Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Speläologisches im Steinernen Meer - Bayerische Seite
Zugefrorener Königssee / Salzgrabenhöhle
"Meer, das steinerne.
So heißt ein höchst merkwürdiges Felsentheater im tieffsten Stüden von
Berchtesgaden, das sich auf der Grenze von diesem Lande und von Salzburg
aufthürmt, und vollkommen würdig ist, von Naturforschern, und besonders von
Geologen besucht zu werden..
Wirklich vernimmt man am Fundensee, wenn man in der Nähe der Felswand
das Ohr zur Erde neigt, das dumpfe Getöse fallender Gewässer. Auch in der
nahen Grotte der Teufelsmühle hört man ein Sprudeln, ähnlich dem von
auffallenden Wogen."
Cammerer, Naturwunder 140
Wimbachgries - Richtung Hundstod - Kärlinger Haus - Königsee - Wimbachgrie
Zu den Berchtesgadener Alpen gehören 9 Gebirgsstöcke. Der größte davon ist das Steinerne Meer. Über die Größe gibt es unterschiedliche Angaben. Bei WIKIPEDIA sind es 260 km², die sich auf ein salzburgisches und ein bayrisches Gebiet aufteilen. Der höchste Punkt ist auf dem Gipfel des Selbhorns in 2.655 m erreicht, der tiefste Punkt ist mit dem Spiegel des Königssees in 602 m Höhe erreicht.
Lange Zeit blieb das Steinerne Meer höhlenkundlich ziemlich jungfräulich. Das galt sowohl für die Salzburger wie die Bayerische Seite.
Das lang für einige Jahre sicherlich auch daran, daß sie die
Nazigrößen das Gebiet um die Wasseralm "gesichert" hatten. 1936
hatte Hermann Göring, Reichsminister, Reichsjägermeister und Oberster
Beauftragter für den Naturschutz, dekretiert, daß man auf der Röth ein
Habitat für den Steinbock, diesem "urdeutschen Wild", einrichten
solle, damit diesem "wieder ein Heimatrecht verschafft würde".
Dazu wurde dort ein 15 Hektar großes Gehege eingerichtet und eine eigene
Jagdhütte für den Herrn errichtet, ausgeschmückt von einer norddeutschen
Künsterlin aus Worpswede. Zum Transport des Futters wurde eine eigene Seilbahn
vom Obersee hinauf zur Röth errichtet. Erst 1944 wurde das Gatter geöffnet und
die Tier in die freie Wildbahn entlassen (vgl. Bielicki 51).
Nur wenige Objekte, die meist nahe der wenigen Wege durch die Karstfläche
liegen, waren auf der Bayerischen Seite bekannt: das Schradlloch am Königssee,
die Teufelsmühle am Funtensee, die Schrainbach-Naturbrücke, die
Grünseehöhle, die Seensteighöhle und die Hirschkogelhöhle, 1942 von Czoernig
gefunden und "plangezeichnet". 1954 soll die
"Wildererhöhle" am Schneiber von einem Grenzbeamten gefunden worden
sein. Sie war wohl ein beliebtes Wildererversteck, was zum Vorschein kam, als
1957 die Salzburger Höhlenforscher Volkhard und Gernot Marx auf einen Hinweis
vom Hüttenwirt des Funtenseehauses, Anton Ilsanker, einmal nachschauten und die
abgeschnittenen Schädel von 7 Gemsen fanden.
Eine ziemlich "sagenhafte" Höhle scheint Josef Kyselak1829 besucht zu haben, das "Walchhütten-Windloch". Nach der wird, vielleicht, heute noch gesucht. Wer die spannende Geschichte lesen will, der kann das im Salzburger Höhlenbuch Band 2, S. 292ff. tun!
Erst mit der Entdeckung der Salzgrabenhöhle 1959 änderte sich langsam etwas, weil danach auch an der Oberfläche etwas mehr herumgeschaut wurde und z.B. die Simetsberg-Eishöhle entdeckt wurde. Toni Müller unternahm eine Tour über die Wasseralm mit "Klaus" zur Moosscheib und zurück zum Königssee. Eine Tour im Herbst 1969 brachte den Durchbruch. Georg Kellerer und Toni Müller, die sich bis heute als Mentor der gesamten Steinerne-Meer-Höhlenforschung profiliert hat, unternahmen eine erste Suchtour von Norden her ins Gebiet um das Rotwandl und brachten spannendste Nachrichten und einen Bärenschädel aus einer Höhle von dort oben mit. Im Jahr darauf ging die Forschung richtig los. Ständig waren Forscher aus München an anderen Stellen des Massivs anzutreffen, im Sommer fand gleich die erste Forschungswoche mit zwei autarken Gruppen statt - eine am Schäferhüttl und eine auf dem Kärlingerhaus. Danach weitete sich das alles immer mehr aus. Es sprach sich herum, daß es dort viel "Neuland" zu entdecken gäbe und das lockte viele andere - aus Deutschland und dem Ausland. Nürnberger, Schwaben, Sauerländer, Ungarn, Engländer, Polen....
