Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Causse Noir, F
Dieser 200 km² große Teil der grande Causses hat seinen Namen wohl von den Kiefernwäldern bekommen, die einen Großteil des eher flachen Landstrichs bedecken, der im Süden vom tiefen Tal der Dourbie und im Norden dem ebenso tiefen der Jonte begrenzt wird. Es gibt nur ein paar Orte auf dem Kalkplateau, Revens, Lanuéjols, Vessac...., was die geringe Besiedelungsdichte hier wiederspiegelt. Wer Einsamkeit sucht, der findet sie hier oft. Nur an einem Ort nicht, der der touristische Hauptanziehungspunkt der Region ist: Montpellier-le-Vieux, Europas "Antwort" auf die "Steinwälder" etwa in China.
Aus der Sicht eines Höhlenforschers ist der Causse Noir ein
äußerst spannendes Gebiet. Eine Schauhöhle gibt es, die Grotte
de Dargilan, an der Nordflanke zur Jonte zu. Sie läßt zumindest
ahnen, was für ein gewaltiges speläologisches Potential hier
vorhanden ist. Durch die Neuentdeckungen im Aven Noir, einer
eigentlich schon lange bekannten Schachthöhle, ist sie zur
längsten Höhle der ganzen Region aufgerückt. Und viele der
tiefsten liegen auch hier, Aven des Patates, Aven du Puech
Negre....
Ein Blick auf die überall erhältliche IGN-Karte 2641 OT Millau
genügt. Hier ein Höhlenzeichen, dort eines... Man muß sich nur
auf den Weg machen. Und der ist oft steinig, verwirrend, unklar.
Aber das gehört zum Spiel, auf das man sich einläßt, wenn sich
fern der Heimat aufmacht, altbekannte Höhlen selber mal
aufzusuchen.
Ein Blick auf die Karte. Am Weg zwischen le Maubert und Longuiers zweigt mal nach rechts ein Forstweg ab. Ganz nah an dieser Stelle muß in der Gabel eine Höhle sein: "Aven de Fourques". Die Einzeichnung ist korrekt, was ja keineswegs von allen Eintragungen von Höhlen auf Landkarten gesagt werden kann. Ein bißchen Herumsuchen im Unterholz, der ausgetretene Pfad ist gerade mit einem Haufen abgeschnittener Zweige "unkenntlich" gemacht, das zeigt sich schon die Vertiefung in der Erdkruste. Wir gehen nur bis zu dem Punkt, wo ein Blick in die Tiefe möglich ist. Man muß nicht jeden Schacht, der sich vor einem auftut, auch wirklich selber "machen".
Es macht Spaß, mit Hilfe der Karte, wenigstens die Eingänge
der Höhlen zu lokalisieren. Ein wenig gleicht das schon dem
modernen Geocashing, aber es hat einfach einen ganz anderen Bezug
zu unserem materiellen Lebensraum, diesem winzigen Planeten im
unendlichen Weltall. Wenn du die Höhle findest, was kenneswegs
sicher ist, dann hast du wirklich wieder einen eingelochten,
nicht verrückbaren Ankerpunkt (Hat nicht das Golfen auch einiges
von dieser psychologischen Qualität?). Wir haben es noch einmal
probiert mit dem Aven du Valat Negre. Er ist auf der Karte
eingezeichnet, nicht weit weg vom Wanderweg GR 62. All diese
kleinen Hinweise sind sehr wertvoll, weil es sie überhaupt gibt.
Wenn man immer wieder im Gelände "herumstochert" auf
der Suche "alter Höhlen", der kennt dieses
aufregend/unangenehme Gefühl. Wo ist es bloß, dieses S...loch?
Du suchst und suchst und findest es einfach nicht! Das gibt es
doch einfach nicht! Der Soundso war auch schon dort - aber dich
trennt deine Unkenntnis davon. Ohne GPS-Koordinaten, vielleicht
auch mit. Mir macht das immer großen Spaß, so eine wirkliche
Reise zu unternehmen. Nicht ganz genau zu wissen, wohin es geht,
sich ein wenig treiben lassen, mal sehen, was da so links und
rechts vom Weg liegt. Vielleicht finde ich ja ganz was Neues, was
noch keiner vorher gefunden hat. Alle sind so konzentriert und
nur wenige schauen sich um.
Ab einem gewissen Punkt war klar, wo die Höhle lag. Eine
Felssenke war da links von mir. Ich ging noch etwas weiter und
blickte auf einmal auf einen freie Fläche mit einem blauen
Plastikfaß. Wie das wohl hierher kam und nicht mehr weg?
