Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Laos 2017 / Pha Soung System Projet und mehr
Landschaft und Höhlen bei Thakek, Khammouane-Provinz, Laos
Die Tham Phisua, Thakek-Region, Khammouane, Laos
Das Höhlensystem Tham Khoun Don - Tham Houay Say
"Ab sofort bist du kein Mitglied der Expedition mehr. Du hast mich kritisiert. Bis 9 Uhr hast du Zeit, das Gelände zu verlassen." Liviu Valenas
Diese drei Sätze von Liviu Valenas, gesprochen um 6.20 Uhr am 23. Februar 2017, veränderten mit einem Schlag die gesamte Situation. Ich stand auf, eilte hinüber in den Buddha-Tempel, in dem ich 3 Wochen in einem kleinen hundehüttenartigen blauen Zelt zugebracht hatte, packte meine sieben Sachen in Windeseile zusammen, zog den Schlafsack und die gelbe Liegematte aus dem Zelt, auch die staubigen Bergstiefel mußten noch mit, dann war schon Zeit, zum Treffpunkt mit dem kleinen Schulbus zu laufen, der schon heranfuhr. Meine Höhlenphotosachen wurden mir vom Sohn des Dorfvorstehers noch vom Essplatz freundlicherweise heruntergebracht, dann schloß sich auch schon die Bustür, 7.30 Uhr war es. 2 Schüler waren auch schon eingestiegen, ohne Abschiedsgruß war ich losgeeilt, erleichert diesem Camp entkommen zu sein, plötzlich tauchte in mir der Ausdruck "Gulag" auf, was sicherlich zu scharf negastiv aufgeladen ist. Nichts verband mich mehr mit dieser sog. "Höhlenexpedition".
Schöne Tage verbrachte ich dann noch in Thakek, machte auch noch einen Radausflug zu einigen bekannten Höhlen in der Umgebung, unternahm täglich lange philosophische Spaziergänge mit Eduardo aus dem Engadin, der sich gerade seine Zähne zum halben Preis als in Europa in Saigon richten ließ und ausgerechnet am selben Tag wie ich geboren worden ist, entlang des Mekongs, freute mich schließlich, wieder zurückreisen zu können. Eine strapaziöse Zeit lag vor mir, erst mit 2 Bussen mit Wartezeiten 24 Stunden unterwegs nach Bangkok, dann mit zwei Flugzeugen von Etihad über Abu Dhabi zurück nach München. Gewürzt wurde das Unternehmen dann von einem 4 1/2stündigen Extra-Aufenthalt wegen Nebels in Abu Dhabi kurz nach Mitternacht bis in den frühen Morgen. Wenigstens die S-Bahn in München war pünktlich.
Zurück zum Anfang. Auf der Verbandstagung in Rübeland 2016 hielt Liviu einen Vortrag über die letzte Pha Soung-Expedition 2016. Ich bekam mit ihm Kontakt, er akzeptierte mein Interesse, schrieb wohl an die 100 Höhlenforscher in Deutschland an - und ich war der einzige, der darauf positiv geantwortet hat. Langsam bekam ich etwas von dem Vorhaben mit, auch von den Seltsamkeiten. Im Vorjahr waren schon einmal 4 Personen mit Liviu dort unterwegs gewesen - und keiner kam wieder. Warum nur? Ich arrangierte alles, bezahlte alles. Es konnte losgehen.
Der Umschwung begann schon in der letzten Nacht vor der Abreise. Da hatten alle Teilnehmer auf einmal ein Email bekommen mit dem Titel "Internal Regulation of the International Caving Expedition Laos 2017 - Pha Soung Project". Der Augenblick war sicherlich absichtlich gewählt. Alles war gebucht, bezahlt, gerichtet. Wer konnte da noch zurück? Das war schon eine Art von Erpressungssituation, in die ich da, und alle anderen, geraten war. Hätte ich den Text schon von Anfang an gekannt, dann hätte ich keine weitere Minute darauf verwandt, da noch weiter mitmachen zu wollen. Ich begann bereits, Alternativszenarien zu entwickeln, z.B. eine Weiterreise nach Kambodscha einzuplanen.