Allerdings blieben die großen Entdeckungen lange Zeit eher aus. Kilometerlange Höhlenobjekte wurden anfangs nicht gefunden. Das änderte sich erst mit der Erforschung der Monsterhöhle im Westen im Schindelkopfgebiet, das aber schon auf Salzburger Gebiet liegt.
Inzwischen sind verschiedene Regionen schon gründlich untersucht: Schneiber (Stand 2004: 154 Höhlen dokumentiert, längste: Latschencanyon 2762 m, Glaseishöhle 1914 m), Viehkogel-Nordseite, Glunkerer, Hirsch, Schottmalhorn, Unsünniger Winkel, Leiterkopf......und schöne Erfolge erzielt worden. Herbert Reiser erstellte eigene Gebietskataster und markierte die Höhleneingänge mit grünen Zeichen (Lammerer, 1994, S. 75)
Erst mit der gründlichen Erforschung des Leiterkopfgebiets und der Erkundung des Schneebläsers wurde der größe Durchbruch im Ostteil des Gebietes erzielt. Stand Dez. 2020 lt. VdHK-Liste: 7.185 m Länge, T - 250 m.
Eine Bemerkung aus dem Buch "Höhlen und Karst in Österreich", das aber halt auch hier wichtig ist, weil sich die Gebirgsstöcke um unsere menschlichen Angelegenheiten herzlich wenig kümmern: "Die Zahl der Höhlen im Steinernen Meer beträgt nach den Unterlagen des Landesvereins für Höhlenkunde in Salzburg etwa 830, wobei die Unterlagen über die auf deutschem Gebiet liegenden Höhlen unvollständig sind." Denneborg, Steinernes Meer 514
...wird fortgesetzt
|
Eingang Äha-Lisi-Steinwälzer-System | |
Richtung Viehkogel |
Literatur:
Abel, Gustave | Salzburger Höhlen 1963 - Ergänzung zu Czoernig "Die Höhlen Salzburgs 1926", Haus der Natur Salzburg |
Bielicki, Jan | Der Schatz der Berge, SZ Nr. 88, 17./18.02.2021, S. 51 |
Burghardt, Joachim | Vergessene Pfade um den Königssee, Bruckmann-Verlag, München 2009 |
Cammerer, Anseln Andreas Caspar | Naturwunder, Orts- und Länder-Merkwürdigkeiten des Königreiches Bayern für Vaterlandsfreunde, sowie für kunst- und naturliebende Reisende, Kempten 1832 |
Cramer, Klaus | Forschungswoche Steinernes Meer -Tagebuchnotizen für die Zeit vom 28.9 mit 30.9.1970, Der Schlaz 3-1970 |
Denneborg, Michael | Steinernes Meer, in: Spötl, C., Plan, L., E. Christian (Hrsg.), Höhlen und Karst in Österreich. - Linz 2016 (Oberösterreichisches Landesmuseum): 509-518 |
Grubert, Christian | Die Teufelsmühle am Funtensee, Jahresbericht 1992 Speleogruppe '86, S. 84-86 |
Gümbel, C.W. von | Geognostische Beschreibung des bayerischen Alpengebirges und seines Vorlandes, hrsg. v. k. bayerischen Staatsministerium der Finanzen, Gotha 1861 |
Göksu, Dr. Yeter, Lindenmayr, Franz | Thermolumineszenzdatierungen von Sinterstücken aus Höhlen der Berchtesgadener und Salzburger Alpen, DER SCHLAZ 68-1992, S. 52ff. |
Grubert, Christian | Die Riesenhöhle Rote Pumpe, Mitt. Verb. dt. Höhlen- und Karstforsch. 48 (4), München 2002, S. 96-97 |
Grubert, Christian | Das Äul - ein neuer Höhlenpark im Steinernen Meer, Atlantis 1-1993, S. 40ff. |
Gümbel, C. W. von | Geognostische Beschreibung des bayerischen Alpengebirges und seines Vorlandes, hrsg. v. k. bayerischen Staatsministerium der Finanzen, Gotha 1861 |
