Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Landschaft, Kultur und Höhlen auf Sizilien
Ätna, Landschaft und Höhlen
Sizilien ist die flächenmäßig größte Insel des Mittelmeers. Sie hat immer schon als Anziehungspunkt für Menschen aus vielen Teilen der Erde gewirkt (und hat auch "ihre Menschen" wieder in andere Erdgebiete "exportiert"). Die Zeichnungen an den Höhlenwänden etwa der Grotte von Addaura zählen zu den frühesten Spuren der Besiedlung Siziliens. Noch heute prangen ein paar der schönsten griechischen Tempel in der Landschaft dieser Insel, ist die "Villa Romana di Casale" eine Magnet für Besucher, die einmal wunderbare römische Mosaiken sehen wollen, gehen viele Leute in den Dom von Cefalu und können dort meisterhafte Mosaiken aus der Blütezeit von Byzanz bewundern. Einen großen Sprung weiter: Auch für den Kunstfreund, für den die Kunstgeschichte nicht mit der Romatik aufhört, finden sich auf Sizilien besuchenswerteste Plätze: etwa "Fiumara d'Arte" an der Nordküste oder Gibellina im Westen der Insel.
Lange Zeit hatte Sizilien einen sehr schlechten Ruf. Mafia genügt schon als Stichwort. Und "Stehlen". Ich hatte mal vor vielen Jahren die Geschichte eines Touristen gehört, der mit seinem Wagen dorthin gefahren war. Er ging an den Strand zum Baden und als er zurückkam, das hatte er alles verloren, außer seinem Handtuch und seiner Badehose, die hatte er nämlich bei sich gehabt. Nein, in so eine Region zog es mich nicht nach Kräften.
Nun sind viele Sommer und Winter vergangen, die Situation hat sich beruhigt, wenn ich danach ginge, nur noch dahin zu fahren, wo ich nicht bestohlen werden könnte, dann dürfte ich jetzt auch nicht mehr nach Südfrankreich! Was für ein Verlust! Anfang Juni 2006 ergab sich mal die glückliche Fügung, daß ich mit Doris und Willi Adelung mal dorthin fahren konnte und ergriff die Gelegenheit am sprichwörtlichen Schopf. Es wurde ein Erlebnis daraus, ein gutes, gottseidank. Unsere Reise dauerte nur wenige Tage und führte von Messina über Palermo, Gibellina, Sciaaca, Agrigent, Noto, Nicolosi wieder zurück nach Messina. Unterwegs besuchten wir natürlich ein paar touristische Highlights wie die Tempel von Agrigent oder die Altstadt von Cefalu. Daneben waren wir aber an vielen Orten auch ganz alleine, wie auf dem Kunstpfad "Fiumara d'Arte" und in Gibellina. Mit den Höhlen war das so eine Sache. Die waren oft nicht leicht zu finden, abgesperrt oder hätten zu viel Zeit in Anspruch genommen. Von den kleinen Erfolgen wird auf den folgenden Webseiten einiges zu lesen sein.
Erste Sizilieneindrücke: Tunneldurchfahrungen,
Blicke über Leitplanken, |
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Karstberge hinter Supermarktmauern bei Carini | |
Kalkwände hinter noch mehr Leitplanken und zwischen Hochhäusern | |
Was Versöhnliches: Blüten, Blüten, Blüten | |
Duomo in Cefalu |
"Höhle" im "Kepholos", dem Kopf von Cefalu |
In Palermo |
Schon
wieder Müll! Klar, es war Sonntag. |
In Agrigent | |
In der Nekropole von Agrigent |
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Im Griechischen Theater von Syrakus Oben das Nymphaeum |
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Die starke Quelle im Nymphaeum | |
Arethusaquelle |
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2006 an einer Mauer in Syrakus. eine Werbung für eine Meereshöhlentour |
Sizilien hat eine Menge unterschiedlichster Höhlen. Keine erreicht werder von ihrer Länge oder Tiefe her gesehen, Rekordmaße, aber darauf kommt es ja nicht sehr an. Eine große Vielfalt kennzeichnet die Höhlenvorkommen. Außer den dominierenden Karsthöhlen gibt es erwähnenswerte Gipshöhlen und natürlich auch Lavahöhlen. An den Küsten kommen natürlich auch Brandungshöhlen vor und auch der Mensch hat fleißig in das Gestein Siziliens Hohlräume hineingehauen, "künstliche Höhlen" also. Mal wurden sie als Lagerhaus, als Wohnung, als Heilstätte oder auch als Kultort verwendet. An den Höhlenwänden finden sich gar nicht so wenige Malereien und Ritzzeichnungen.
Im Internet gibt es heute eine Menge Informationen schon über Höhlen auf Sizilien. Hauptsächlich werden öffentlich geförderte Projekte vorgestellt. Um die hat man sich vom Staat her gekümmert, so daß wohl deren Existenz gesichert ist, um deren Zugänglichkeit ist es aber oft nur gut bestellt. Es werden zwar Telefonnummern angegeben, an die man sich im voraus zu wenden hätte, um vielleicht rein zu kommen. Wer das nicht tun oder tun kann (Sprachprobleme zum Beispiel), der steht dann auch vor geschlossenen Arealen oder Türen. Uns ging das 2006 zweimal so.