Ich traf Liviu und Mailiwan auf dem Flughafen in München. Dort gab er mir ein Höhlenseil, das ich in meinem Gepäck mitnahm, weil ich noch Platz dafür hatte, und gab es ihm in Bangkok wieder zurück. Auf dem zweiten Teil der Reise, die in Abu Dhabi begann, saßen wir nebeneinander ("Ich bin Millionär", sein Satz von ihm - eine Angabe der Währungseinheit fehlte). Meine Entfremdetheit war sicherlich zu spüren. In Bangkok trennten sich sofort wieder unsere Wege. Liviu hat ja familiäre Beziehungen über Maliwan nach Thailand, ich schlug mich über die Flughafen-S-Bahn, die, wie überall zu sehen ist, von SIEMENS stammt, und einen weiteren Zweig des öffentlichen Schienensystems zu meiner Unterkunft, dem NICE PALACE HOTEL, durch. Glücklicherweise gibt es heute MAPS.ME. Da wurde mir der Weg durch die Schattenseiten modernen Lebens sicher gezeigt.
Am nächsten Morgen traf ich Peter Lenahan aus New York zum
ersten Male im Frühstücksraum des Hotels. Er war ja schon einige Tage hier und
recht aktiv gewesen, um alles einzukaufen, was nach Gesprächen mit Liviu
angeblich sinnvoll war. Am Ende war das soviel, daß er
auch noch eine Art Riesensackkarre brauchte, um das überhaupt bewegen zu
können. Wir verbrachten einen ganzen Tag in Bangkok, er zeigte mir einige
Highlights der Stadt, abends fuhren wir mit dem Taxi zur Mo-Chi-Station, dem
zentralen, aber denkbar schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren
Busbahnhof der Riesenstadt. Wer da wohl geplant hat? Dort trafen wir auch zum
ersten Male auf die 4 Slowaken, Branislav, Jozef, Mario und Ondej, alle echte
Höhlenkameraden, deren Teilnahme an der "Höhlenexpedition" ein
wirklicher Gewinn war. Die ganze Nacht hindurch ging es im Bus 600 km weit in Richtung auf
die laotische Grenze. Ein kompliziertes Grenzübergangsbrimborium war noch zu
erledigen, dann brachten uns endlich 2 Kleinbusse nach Thakek. Dort begegneten
wir erstmals Claude Mouret und Jean-Francois Vacquie, die sich unserer Gruppe
für die nächsten Wochen auch teilweise anschlossen. Sie bezahlten ja
schließlich auch
Camlex, Höhlenforscher und Busfahrer, und die Nutzung seines Kleinbusses.
Wir übernachteten im Phonepadith Hotel in Thakek, speisten zusammen an einem
Ort, den Liviu organisert hatte. Als ich heimkehrte, fragte ich mich zutiefst,
worauf ich mich hier eingelassen hatte. Ich hatte Schauergeschichten von
scharfen Königskobras gehört, die aufgerichtet mitten im Höhlengang dem
Höhlenbegeher entgegenschoßen, von Giftvipern, die paarweise aus der
Höhlendecke auf den "Höhlenforscher" herunterfielen und einen sogar
in den Trageriemen seines Höhlensackes gebissen haben. Man sollte sich in Acht nehmen
vor den Kobras, die in den Höhleneingängen lebten, dort, wo sie zu viert oder
fünft am meisten Auskommen finden würden. Am Morgen sollte man die Stiefel
immer prüfen. Dort fänden sich gelegentlich giftige Skorpione. Wo nur war ich
hingeraten?
