Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Der Jakobsweg durch die Schweiz
- mit den Augen eines Höhlenforschers gesehen


Brienzer See/Beatushöhle, September 2014


"Friedrich Nietzsche unterschied zwischen den ersessenen Wahrheiten, die sich am Schreibtisch einstellen, und den ergangenen , die nur dem zufallen, der zu Fuß unterwegs ist." (Süddeutsche Zeitung 21./22. Mai 2011, S. 16 / Das Maß des weiten Raumes)

"Wer die Schweiz liebt, hat augenblicklich eine Vorstellung von Gebirgigkeit und von langgezogenen, über hochgelegene Schneeflächen sich hinziehenden Alphorntönen.." Robert Walser, Mikrogramme

"Wir Wandernde,
An jeder Wegkreuzung erwartet uns eine Tür..." Nelly Sachs, Chor der Wandernden


Im Mai 2014 soll es weitergehen auf dem Jakobsweg. In Lindau sind wir 2012 umgekehrt. Über Rorschach führt uns der Weg weiter durch die Schweiz. Was wir da alles erleben werden? Wenn da irgend etwas auf der Weg ist, das auch speläologisch relevant ist, dann wird es hier stehen. Ein Highlight gibt es auf alle Fälle, die Beatushöhle bei Interlaken.

"Den Jakobsweg" gibt es ja gar nicht, es gibt höchstens viele, wohl unendlich viele. Fängt nicht der "wirkliche" Jakobsweg am eigenen Bettpfosten an? Aber es gibt halt inzwischen schon Pfade, die eingeschliffen sind, die schon viele gegangen sind, wo es auch schon eine richtige Infrastruktur dafür gibt, was oft kein Luxus ist, sondern Notwendigkeit, um überhaupt weiter zu machen.

So kommt es, daß mehrere Strecke praktisch parallel zueinander laufen. Als ich im April 2014 im Tösstal zwischen Zürichsee und Bodensee einmal unterwegs war, da tauchten auf ein mal Jakobswegschilder (sie gehören zum sog. "Schwabenweg" von Konstanz nach Einsiedeln) auf. Und nicht weit davon sind schöne Höhlen hinter einem Wasserfall. Vielleicht nimmt sich ein künftiger Jakobswegverfolger sie Zeit, wenigstens eine davon anzuschauen, z.B. die Wissengubel. Sie ist es wert, ehrlich. Pressiert es denn wirklich? Muß man den Weg in möglichst wenig Zeit hinter sich bringen? Je schneller, desto besser? Nein. Slow is beautiful, immer noch!

Mitte Mai machen wir weiter. Von Romanshorn soll es südwärts gehen in Richtung Vierwaldstättersee. Mal sehen, was passieren wird....


Wir sind wieder zurück - nach 7 Tagen Unterwegssein. Zwei Tage sind inzwischen notwendig, um hin- und wieder zurückzukommen, und 5 Tage haben wir für das Wandern verwendet. "Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, mach einen Plan". So lautet ein polnisches Sprichwort. Es stimmt, immer wieder. Wir wollten ursprünglich von Lindau nach Rorschach mit dem Schiff fahren, alleine der Beginn der regulären Fahrten wurde erst 2 Tage später aufgenommen. So galt es zu entscheiden, wie wir zum Schweizer Ausgangspunkt unserer Wanderungen kommen wollten - über Bregenz nach Rorschach mit der Bahn oder nach Friedrichshafen mit dem Zug, dann mit der Fähre übersetzen und wieder zurück mit der Bahn nach Rorschach. Wir, das waren diesmal Wilfried, Reinhard, Karl-Heinz und ich, entschieden uns für die zweite Version, die leider nicht so gut funktionierte. Am Ende nahmen wir einen öffentlichen Bus und fuhren nach St. Gallen, wo wir im schönen Pilgerheim in der Altstadt Unterkunft fanden. Am nächsten Morgen ging es zuerst durch St. Gallen, die Altstadt, die Vorstadtviertel, entlang viel befahrener Straßen, eine Schießanlage war in Betrieb, alles Erfahrungen, die eher den Charakter eines Fegefeuers hatten, dem man sich einfach stellen muß, ehe es dann wirklich "los ging". Hinein in die wunderbare Natur kamen wir erst hinter Herisau, wo sich der Wiesenweg durch die Molasselandschaft schlängelte, mal hinauf auf Aussichtsmuggel, dann wieder hinunter in dunkle Tobel und wieder hinauf und wieder herunter. Der Prachtblick auf das Säntismassiv und die Churfirsten blieb uns versagt, aber so ist sie halt auch, die Natur, wechselhaft und unbeständig. Abends fanden wir immer wieder Schlafstätten mit Hilfe der Hinweise aus dem Internet, einfache meist, aber Komfort wollten wir ohnehin nicht. Das Schlafen im Stroh erwies sich als möglich und eine rechte Abwechslung zum Alltag. Für Speis und Trank fanden wir immer wieder brauchbare Plätze, wobei das Preisniveau hoch war für unsere Verhältnisse. Wir haben schließlich keine eigenen Ölquellen.