Der Weiterweg war klar. Zurück und hinein in die Senke.
Unübersehbar: ein Eisenbalken. Ein Blick in die Tiefe. Der
"Aven du Valat Negre". Wenigstens akustisch haben wir
diesen Ort erlebt: Ein Baumstamm wurde in die Tiefe geworfen.
Lange Nichts, dann Klang und Klang und Klang. Dann Stille.
Später erst hab ich von einem weiteren Teil der
"Wahrheit", die ja immer gerne ein "Ganzes"
ist, gelesen. Dort unten hatte sich Veronique LeGuen zu ihrem
Langzeitaufenthaltsversuch in einer Höhle zurückgezogen!
Respekt. Und vollkommen spurlos für uns Heutige an der
Oberfläche.
Mir bereitet es schon Lust, das zu finden, was andere vor mir
vermocht haben, zu finden. Wer sich einen "Führer"
leistet, leisten kann, gut, der ist in einer finanziell guten
Situation, was aber überhaupt nichts mit seinen persönlichen
Fähigkeiten zu tun hat. Kleine Geister, große Geldbeutel. Aber
das "Geld" ist wirklich nicht alles, in vielen Momenten
des Lebens echt nebensächlich. Da zählen ganz andere
Qualitäten. Zum Beispiel das "Wissen". Das verstehbare
"Wissen". Wenn das nämlich in der Heimatsprache nur
zur Verfügung steht - dann genügt nicht nur ein Anfängerkurs
an der örtlichen Volkshochschule!
Einen Höhleneingang, den wir aufgesucht haben, war der Zugang
zum Aven des Patates. Auch er ist in der IGN-Karte eingetragen
und liegt in der Nähe von Vessac nahe der Straßenkreuzung der D
29 lmit der D 584. Man muß sich nur etwas südlich halten und
zum Grund einer flachen Doline streben, in der im Sommer
Kartoffeln angebaut werden. Er ist vollkommen unspektakulär und
eher unauffällig. 1974 wurde er geöffnet, nachdem der
Grundbesitzer den Hinweis auf eine bewetterte Öffnung begeben
hatte. Man kam gerade mal 5 m in die Tiefe. Erst 1985 begannen
dann Höhlenforscher aus der Umgebung, mit Hilfe moderner
Sprengmethoden sich tiefer in den Berg zu arbeiten. Der
Hauptmotor dieser Aktivitäten betreibt heute, nicht weit davon
entfernt, ein Gîte, Hervè Bosch. Ein enger Mäander mußte
mühsamst geöffnet werden, es ging aber immer tiefer. Am 11.
November 1986 war es schließlich so weit - der Durchbruch war
fast geschafft. Am 17. November erreichte die erste Gruppe den
großen Kollekteur und damit - 255m. Im Gefolge wurden große
weitere Gangstrecken gefunden, die zu dem "réseau
Corp" zu gehören scheinen, dem vermuteten
Riesenhöhlensystem im Innern des causse Noir.
Steht man am kleine Höhleneingang, dann ahnt man wirklich nicht,
was sich da in der Tiefe verbirgt, kein Gitter, keine
verschließende Eisenplatte, nichts, nur Natur.
Nordöstlich von besagter Straßenkreuzung liegt noch ein
Höhlenobjekt, in der Karte schlicht als "Grotte"
eingetragen. Wir hatten im April 2010 so unsere kleine Not, sie
wirklich zu finden. Denn es stehen ja nirgends eindeutige
Schilder die darauf hindeuten, auch die diversen Hinweise der
Landkarte muß man erst einmal entschlüsseln, ehe man sie
wirklich versteht. Das macht aber nichts, denn so schärft man
seine Sinne und schaut ganz genau hin - vielleicht findet man ja
doch einmal was, was andere vor einem noch nicht gefunden haben.
Ganz ausgeschlossen ist das ja auch in gut abgegrasten Gebieten
auch nicht, denn es passieren ja immer wieder plötzliche
Einbrüche in der Erdkruste. Vielleicht ist man ja da gerade am
"richtigen" Ort und zum "richtigen"
Zeitpunkt!