Die "Truppe" ohne "head"
Als die Sonne wieder aufging, da strebten alle in diese Zone - aber erst nach einer kräftigen Shoppingtour. Peter zahlte ja alles, den Kühlschrank, den Tisch, die Stühle, die Elektrokleingeräte. Sein Nein war da, nur Liviu überspielte es. Zwei Busse fuhren schließlich in die Berge östlich von Thakek, einer davon von den Franzosen alleine bezahlt, obwohl alle die Fahrmöglichkeit gerne nutzten. Von der geteerten Straße ging es ab auf eine einfache Piste, die gleich wieder unterbrochen war. Die Brücke über den Nam Don war noch nicht fertig, weshalb wir hinab zu einer Furt im Fluß mußten und auf der anderen Seiten wieder steil hinauf. An manchen Stellen war die Piste gerade noch befahrbar, zumindest weil sie trocken war. Die Szenerie wurde dramatisch, Hunderte von Metern hohe Felswände türmten sich vor uns auf, hier ein grauschwarzer Turm, dort auch einer, dazwischen viel trockenes hellgelbes Freiland. Wie ich später erfuhr handelt es sich hier um uraltes Poljengebiet, riesige Felschüsseln, in denen sich das Wasser, Schlamm und anderes Material sammelte und unterirdisch wieder abfloß. Das Gestein stammt aus dem Perm und dem Devon, ist also 200 Millionen Jahre alt und weniger.
Vereinzelte Häuser auf Stelzen, Kleinweiler, ein paar abzweigende Pisten, dann noch eine Abbiegung nach links, links und rechts der Straße begrenzten Holzzäune den Fahrweg, dahinter trockene Reisfelder. Dann hatten wir Ban Na erreicht, unser Ziel und unsere Heimat für mehrere Wochen.
Schon am Nachmittag unternahmen wir eine erste Exkursion. Es ging hinaus aus dem Dorf im Kleinbus in Richtung Berge am Horizont. In den Tagen danach ging es noch oft dorthin, meist zu Fuß. Je nachdem welcher Höhleneingang zum Pha-Soung-System gerade angesteuert wurde, dauerte es zwischen 30 und 45 Minuten bis das Ziel erreicht bar. Oft hatten wir den immer mehr austrocknenden Nam Don zu überqueren und bekamen, wenn man sich schickte und es richtig anstellte, meist keine nassen Füße. Am ersten Nachmittag besuchten wir alle den klassisch-schönen Eingang in die Tham Khai Nau, eine weite Öffnung, in der ein See stand, hinter der aber bereits nach 100 m ein Siphon den Weg versperrt. Links davon kommen riesige Sinterkaskaden die Wand von oben herab. Rechts ist bereits der nächste Eingang, gerade mannshoch, durch den man in die eigentliche Höhle gelangen kann. Danach folgten wir dem Wandfuß noch einige Hundert Meter und sahen erstmals hoch oben in den schwarzen Felsen das große Höhlenportal, das in den nächsten Tagen der Schauplatz einer großen Forschungsaktion werden sollte, der Eingang in die "Höhle der wirbelnden Bäume". Es war noch etwas Zeit bis zum Dunkelwerden, das abends immer ziemlich schnell gegen 6 Uhr passierte. Die beiden französischen Höhlenfreunde führten uns noch zum höchst spektakulären Ursprung des Nam-Don-Flusses, wo unter einer hohen Felswand abrupt ein ganzer Fluß hervortritt. Ein paar Schritte weiter entlang der ca. 300 m hohen Wand kommt man zu einem Seitenportal, durch das man in eine Höhlenpassage kommt, die zurückführt zum Fluß. In wunderbar blauem Licht erscheint da das Flußwasser, zauberhaft wie in der Blauen Grotte.
Es ging ging gleich zurück zum Dorf und ins Haus des
Dorfvorstehers. Dort war unser "Eßzimmer" auf dem Balkon des
Stelzenwohnhauses. Wenn man etwas von seinem Essen verloren hatte, dann konnte
man es in die Ritzen zwischen den Brettern einfach schieben, wo hinunter auf die
Erde fiel und es dann von den Hühnern, den Schweinen oder gar den Wasserbüffeln, die sich
überall frei herumtrieben, gefressen wurde.
Was auf den Tisch kam, hatte Klasse. Maliwan, die Frau von Liviu, war unsere
zueverlässige Köchin und sorgte für das feinste Essen. Asiatische Küche gab es, aber
gelegentlich war auch ein Kartoffelsalat z.B. auf dem Speiseplan. Getrunken
wurde hauptsächlich BierLao, das wir flaschenweise in dem kleinen Laden über
der Straße kühlschrankfrisch für 10.000 Kip die Flasche erwarben. Das warme
Klima machte durstig, so daß es oft nicht nur bei einem Bier pro Abend blieb.