In der Molasselandschaft zwischen Herisau und Rapperswil
     
 
     
 
     
< über den Züricher See geblickt Richtung Wägital
     
< Steg über den Züricher See

> Schwyz und das Muothatal

     
Einsiedeln
     
Am Rande von Einsiedeln - ein Stück Architekturkunst: Mario Bottas Bibliotheksbau

Über die Bibliothek — Bibliothek Werner Oechslin

BAUWELT - Die Bibliothek Werner Oechslin von Mario Botta

     
Die Mythen
     
Der höchste Punkt des Jakobsweges in der Schweiz: bei der Pilgerkapelle Haggenegg
     
 
     
Schwyz und Muotathal  
     
 
     
Auf der Schiff zum Haltepunkt Treibs

Entlang des Südrandes des Vierwaldstätter Sees
Richtung Pilatus geschaut

     
Unterhalb vom Emmetten, Blick auf die Autobahn entlang des Vierwaldstätter Sees
     
Walenstöcke im Abendlicht von Stans aus - unserem Umkehrpunkt im Mai 2014  

("Dem Wasser nunmehr meine Aufmerksamkeit darbringend, zeichnen sich die schweizerischen Seen und Flüsse durch tiefe, klare Färbung aus../ Robert Walser, Mikrogramme) Drei große Seen passierten wir, den Bodensee, den Züricher See auf dem herrlichen Holzsteg und den Vierwaldstätter See. Durch Orte kamen wir nur selten, Rapperswil war der größte. Und dort passierten wir auch gleich eine Grotte. Sie ist hineingebaut in eine ganze Treppenanlage, die hinaufführt zur zentralen Burg mitten in der Stadt. Sie diente einfach dekorativen Zwecken, um das Ganze etwas aufzulockern.

Wenn man der Seeuferstraße am Vierwaldstättersee von Beckenried Richtung Buochs folgt, dann kommt man unterwegs an der Lourdesgrotte unübersehbar vorbei. Sie wurde in den Jahren 1898/1899 errichtet auf Grund einer Verfügung von Anna Amstad-Odermatt. Im Stiftungsbrief hieß es noch, hier habe in einer "Wildnis" ein Nachbau der Originalgrotte zu stehen. "Wildnis" - was ist das? Jedenfalls nicht das, was da als gepflegte Gartenanlage heute präsentiert wird. Bei der Grotte hat man sich größte Mühe gegeben und "Karststeine aus dem Brennwald und von der Musenalp" verwendet. Wo immer das ist, das müssen hochkarätige Karstgebiete sein, wo jetzt die verwendeten Steine "fehlen". Die Verkarstung schreitet fort. Inzwischen bilden sich in der Grotte schon kleine neue Sinterröhrchen an der Decke!
Es gibt sogar eine Internetseite über die Grotte, wo man noch viele weitere Einzelheiten darüber erfährt. Ein kleiner Schönheitsfehler hat sich da eingeschlichen, der eine gewisse Witzigkeit hineinbringt: "..gleichzeitig hat man den Zutritt rosstuhlgängig gemacht.." (Mai 2014) Sind die Schweizer solche Pferdenarren, daß sie ihre lieben Haustiere unbedingt in die Nähe der Grotte bringen wollen? Oder war nicht eher an die vielen Menschen gedacht worden, die ihr Leben im Rollstuhl verbringen müssen und die Trost dort suchen?