Wenn man mal wirklich weiß, wo man ist, dann ist alles auf
einmal wieder ganz "klar". Gleich neben einem wohl
uralten Fahrweg durch den causse Noir verbirgt sich in einer
Buschgruppe der schachtartige Eingang in die Höhle. Der Zugang
ist denkbar einfach, denn man durch eine flache Rampe gut
hineinsteigen. Was wir allerdings dort entdeckt haben, das zeigt
auch an diesem Beispiel wieder, daß man nie sicher sein kann,
was da auf einen "wartet". Zwei Gänge gingen da
auseinander und im Lichte unserer spärlichen Lampen war nicht
viel zu sehen, bis.... bis das Licht auf einen Gegenstand fiel,
den wir nun wirklich hier nicht erwartet hätten. Es war keine
uralte Lehmstatue mit einem Diamanthalsband, keine Holzkiste,
gefüllt mit Brillianten und Rubinen, nein, es war die Karosserie
eines alten Autos! Wie dieses Dinge hier überhaupt
hineingebracht werden konnte? Da war wohl nicht so einfach.
Und es wird wohl nicht für alle Ewigkeit hier liegen - oder? Wie viele Menschen haben nicht in Höhlen ihre letzte Ruhestätte gefunden! Hat hier vielleicht ein "echter Autoliebhaber" seinen "Liebling" beerdigt? Heute werden ja aus den Höhlen der Erde auch die Überreste der alten Menschen herausgeholt und irgend etwas damit gemacht - heute heißt das "Wissenschaftliche Forschung". Aber wie steht es mit der "Totenruhe"? Was geht vor?
Am Ende wird irgend jemand mal ein großes Museum eröffnen, wo er all die alten Autowracks, die in die Höhlen befördert wurden, aus welchen monetären oder sentimentalen Gründen auch immer, wieder zusammenführt!
Espinassous ist ein winziger Ort im östlichen Abschnitt der Causse Noir. Ein einspuriges Sträßlein führt hin und endet zwischen dem, was von einstiger Schloßpracht noch übrig ist, und einigen landwirtschaftlichen Anwesen und deren abgelegtem Gerümpel. Besuchenswert ist hier eigentlich nur die heute wieder verschlossene Höhle. Sie liegt in den Felswänden unterhalb des Schlosses und ist über einen alten breiten Fahrweg unschwierig zu erreichen. Auf den ersten Blick scheint es da eine Verbindung bis ins Tal der Trevezel zu geben, aber plötzlich ist Schluß. Eine Wendeschleife ist da noch, dann geht nichts mehr weiter. Ein breiter und gerade mannshoher Höhleneingang ist abgemauert und mit einer Tür versehen. Ein Blick zwischen den Stäben zeigt, daß es in Richtung eines größeren Raumes geht. Da drinnen steht die ehemalige Käserei, die in der Form einer Kapelle ähnelt.
Am Weg nach Espinassous | ||
Gut übernachten läßt sich auf dem causse Noir in der Gite
d'étape in Cadénas. Je nach Komfortanspruch kann man auch in
Zimmern übernachten oder in Doppelstockbetten in einem
Schlafsaal. Wer sich gerne bekochen läßt, der kann im
Restaurant speisen und neben einem offenen Kamin speisen. Geboten
wir gute französiche Küche in mehreren Gängen.
Geführt wird das Ganze von Hervé Bosch, einem sehr erfahrenen
Höhlenforscher, und seiner Frau.
Wenn man sich dort als an Höhlen Interessierter zu erkennen
gibt, dann erfährt man eine herzliche Aufnahme und es kann einem
passieren, so wie uns, daß man dann auf einmal in der Frühe ein
Extraseil am Geländer zum Mitnehmen vorfindet, falls man zu
wenig Ausrüstung für die ausgewählte Höhle in der Umgebung
dabei hat.
Literatur:
Balsan, Louis | Grottes et Abimes des Grands-Causses, Millau 1950 |
Gauchon, Christophe | Des cavernes & des hommes, Chambery 1997 |
André, Daniel | Lozère des Ténèbres, éditeur: Speleo-Club de la Lozere, Marvejols 1992 |
Speleo-Club des Causses | Exploration Caussenarde, Millau, 1984 |
Minvielle, Pierre | Guide de la France souterraine, Les Guides Noirs, Tchou, Éditeur 1970 |
Michelin | Causses Cévennes - Bas Languedoc, Clermont-Ferrand 1974 |
Salvayre, Henri | Le monde souterrain du pays de Grands Causses - Un fabuleux héritage, Éditions du Beffroi, Imprimery Maury 2007 |
Rocher, Jean-Louis | L'Aven des Patates, Spelunca n° 28 / 1987 / p 24-27 |
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