Zum Reden gab es am Tisch genug, auch über hochaktuelle politische Dinge.
Leider kamen dann aber auch Sachen zur Rede, die ganz neben der Spur waren und von
keinerlei Sachkenntnis getrübt waren. Glücklicherweise waren die Gemeinten sehr
diplomatisch, persönlich nicht gleich gekränkt und körperlich zurückhaltend. Es
hieß z.B. dann nur bei, "wenn du das 1946 bei uns gesagt hättest, dann hätte
man dich genommen, wäre mit dir hinter die Scheune gegangen und hätte dich
erschossen. Keiner hätte nach dir mehr gekräht." Das muß schon sehr
kränkend gewesen sein.
Der Tagesablauf verlief überhaupt nicht hektisch. Keiner wollte schon um 6 Uhr aufstehen und um 7 Uhr schon zu den Exkursionen aufbrechen. Meist wurde es schon 10 Uhr, eh man sich aufmachte. Um 6 Uhr abends sollte man zurück sein, um 7 Uhr gab es Essen.
Die Pha Soung-Gruppe strebte in den folgenden Wochen fast
täglich zu den verschiedenenen Eingängen der Höhle und erschloß sich von
dort aus die kreuz und quer und über- und durcheinander verlaufenden Gänge. So
konnte auf engstem Raum eine erstaunlich große Anzahl von Gängen liegen, ohne
daß man tief in den Berg eingedrungen war. Liviu war um seine Aufgabe wirklich
nicht zu beneiden, da einen genauen und vollständigen Plan aufzunehmen.
An einem Tag nahm er die ganze Truppe mit durch den Berg. Wir stiegen durch die
Tham Hay ein und kamen Stunden später, nachdem wir oft große Kammern und tiefe
Klüfte passiert hatten, auch ein 120 m langer niedriger Verbindungstunnel war
zu durchschliefen, wieder zu Tage. Da wurde dann auch ein wenig richtig
"geforscht". Liviu hatte an einer Stelle bis zu einer Engstelle
vermessen, war selber aber nie hindurch geschlupft. Laut Plan konnten nur wenige
Meter zu einem Teil in der Tham Khai Nau sein, der Höhle, die gleich nebenan
liegt. Die Präzision von Livius Vermessung bestätigte sich. Gerade mal 3 Meter
waren es, dann war das Ziel der Verbindung erreicht. Später seilte sich einer
der Slowaken in einer bald 40 m hohen Strecke aus einer oberen Etage in die
Tiefe ab und kam ganz in der Nähe von Steinmännchen heraus, die weit unterhalb
auf der Höhlensohle der Tham Kouan Moo errichtet worden waren. Es war wie ein
riesiges Puzzlespielen, bei dem die unterschiedlichsten Höhlenteile immer mehr
miteinander verbunden wurden. Beim Hinausgehen delegierte Liviu die Vermessung
eines kleineren Parallelganges eines großen Tunnels auch einmal an die
Slowaken, die umgehend diese Aufgabe anpackten und vollendeten.
Ansonsten erledigte Liviu selbst die Vermessungsaufgabe, wozu er immer
mindestens einen Helfer dabei haben wollte. Das war eine notwendige, aber nicht
unbedingt gefragte Aufgabe. Es konnte einem schon richtig langweilig dabei
werden, da man ja meist nichts zu tun hatte. Ab und zu schlug er dann vor, da
einen Seilquergang einzurichten, eine Kletterstelle mit einem Seil zu versehen -
kaum geäußert hatten die slowakischen Höhlenforscher die Aufgabe erledigt
und....saßen wieder herum. Forschung sieht anders aus. Ich hatte meine
Spezialaufgabe: Solohöhlenphotographie, was mich stundenlang beschäftigte,
erschöpfte, aber auch, wenn was Gutes dabei herauskam, auch tief befriedigte.
