen Höhlen weiterzukommen. Zwei Höhlensysteme
sind es vor allem, in denen die Erkundungen weitergehen. Das
Tropik-Höhlensystem hat inzwischen eine Länge von 4,2 km und
man ist in zwei unabhängigen, vorwiegend senkrechten
Höhlenteilen bis auf - 533 bzw. 690 m Tiefe gekommen. Man ist
nur noch 250 m Luftlinie vom Lamprechtsofen entfernt. Allerdings
geht eine große Störung durch die Zone, so daß es sehr
unsicher ist, ob es da eine Verbindung gibt.
In der Viertelhöhle sind inzwischen 3 km Gänge erforscht und
man hat auch da 690 m Tiefe erreicht. 670 m unter dem Eingang ist
man auf ein ausgedehntes Horizontalsystem mit kleinen in
verschiedene Richtungen führende Mäander und Galerien
gestoßen. Wichtig ist, daß die Höhle in Richtung Birnbachloch
entwässert und damit eine unterirdische Wasserscheide erreicht
ist.
An der Oberfläche bewegt man sich in einer klassischen kahlen
Karstlandschaft und bekommt von den Tiefensystemen eigentlich
nichts mit. Gelegentlich ist da ein Schachteingang mit roter
Farbe markiert, wenige Höhlenportale sind in den Wänden
auszumachen.
Zurück auf der Hütte erleben wir aus der Ferne noch die Dramatik einer Extremkletterei. 4 Männer waren da unterwegs in einer senkrechten und wohl auch manchmal überhängenden Felswand. Parallel dazu lief das Fußballspiel Deutschland gegen Argentinien. Ich fand die Kletterei faszinierender. Aus der Ferne war da zuerst einmal nur ein gelbroter Fleck zu sehen, der sich wieselartig in der Vertikalen nach oben bewegte. Dann zog ein grüner "Flecken" nach. Mehr sah man ja zuerst einmal nicht. Noch eine Zweierseilschaft wartete geduldig Stunden auf ihr Signal. Kein Unfall passierte, alle Passagen wurden hervorragend gemeistert. Auf einmal tauchten die zwei ersten Kletterer leibhaftig bei uns auf. Ein junger Mann, vielleicht zwanzig, drahtig, relaxed mit seinen Kletterpatschen in der Hand, barfuß kam er daher. Im gelben Shirt und roter kurzer Hose. Er war der erste Mensch, der diese Route in einem Stück, "freestyle" heißt das, glaube ich, begangen hatte, jemals. Respekt. Ein Superkönnen gehört dazu und ein unglaubliches Selbstvertrauen. Die zweite Partie wurde gefilmt, als sie der Route nachgestiegen sind. Als auch die zurück waren, schätzte man den Schwierigkeitsgrad ein: 8 +. Respekt.
"Deutschland" hatte gesiegt, mitzuerleben war das auch auf dem hütteneigenen Fernseher gewesen, auf einem Beamer präsentiert, auf einer großen Leinwand in einem Hüttennebenraum. So ändern sich die Zeiten und es zeigt sich auch da, wie geupdated man heute ist. Selbst eine Art Schwimmbad haben sie ja auf der Hütte, ein großes Planschbecken, das gespeist wird von den hütteneigenen Wasserüberschüssen aus der langen Wasserleitung, die das Wasser aus einer Karstquelle am Fuße des Birnhorns bis hierher schafft.
Abends gab es gar mehrere Gerichte zur Auswahl, Schweinebraten, Spaghetti, Kaiserschmarrn. Die Küche ist dort nur zu loben.
Am nächsten Morgen stiegen wir nur noch talwärts, ich mit einem kleinen Schlenker zum Eingang der Fahnenköpflhöhle. Ihr Eingang ist nicht schwer zu finden, führt doch ein richtiges Steiglein dorthin. Den Steig gibt es nicht wegen der Höhle, die früher der Hütte als Wasserquelle gedient hat. Es gibt ihn wegen der vielen Kletterer, die von dort aus den verschiedenen Klettersteigen aufs Fahnenköpfl folgen.
Aus dem Eingang streicht fühlbar kalter Wind....
