Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
grotta di San Giovanni,
Sardinien, I
- mit dem Auto in die
Unterwelt, früher einmal
"Then suddenly the car plunged into a tunnel and emerged into another world, a vast... world"
Aldous Huxley, After Many a Summer
Es gibt viele Wege in die Unterwelt. Meistens geht es zu Fuß, aber es gibt auch Ausnahmen. Zu den eher ungewöhnlichen gehören die Höhlen, wo man mit dem Auto hinein und wieder herausfahren kann. Die Zahl dieser Gelegenheiten läßt sich mit den Fingern einer Hand angeben. Ein sehr bekanntes Beispiel dafür liegt am Nordrand der Pyrenäen, die Höhle von Mas d'Azil.
Eine Tunnelhöhle mit Straßendurchfahrt gibt es noch wo anders in Europa, auf Sardinien, die Grotta di San Giovanni. Sie liegt in der Nähe von Domusnovas im Südwesten der Insel. Auf der S.S. N.130 tut sich plötzlich vor dem Autofahrer ein großer Höhlenrachen auf, der ihn einfach verschluckt. Man macht das Licht an und durchquert den Berg bequem, geführt von den Leitplanken an den Straßenrändern. Wen es nicht interessiert, der ist gleich wieder durch. Der Straßenverkehr, besonders der der Lkws, haben dazu geführt, daß in Straßennähe viel viel Staub überall verteilt ist und die Höhle einen verdreckten Eindruck macht. Früher gab es am Eingang sogar eine Bar und eine Pizzeria, aber die hat längst wieder aufgegeben.
Viel mehr hat man von der Höhle, wenn sie zu Fuß durchquert. Da gibt es auch die Gelegenheit ist einen großräumigen Seitenteil in der Mitte des Tunnels hineinzuschauen. Schon in der Nuraghenzeit war die Höhle durch große Mauern befestigt, von denen man noch heute Reste sehen kann. Auf eines Kapelle des heiligen Johannes soll es mal gegeben haben, aber die Spuren davon sind längst vergangen.
Wir leben in einer Welt voller Veränderungen. Das war ich da oben geschrieben hatte, das hat mal gestimmt. Heute nicht mehr. Heute, das ist gerade der 27. Februar 2007. Vor einer Woche noch war ich mit meiner Familie in Sardinien. Es schüttete aus allen Kübeln (cats and dogs raining), als wir von der geschlossenen Su Mannau aufbrachen, dann einen Zwischenstop (ich bleibe bei der "Alten Rechtschreibung") beim Tempel von Antas einlegten und ich zu überlegen hatte, was wir denn sonst noch unternehmen wollten bei diesem "Sauwetter". War nicht der Gedanke, eine 1 km auf dem Normalweg messende Höhle zu besuchen, ein idealer Gedanke? Ein Felsdach über dem Kopf zu haben, durch das es nicht so leicht hineinregnete? Mindestens trockenen Fußes zu sein? Nach ziemlich viel Herumfahrerei mit Umkehrschleifen in einsamen, aufgegeben scheinenden Bergdörfern, nachdem ihre Blütezeit nach dem Bergbaubomm vorbei zu sein scheint, erreichten wir über Domusnovas tatsächlich die Höhle. Die Beschilderung dorthin ist sehr dürftig. Immer wieder beschlichen mich Zweifel, ob ich wirklich "richtig" sei - bei aller Herumdenkerei, daß doch der "Umweg" den wahren Weg darstelle. Immerhin war da eine Superstraße, begleitet von einem Supergehweg, beleuchtet von massiven Straßenlaternen. Da mußte doch irgendwann was Besonderes kommen. Das Unkraut wuchert inzwischen schon drüber und der einzige Fußgänger, den wir sahen, der ging auch lieber auf der Fahrstraße, aber immerhin, es gab da so ein "Zeugnis des Fortschritts". Dieses Wort ist langsam wirklich abgenutzt bis zum Ansatz, aber wahrscheinlich aus EU-Geldern finanziert als "Zukunftsinvestition.
Am Ende kamen wir an einem kleinen Parkplatz an. Dort stand so ein 4Wheeler, irgendwas von Adventure. Ein Fußgängerschild und ein Steinpfosten. Eine neue Zeit. Keiner fährt heute mehr durch die Höhle. Ende der Ära des Automobils im Untergrund? Julia, unsere Tochter, assoziierte sofort, daß es wohl nicht mehr lange dauern würde, bis das Betreten der Höhle Euros kosten würde. Momentan ist es noch kostenfrei. Wohl aus dem Gemeindesäckel noch bezahlt, die Energie für den Betrieb der Elektrolampen. Die Durchquerung war ein Erholungserlebnis. Keine Angst mehr, wenn man zu Fuß unterwegs war, daß einem ein Autofahrer seine weltliche Wichtigkeit dadurch zeigen wollte, daß er dringenst an einem anderen Ort jenseits der Höhle gebraucht wurde. Eine Pfadfindergruppe kam uns entgegen, die in der Höhle verschiedene Stationen zu passieren hatte. Was für ein friedlicher Moment...
Die neue Zeit | |
Auch das ist leider ein Zeichen der "Neuen
Zeit" - Verbote, wo man einst einfach hineinlaufen konnte, belegt mit ernsten Verwarnungen für den Fall, daß man sich nicht der symbolichen Geste eines Gitters zufrieden geben würde |
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Es gibt noch einen Ort auf unserer Erde, wo man
mit dem Auto durch den Berg fahren kann. Dazu muß man nach
Australien in die Jenolan
Caves.
Oder nach Asturien in Nordspanien
Literatur:
Denegri, Paolo, Ramella, Luigi | La Spelelogia Veicolare. Instruzioni per l'Uso. SPELEOLOGIA 20, 1989, S. 36f. |
Striniati, Pierre | La spéléologie véhiculaire, Grottes & Gouffres, n.69:5-8 |
Vittoria, Verole, Bozzello | Le Grotte d'Italia, Bonechi Editore, Florenz 1970 |
Deubner, Christian | Eine gewöhnliche (?) "Befahrung" der Grotta San Giovanni di Domusnovas, Der Schlaz 27-1979, S. 27 |
Links:
Jenolan Caves / New South Wales / Australien
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