Josef war der Spezialist für die Höhlenschnecken und suchte die großen und
kleinen Schalentiere, wo immer sie zu finden waren, und untersuchte sie dann
abends im Tempel unter dem Mikroskop.
Das Hauptergebnis der Tour ist die Nach- und Weitervermessung des Pha Soung
Systems, das 2016 auf 16.750 m vermessen war und nun 2017 mit 20.068,8 m in den
Statistiken in Zukunft aufscheinen sollte. Nach Meinung von Livie sind nun 90 %
das Systems erforscht und vermessen.
In der Kouan Moo Doline, in der ja viele Eingänge des Pha Soung-Systems ausstreichen, wurden weitere Höhlen und Höhlchen untersucht, die aber in keiner Verbindung mit dem Hauptsystem stehen. Wir brauchten einfach nur weiter der Felswand folgen. Da war die Tham Pha Kouan Moo, die Höhle, in der einmal ein buddhistischer Mönch lange Zeit meditierenderweise zugebracht hatte. Sie besteht hauptsächlich aus einem sehr geräumigen Tunnelgang mit einigen Abzweigungen. Nach innen zu nahmen die Dimensionen immer mehr zu, aber die Höhle endet an Lehmwänden. Immerhin 988 m Länge hat die Höhle. Gleich daneben liegt die Tham Nam Kouna Moo Yo, ein bewettertes Labyrinth mit 10 Eingängen und vielen relativ niedrigen Gängchen. In ihm wurden 829 m bislang vermessen. Auch zwei weitere kurze Höhlen wurden vermessen, eine davon mit herrlichen Phytokarstbildungen.
So vergingen die Tage, einmal gab es auch einen Ausflug in eine Höhle der Umgebung, die Tham Dan Makhia. Eigentlich sollte es mehr eine Phototour sein und der Restklärung von Details der Vermessung. Tatsächlich wurde dann durch Josef einer der schönsten Forschungserfolge der gesamten "Expedition" daraus. Er verdoppelte im Alleingang einfach die Gesamtganglänge und brachte damit zum Vorschein, daß auch diese Höhle wohl erst zum kleinen Teil dem Menschen bekannt ist. Die beiden Franzosen, Claude Mouret und Jean-Francois Vacquie, hatten ja ihre eigene Forschungsgenehmigung und widmeten sich in ersten Linie der Weiterforschung des Tham Houay Say - Tham Khoun Don-Systems, das möglicherweise zum größten Höhlensystem von Laos werden könnte. Sie gingen nur jeden zweiten Tag dorthin, denn die Touren sind lang und anstrengend, so daß es gut ist, wenn man im Rhythmus von Anstrengung und Erholung sich bewegt. Die Erholungstage nützten sie, um in der Umgebung auch andere Höhlen aufzusuchen, sie kennenzulernen, gelegentlich auch zu vermessen oder kleineren Forschungsaufgaben nachzugehen. Ich hatte das Glück, daß sie mich mehrmals mitnahmen und ich so weitere bedeutende Höhlen kennenlernen konnte. Unmittelbar mit der Erforschung des Pha-Suong-Massifs hatte die Vermessung der Tham Kammatan-Höhle zu tun, die aus der Kouan Moo-Doline, der Wildschweindoline, wieder herausführt mit einem gewaltigen Tunnel, der einige Seitentunnels aufweist. Insgesamt dürfte das System 2 km Länge haben und wird von den Einheimischen als bequemer Zugang zur Doline benutzt. Daß es Einheimische waren, das zeigten die Abdrücke nackter kleiner Füße im Sand, begleitet von Hundespuren. Eine weitere Exkursion führte uns zur Tham Phiseu, dem Höhlensystem mit dem größten Höhenschied in ganz Südostasien, über 450 Meter. Hier wollen wir an der Oberfläche nach weiteren Eingängen Ausschau halten. Das Gelände erwies sich leider so widerspenstig, so dornengefüllt, scharffelsig, einfach nur abweisend, so daß nur ein Verfolgen des Wandfußes mit seinen vielen kleinen Höhlen übrig blieb. Den Tag beschlossen wir mit einem Besuch einer herrlichen Karstquelle mitten in einem Felsental.