Hülsmann, Thomas | Exkursion Schnittlauchköpfe/Äul 1993, Atlantis 2-1994, S. 8ff. |
Kellerer, Georg | Höhlensuchtour "Steinernes Meer" vom 3.-5.10.1969, Der Schlaz 2-1970 |
Köpf, Matthias | Der Schnaps, der aus der Kälte kommt, SZ Nr. 161, 15./16. Juli 2023, S. R16 |
Kraus, Dieter | Höhlenforschung im Steinernen Meer, Versuch einer umfassenden Darstellung, Atlantis 1-2, Salzburg 2000, 3-39 |
Kujat, Richard | Steinernes Meer 1988, Der Schlaz 58-1989, D. 53ff. |
Kyselak, J. | Skizzen einer Fußreise durch Oesterreich, Steiermark, Kärnthen, Salzburg, Berchtesgaden, Tirol und Baiern nach Wien, nebst eine romantisch pittoresken Darstellung mehrerer Ritterburgen und ihrer Volkssagen, Gebirgsgegenden und Eisglätschern auf dieser Wanderung, unternommen im Jahre 1825 von Josef Kyselak, 1. Theil 1829, zweiter Theil 1829 |
Lammerer, Peter | Chronik der Höhlenforschung in Berchtesgaden seit 1975, Der Schlaz 74-1994, S. 74ff. |
Lammerer, Peter | Forschungsfahrt zum Schneiber, DER SCHLAZ 44-1984, S. 18f. |
Lammerer, Peter | Hagengebirge und Steinernes Meer - neue Höhlen, neue Fragen, Der Schlaz 50-1986, S. 20-21 |
Lammerer, Peter | 3. VHM-Forschungslager Funtenseetauern und Hirsch (August 1992), Der Schlaz 68-1992, S. 26ff. |
Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg | Salzburger Höhlenbuch, Band 2, Salzburg 1977 |
Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg | Salzburger Höhlenbuch, Band 6, Salzburg 1996 |
Langenscheidt, E. | Höhlen und ihre Sedimente in den Berchtesgadener Alpen, Nationalpark Berchtesgaden, Forschungsbericht 10, Berchtesgaden 1986 |
Lehner, Siegfried | Forschungslager Funtenseetauern 1986, Der Schlaz 48-1986, S. 50-51 |
Lehner, Siegfried | Forschungslager Funtenseetauern, Der Schlaz 50-1986, S. 30ff. |
Lindenmayr, Franz | Rätselhafter Fund im Steinernen Meer, Der Schlaz 3-1970 |
Müller, Toni | Liste der Höhlen des Steinernen Meeres. 2. Teil, Der Schlaz 4-1971 |
Müller, Toni | Steineres Meer, DER SCHLAZ 117-2011, S. 8-18 |
Müller, Toni | Steinernes Meer: Suche nach der verschollenen Walch-Wind-Höhle! Oder: Es kommt immer alles ganz anders..., Der Schlaz 59-1989, S. 13ff. |
Ronge, G. | Bericht über eine neue Höhle in der Moosscheibe (St. Meer), Der Schlaz 2-1970 |
Triller, A. | Neue Höhle an der Moosscheibe entdeckt (Steinernes Meer), Der Schlaz 2-1970 |
Triller, A. | Forschungswoche Steinernes Meer: Protokoll Funtenseetauern und Hirschkogel, Der Schlaz 3-1970 |
Triller, A. | Steinernes Meer 71 - Kurzbericht, Der Schlaz 5-1971, S. 27 |
Verein für Höhlenkunde in München | Münchner Höhlengeschichte, München 1982 |
Voigt, Stefan | Expedition Schneiber 1993, Atlantis 2-1994, S. 7ff. |
Voigt, Stefan | Schneiber 1994, Der Schlaz 76-1995, S. 34 |
Wolf, Andreas | Ergebnisse aus dem Steinernen Meer, Der Schlaz 53-1987, S. 36-37 |
Links:
https://www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de/
[ Index ] | [ Englisch version ] | [ Höhlen und Höhlengebiete ] | [ Kunst ] |
[ HöRePsy ] | [ Höhlenschutz ] | [ VHM ] | [ Veranstaltungen ] | [ Links ] |