Westlich von Palermo in der Nähe der Nordküste Siziliens weisen schon von weitem Straßenschilder auf die Höhle von Carburangeli hin. Wenn man denen folgt, das geht es vielleicht auch anderen so wie uns. Auf einmal sind sie weg, man hat keine Ahnung mehr, wo man denn suchen soll, nichts Auffälliges ist da zwischen den steil aufsteigenden kahlen Berghängen, einer stark besiedelten Ebene mit vielen Villen und am Ende dem Meeresstrand. Da war dann mal ein Schild, das zeigte in die andere Richtung als die, in die wir gerade fuhren, wir kehrten um, Willi entdeckte dann doch noch ein uns vorher nicht gesehenes Schild - und am Ende war alles ziemlich umsonst. Wir kennen nun die Umgebung sehr gut, aber in die Höhle sind wir nicht gekommen. Aus etwa 50 m Entfernung ist ein Höhleneingang zu erahnen, hohe Gitter schließen alles ab. Eine Tafel mit Hinweisen auf ich weiß nicht was, wohl steht da auch eine Telefonnummer, die man anrufen müsse. Ich habe versucht, seitlich wenigstens noch ein wenig näher ran zu kommen, alles vergebens. Das Gelände bis zum Zaunrand ist dichtest verpflastert mit Villen, alles Privatbesitz. Ein Wunder, daß das Geländer mit der Höhle noch unverbaut geblieben ist. Im Interent kann man einiges über diese Höhle lesen, die in einem Gebiet liegt, in dem ich, ehrlich gesagt, nie so etwas erwartet hätte.
Ähnliches ist uns bei Santa Ninfa
passiert. Auch die ist wohl in Rahmen eines Naturschutzprojektes,
bei dem sicherlich auch EU-Mittel hineingeflossen sind,
bearbeitet worden. Auch hier gibt es Straßenschilder, die zur
Höhle führen, ein kleiner Parkplatz ist da, sogar ein
Holzhäuschen, und dort wegführend, ein angelegter Steinweg
durch das abfallende Gelände im Gipskarst bis zum im Buschwerk
ganz versteckten Eingang. Nach 5 Metern ist schon Schluß. Dann
riegelt ein verschlossenes Gitter den Weiterweg ab. Ein Seil lag
noch herum, an dem sich die Leute wohl festhalten können, die
den gleich hinter dem Verschluß liegenden Schacht auf einer
Aluleiter hinunterklettern können. Bei uns war das Tor zu, wir
hatten niemand vorher angerufen, es blieb uns nur die
Besichtigung der Eingangsregion, aber auch die hatte ihren Reiz.
Da kommen, wegen der geringen Überdeckung bereits viele Wurzeln
hindurch, die ein reizvolles Gewirr unter der Decke bilden. Am
Boden haben viele Samen ausgekeimt und so standen zahlreiche
kleine Pflänzchen im Halbdunkel herum. Auch eine Spinne hat den
kleinen Eingangsraum als Nahrungsraum entdeckt und hatte ihr
großes Netz dort ausgespannt. Im Licht der nachmittäglichen
Sonne ergaben sich reizvollste Motive. Besonders bemerkenswert
ist natürlich das Gestein, der Gips. Der hat dort eine Form, die
überhaupt nichts mit unsern Gipsplatten zu tun hat. Da ist er in
kristalliner Form überall natürlich vorhanden und da können
sich reizvollsten Formen zeigen in schier unendlicher Menge. Die
Höhle ist bedeutsam. Sie bildet einen Teil es
Entwässerungssystems einer Polje, das der aufmerksame Besucher
leicht ausmachen kann. Im Raum vor der Höhle gibt es keinen
oberirdischen Abfluß. Alles strebt Richtung Talsohle unterhalb
der Höhle. Dort verschwindet das Wasser im Untergrund, taucht in
der Höhle auf und fließt durch die 1350 m lange Höhle mit
einem Höhenunterschied von 25 m. Das Wasser nimmt unterwegs wohl
Schwefel auf und weist unterschiedliche Temperaturen im seinem
Lauf auf. Es verschwindet dann in einem unpassierbaren Spalt und
kommt dann in einer Quelle wieder zu Tage.
Diese ist nur eine von 22 anderen Höhlen in ca. 22 km² großen
Gipskarstgebiet, das inzwischen schon gut erforscht worden ist.
Die Polje vor der Höhle | |
Das Schild an der Hütte | |
Die Hütte | |
Blühender und kristallener Überfluß |
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Der Höhleneingang |
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Das Gestein im Eingang | |
Der Gang hinter dem Gitter - geht steil nach unten |
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Das Spinnennetz | |
Höhlenpflänzlein |
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Die "Radieschen" von unten sehen |
Auch die Kultur, kein Wunder bei jahrzehntausendelanger Besiedelung, ist wohl vertreten, zeigt halt überall auch, daß es sich um keinen "ruhigen" Teil der Erde handelt. Nicht zuletzt schlägt die Natur dort immer wieder massiv zu und macht alles dem Erdboden gleich. Es ist aber wie bei den Ameisen. Kaum ist ein Haufen zerstört, wird er gleich mit mit gleichem oder gar noch größerem Fleiß an gleicher oder oft anderer Stelle wieder aufgebaut.