Ein Projekt, das ursprünglich so gar nicht geplant gewesen war, entpuppte sich als einer zentralen Leistungen der ganzen Tour. Es wandelte binnen Tagen das gesamte Dorf Ban Na um und katapultierte es in ein neues Zeitalter: Man bekam eine funktionsfähige Wasserleitung! Peter Lenahan, Höhlenforscher aus New York, außerdem gelernter Installateur und erfolgreicher Computerunternehmer (und zu den Pionieren des Internets gehörig, Stichwort Berners-Lee und die "Download-Funktion") finanzierte dieses Vorhaben und kümmerte sich persönlich um die Ausführung. Ein großer Abschiedsabend wurde für ihn veranstaltet, wo ihm das gesamte Dorf dankte. Einfach toll!
Nach und nach verabschiedeten sich die Teilnehmer an der "Expediton", erst die Slowaken, die sich ein Allradfahrzeug gemietet hatten, um auch andere Teil von Laos zu erkunden. Dann reiste Peter ab, dann die Franzosen, dann war ich alleine noch übrig - mit Liviu und seiner Frau. Liviu engagierte nun Leute aus dem Dorf, die nun mit uns ins Pha Soung-System gingen.
Dann kam es zu einer abendlichen Aussprache. Rückblickend
faßte ich meinen Eindruck so zusammen: Das war nicht wirklich eine
"Höhlenforschungsexpediton" gewesen, sondern man hätte das besser
als "Höhlenvermessungstage mit Liviu" beschreiben können. Er wollte
von mir eine Definition von "Forschung" haben und da formulierte ich
schnell etwas zusammen, von wegen Austesten von Grenzen, ob da wirklich eine sei
oder ob es nicht doch "weiter ginge", ob sie doch
"durchlässig" irgendwo sei. Wir kennen in der deutschen Sprache ja
das Wort "Neuland", was recht gut paßt. Wo hatten wir in den
vergangenen vielen Tagen wirklich "Neuland" gefunden? Liviu vielleicht
bei seinen Vermessungszügen, aber das Gros der Teilnehmer?
Ja, zufällig in der
Tham Dan Makhia durch Jozef. Ja, der war einfach weitergekrochen als alle
anderen vor ihm (eine Verkettung glücklicher Momente: Ich hatte Jozef gebeten,
einen Moment zu warten, weil ich eine Soloaufnahme schon vorbereitet hatte und
nur noch ein paar Sekunden brauchte, bevor sie fertig war. Er setzte sich
einfach nicht nur hin und wartete, sondern nützte die Zeit und schaute sich
ganz genau um. Ich glaube nicht, daß das an dieser Stelle passiert wäre, wenn
es anders gelaufen wäre.)
Aber in dem Hauptziel des Unternehmens, dem Pha Soung-System?
Überall hieß es nur: Da war ich, ich, Liviu, schon. Ich kam mir so vor, wie es
der Ausdruck beschreibt, den ein Franzose in einem polemischen
Internetbeitrag über die Geschichte der Erforschung des nahe gelegenen
Khoun-Don-Systems benutzt hatte, als "second-hand explorer".
Glücklicherweise habe ich ja die Höhlenphotographie und die zielt ja auf eine
ganz andere Dimension des Höhlenerlebens, so daß ich auf diese Weise sehr
zufrieden sein kann über die Reise. Es sind viele "nicht
alltägliche" Bilder entstanden, die man wohl auch zweimal anschauen kann,
viel mehr als bloße "Selfies" wie sie Liviu einmal abwertenderweise
tituliert hat..
Da kam es dann eben zum Bruch. Liviu, der sich ja sehr verdient
gemacht hat, daß er diese Tour überhaupt zustand gebracht hat, daß er für
das Grundlayout gesorgt hat, die Termine und Orte bestimmte, die Menschen
zusammenführte, sich um das leider sehr komplizerte und teure
Genehmigungsverfahren gekümmert hat (wir mußten 2.000 Euro für die Gruppe
bezahlen - und statt dem beantragten Zeitraum stand auf einmal im Bescheid, den
wir erst bekamen, als er schon wieder abgelaufen war, daß wir nur vom 7. bis
zum 16. Februar 2017 dort hätten tätig sein dürfen). Ein genaues
Programm im voraus zu entwickeln, das wünscht man sich als Teilnehmer, aber ist
halt vom Organisator meist nicht wirklich zu erstellen. Einerseits wünschen wir
uns das auch gar nicht. Als bis in die Wolle gefärbte Forscher, die ja gerade
das Unbekannte und Ungeahnte suchen, wäre das ja ziemlich langweilig.