 
     
 

Im Herbst 2014 wollen wir die Etappe durch die Schweiz fortsetzen und bis zur Grenze bei Genf kommen. Wir freuen uns darauf.


Es wurde etwas daraus. Reinhard Lemmer und ich haben weitergemacht. Erfolgreich. Unter Anstrengung all unserer Kräfte, mit einigem Glück und ziemlich gutem Wetter. Geplant war, Genf zu erreichen, wenigstens bis Lausanne sind wir gekommen. Einem verregneten Sommer folgte eine sonnige Woche Mitte September. Die nützten wir, um mit dem Auto nach Stans zu fahren. Von dort luden wir den Rucksack auf den Rücken und zogen noch nachmittags los Richtung Kerns-Sachseln. Im Haus Bethanien verbrachten wir die erste Nacht. Auf dem Weg dorthin kamen wir kurz vor Gisingen durch eine kleine Felsschlucht mit teilweise überhängenden Wänden. Natürlich wird diese Stelle vom Bauern in der Nähe für Lagerungszwecke genutzt.
Nach Flüeli-Ranft kommt in Talnähe eine schöne Lourdesgrotte, die schon über 100 Jahre alt ist. Eine weitere gibt es in der Lourdeskirche von Lungers. Die Kirche hat auch die äußere Gestalt des Originals in dem französischen Pyrenäenort.
Dann kommt der Anstieg zum Brünigpass. Direkt am Weg ist eine schmale Felsöffnung mit einer Erklärungstafel davor. Man erfährt einiges über die Geologie und die metereologischen Verhältnisse dort. Da kommt nämlich ein wechselnd starker Luftzug heraus, der man anscheinend auch schon zur Wettervorhersage genutzt hat. Bevor man dann ganz zur Paßhöhe gelangt, durchquert man ein oberirdisch abflußloses Talgebiet, offenbar eine Polje. Ein Bach strömt hinein, aber nicht mehr an der Oberfläche hinaus.
Wenn man entlang der Fahrstraße am Thuner See vor Sundlauenen wandert, dann kommt man zwangläufig am Eingang zum Gelben Brunnen vorbei. Dies ist eine bedeutende Karstquelle, die auch im Zusammenhang mit dem riesigen Siebenhengste-Hohgant-Höhlensystem im Berggebiet dahinter steht.
Bald darauf steigt der Weg steil an und führt direkt am Eingang in die Beatushöhle vorbei. Dies ist auch ein alter Pilgerweg, der seit Jahrhunderten benutzt wurde. An der Wohnung eines wichtigen Heiligen vorbei zu kommen, diese Gelegenheit ließen sich sicherlich die Pilger nicht entgehen. In die Höhle selbst scheint lange Zeit hindurch keiner gewollt zu haben. Von der steinernen Pilgerherberge sind heute nur noch die letzten Mauerreste zu sehen, gleich in der Nähe des Höhleneingangs, von dem aus man sogar den Gipfel des Eigers sehen kann.
Weiter geht es auf diesem Panoramaweg, einem riesigen Steinbruch teilweise ausweichen müssend, immer weiter, hinunter nach Merlingen.

Damit hatte es sich dann mit speläologischen Bezügen auf diesem Abschnitt in der Schweiz, der noch über 2.000 km langen Wanderung bis Santiago di Compostella.

Im nächsten Frühjahr soll es weitergehen, dann ab Lausanne.