Ein vergleichsweise aktuelles Beispiel ist Gibellina, das nach einem großen Erdbeben am 14. Januar 1968 vollkommen zerstört worden ist. Daraus ist heute ein Kunstwerk geworden. Der umbrische Maler Alberto Burri hatte die Idee, den ganzen Ort unter Beton zu begraben, was auch passiert ist. Ein berührendes Meisterwerk ist daraus geworden, allerdings kein Tourismusmagnet. Das Aufmerksamwerden auf die Vergänglichkeit allen menschlichen Tuns steht heute nicht vorne auf der Aufmerksamkeitsliste der Menschheit. Das ist hier auf eindringlichste, weil sehr einfache Weise, passiert.
18 km westlich entstand das neue Städtchen mit dem gleichen Namen. Viele Künstler beteiligten sich an dem Wiederaufbauprojekt und einiges Geld floß dorthin. Der Skandal war unvermeidlich. Die "Mafia" hatte auch ihren Beutel offen gehabt. Es gilt "als kulturgeschichtliches Denkmal mit der höchsten Dichte an moderner Kunst in ganz Italien". Man sollte nicht mit einem traditionellen Kunstbegriff hingehen, denn dann ist man da nicht an richten Ort. Die wohl mal als Kirche gedachte Betonskulptur "La grande Sfera" von Ludovico Quaroni, die bereits wieder sehr im Verfall begriffen ist, kanalisiert viel Aufmerksamkeit auf sich. Der Beton wird hin- und hergebogen und im Moment ist neben dem Sozialzentrum mit Bar von Consagra ein neues Gebäude im Bau, ich glaube es ist das neue Theater, des noch gewagter aussieht. Auch ein "Labyrinth" gibt es dort als moderne Skulptur, wobei von der Labyrinthidee nur noch ein paar kreisförmige Betonteile übrig sind, jedenfalls steht der Name noch dabei.
Auf dem Pfad des Wiedervergessenwerdens scheint auch "Fiumara d'Arte - Devozione alla Bellezza" bei Castel di Tusa an der Nordküste zu sein, ja man kann sogar davon lesen, daß es ganz aufgelöst wieder werden soll. Antonio Prestida, ein damals junger Bauunternehmer mit Kunstverstand und Vermögen stand als Förderer im Hintergrund. Ab 1986 wurden in einem langgestreckten Flußtal an verschiedenen Stellen zum Teil spektakuläre Kunstwerke in die Landschaft gesetzt. Für mich der absolute Höhepunkt: Arianne von Italo Lanfredini! Eine sehr gute Beschreibung davon ist in dem Sizilienführer von Thomas Schröder.
http://www.messina-sicilia.it/fiumara_d_arte.htm
http://www.press.sicilia.it/news-sicilia.cfm?id=2186
http://www.librino.org/web1/fiumara - opere/lanfredini labirinto - opere.htm
http://www.ateliersulmare.it/web2/fiumaradarte.htm
"Energia meditteranea" von Antonio di Palma |
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"La materia poteva non esserci" von Pietro Consarga |
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"Arianne" von I. Lanfredini |
Ein Stück alte Baukunst
Donnafugata von außen innen: "bester Anschauungsunterricht, in welchem Luxus die adligen "Leoparden" Siziliens lebten z.B. haben sie sich ein privates Labyrinth in den Garten gesetzt! |
Auf der Fähre von Reggio nach Messina, Mai 2006
Der Mond über Sciacca
Literatur:
Baedecker | Sizilien, 8. Auflage 2005 |
lonely planet | Sizilien, 4. Auflage, 2017 |
Mesina, Caterina, Groß, Nikolaus | Wandern auf Sizilien, DUMONTaktiv, Hamburg 2002 |
Schröder, Thomas | Sizilien, Michael-Müller-Verlag, 10. Auflage 2021 |
Literatur speläologisch:
Vittorio, Verole, Bozzello | Le Grotte d'Italia - guida al turismo sotteraneo, Bonechi Editore, Florenz 1970 |
Gobetti, Andrea | L'Italia in Grotta, Roma 1991 |
Angeli, Ilenia Mardia D', Jo De Waele, Rosario Ruggieri, Laura Sanna | Pleistozene Sea Level Changes as revealed by flank margin caves in telogenetic limestones in Sicily and Sardinia (Italy), 2013 ICS Proceedings, Karst and Caves in Carbonate Rocks, Salt and Gypsum, p 29ff. |
Links:
Höhlenlinks:
Eine Literaturempfehlung:
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SIZILIEN Schröder, Thomas, 624 Seiten, 10. Auflage, 24,90 |
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