Wer nie Glück hat im Leben, dem gibt das Leben leider manchmal zu wenig "Schubserer", um gut dadurch zu kommen. Ob man es verdient hat. Mir half es jedenfalls mal wieder beim Abstieg ins Tal. Im Schlußdrittel des Abstiegs geht es entweder direkt hinunter über den steilen Steig zum Parkplatz an der Saalachbrücke oder entlang der bequemen und kilometerlangen Forststraße Richtung Weißbach. Ich wählte die Sandalentour, Alfred stieg die steile Wand hinunter. Kaum war ich etwa einen Kilometer ab- und wieder aufwärts der Straße gefolgt, die wenigstens nicht geteert ist, hielt auf einmal einer dieser 4Wler. Einer der Jäger saß drinnen und nahm mich mit ins Tal. Er war gerade unterwegs, um einen Jagdgast abzuholen und mir ersparte er ein gutes Stück Schinderei. So fügen sich die "Dinge" auf gute Weise.
Im Dürrkar | ||
D14 | ||
Fahnenköpfl | ||
Extremstkletterer unterwegs | ||
Eingang Fahnenköpflhöhle |
Wanderung zum Birnbachloch
Fotos Simon Sauter | |
Literatur:
Ciszewski, Andrzej | Dürrkar 2010, ATLANTIS 1/2 2011, S. 23ff. |
Ciszewski, Andrzej | Expeditionsbericht Dürrkar 2009 vom Krakowski Klub Taternictwa Jaskiniowego, ATLANTIS 3-4 2009, S. 21ff. |
Ciszewski, Andrzej | Nebelsbergkar 2017, Jaskinie 3-4 2017, 19-22 |
Fugger, E. | Die Schneemassen im Birnbachgraben, Mitt. des deutschen und österreichischen Alpenvereins 10/1884, S. 318ff. |
Klappacher, Walter, Gesamtredaktion | Salzburger Höhlenbuch Band 6, Salzburg 1996 |
Kleszynski, Christopher | Lamprechtsofen - The Magic "1,000", Caving International Magazine 11, April 1981, p 34ff |
Kleszynski, Christopher | Caving in Austria - the search for Lamprechtsofen's upper entrance, Caving International Magazine 12, July 1981, p 6f |
Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg | SALZBURGER HÖHLENBUCH Band 2, Salzburg, 1977. |
Pfarr, Theo | Leoganger Steinberge, in: Spötl, C., Plan, L., E. Christian (Hrsg.), Höhlen und Karst in Österreich. - Linz 2016 (Oberösterreichisches Landesmuseum): 499-508 |
Rieger, L., Zillner, J. | Loferer und Leoganger Steinberge Alpenvereinsjahrbuch BERG '86, S. 5-22 |
Steiner, Leonhard | Klettern und Skifahren in den Leogangern, Ein Gebirge - zu Unrecht ein Stiefkind, DER BERGSTEIGER, S. 267 |
Wolf, Andreas | Kurzbericht Leoganger Steinberge 1324, in: Münchner Höhlengeschichte II, München 2004 |
Wolf, Andreas | Das Birnbachloch in den Leoganger Steinbergen, Der Schlaz 78-1996, S. 23ff. |
Links:
http://www.passauer-huette.at/
http://www.wandertipp.de/Monatstipp_05_2001.htm
http://www.alpenverein.at/huettenHome/DE/Home/index.php?huetteNr=0615
Skitour: Birnhorn - KOMPASS Karten
http://www.gps-touren.at/showtour_details.php?id=21&sportart=kletterrouten
http://www.sktj.pl/epimenides/jaskinie/jask44.htm
http://www.kktj.pl/artykuly/lampo09/lampo09.html
http://www.hikr.org/tour/post19114.html
http://www.tourentipp.de/de/touren/details.php?id=63
http://www.pza.org.pl/news.acs?id=315553
http://www.alpenverein-passau.de/index.php?id=14
http://www.museum-leogang.at/media/Folder SA 2010 a.pdf
http://www.kktj.pl/artykuly/wyprawy/leogang/leogang.html
Gemeinde Leogang - Das Melkerloch zwischen Hochzint und Birnhorn
https://www.bergsteigerdoerfer.org/files/alpingeschichte_weissbach_2014.pdf
Landschaft und Höhlen im Land Salzburg
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