 Flüeli
     
Felsdach bei Gisigen
     
Lourdeskapelle unterhalb von Flüeli
     
Lourdesgrotte in der Kirche von Lungers
     
Lungerersee
     
Windloch am Aufstieg zum Brünigpaß

Polje am Brünigpaß

     
Quellnische am Paßübergang

 

     
Gelber Brunnen bei Sundlauenen am Thuner See
     
Am Thunersee bei den Beatushöhlen

> Siebenhengstemassiv

     
Beatushöhle

> mehr Bilder unter

Beatushöhle

     
Reste der alten Pilgerherberge am Weg bei der Beatushöhle
Abend am Thunersee
     
 
     
In den Weinbergen oberhalb von Spiez am Thunersee
     
Stockhorn
     
Alte Hohlwege

"Römerwege"

     
Blick auf die Berge des Berner Oberlands
     
< A là Caspar David Friedrich
     
> Am Genfer See aus dem Zugfenster geblickt
     

Der Umkehrpunkt 2014 in einem Bushäuschen in Mézieres bei Lausanne

- massive Regenschauer und überfüllte Quartiere waren der Grund

 

Im März 2015 kamen wir wieder zurück, Reinhard und ich. Wir nahmen von München her das Bus, fuhren damit bis nach Zürich, wo wir in den Zug umstiegen und herrlich bequem und schnell gegen Abend in Lausanne ankamen. Reinhard hatte ein Quartier bei einer katholischen Kirchengemeinde St. Amedee vorbestellt, wir fanden die Kirche, der freundliche Pfarrer öffnete uns und wir hatten für zwei Nächte ein Dach über dem Kopf. Der erste Tag galt dem Lückenschluß zum Endpunkt unserer Wanderung im Vorjahr, dem Bushäuschen in Mézieres. Sie führte uns hoch hinaus bis in die Zone, wo noch Schnee auf den eiszeitlichen Schottenmassen lag. Zurück ging es dann bequem im öffentlichen Bus. Die Strecke hatten wir ja schon zu Fuß zurückgelegt. Nach zwei weitere Tage verbrachten wir noch wandernd in der Schweiz, wobei die Strecke entlang des Genfer Sees meist ein erlebnisreiches Schmuckstück der gesamten Strecke ist. Dann hatten wir zwischen Compesières und Neydens den eisernen Grenzbalken zu Frankreich erreicht und unkontrolliert einfach weiter.

Zurück beim Umkehrpunkt 2014 im März 2015

Auf der Höhe noch Schnee

     
 Am Genfer See
     
 Auf den Wegen oberhalb des Sees
     
Straßencafe in Genf

Die Jakobsmuschel an der Fassade des Hauses Place du Bourg-de-Four 21 in Genf

     
Am Grenzübergangspunkt nach Frankreich > Der Jakobsweg in Frankreich

 


Literatur:

Blum, Jolanda Jakobswege durch die Schweiz, Ott Verlag, 7. Auflage, Bern 2007
Engel, Hartmut Schweiz: Jakobsweg vom Bodensee zum Genfer See, 5. Auflage, 2008
Flori, Renate Jakobswege Scheiz - Von Konstanz, Rorschach und Rankweil bis Genf, 36 Etappen, Rother Wanderführer, München 2011
Hanna, Monika Der Schweizer Jakobsweg  vom Bodensee zum Vierwaldstättersee, terra magica, München 2014
Meier, Pirmin Schweiz - Geheimnisvolle Welt im Schatten der Alpen, Goldmann Verlag, München 1993
Walser, Robert Mikrogramme, Bibliothek Suhrkamp, Berlin 2011

Links:

Wir pilgern auf dem Jakobusweg
http://www.jakobsweg.ch/de/schweizer-jakobsweg.html
Schweiz » Jakobsweg
Hanna / Der Schweizer Jakobsweg vom Bodensee zum Vierwaldstättersee
Speläologisches am Jakobsweg


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