Aber wenn schon da einmal was steht, möchte man auch, daß es eingehalten wird.
In diesem Falle waren es die Ausflüge nach 9 bzw. 10 Tagen des immergleichen
Zielgebiets "Pha Soung System". Dann sollte es mal zur Tham Dan Makhia
gehen, zur Höhle der Buddhas, am nächsten Tag zur Kong Lor Cave, eines
Riesenfahrerei in eine der spektakulärsten Höhlen Khammouanes. Aus dem Trip
wurde dann nichts. Er fiel einfach aus, mangels "van car". Schade.
Schwierig war einfach der Umgang mit dem "head of the expediton",
Liviu, der sich wirklich einmal als "king of the village" bezeichnet
hat. Erfolgreiche moderne Menschenführung sieht anders an, man sollte nicht
dauernd darauf aus sein, zwischen top dogs und under dogs zu unterscheiden,
andere schlecht machen, um selber besser auszusehen, versuchen, für andere
"Vater und Mutter zu spielen". Ich fühlte mich an Don Quichotte
erinnert, der ja aus seiner Zeit gefallen war und z.B. auf seinem Gaul gegen
Windmühlen anritt, angewiesen einfach auf seinen treuen Sancho Pansa. So
einen Gefährten scheint er immer wieder zu suchen, wobei die Personen wechseln
können.
Es scheint sich eine Zeit zu Ende zu neigen. Die exorbitant gewordenen Genehmigungsgebühren verbieten in Zukunft fast solche Kleinexpeditionen. Die 27-köpfige Expedition unter der Schirmherrschaft des EU-Höhlenforscherverbandes und der FFS, der Dachorganisation der französischen Höhlenforscher, die ja kurz nach unserem Unternehmen begann, bezahlt ja wohl nicht aus eigener Tasche dieses Geld. Sie sollen um die 7.000 Euros dafür lockt gemacht haben. Ob sie Erfolge haben wird? Wir werden es sehen.
Was bleibt von diesen Touren? Wenig, sehr wenig. Diese Webseite ist ein kleiner Versuch, ein wenig auch andere daran teilhaben zu lassen. Es wird ein paar Vorträge von mir über die "Expediton" geben, wo noch viel mehr von den Höhlenphotos zu sehen sein werden - auch die sehr guten, die ich nicht ins Internet stelle, grundsätzlich. Denn ich mag die Haltung des einfachen, schnellen, kostenlosen Konsumierens, die durchs Internet gefördert wird, ohne daß dafür auch irgendwie "gezahlt" wird, nicht wirklich. "There is nothing like a free lunch." Das stimmt.
"This is holiday. We go to a horizontal cave." Slowakischer Höhlenforscher
Bohrung nach dem Wasser im Buddhatempelareal
Februar 2017 |
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Graben der Wasserleitung | ||
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Das Fest (man achte z.B. auf die Symbolgegenstände die geopfert wurden: zwei Eier und eine Banane dazwischen!) |
Die 27köpfige EU/Frankreich-Höhlenexpediton endete mit einem Desaster. Auf einmal stand ein großes Aufgebot von Polizisten vor dem Hotel in Thakek, und nahm alle mit, die da waren, immerhin 17 Personen und setzte sie für 3 Tage hinter Gitter. Dann hatten sie 100 $ pro Person Strafe zu zahlen und wurden dann über die Grenze nach Thailand abgeschoben. Sie gelten als unerwünschte Personen in der Zukunft in Laos. Beschuldigt wurden sie des illegalen Forschens in Höhlen, für die sie keine Erlaubnis hatten. Wer nicht gefaßt wurde, der verdrückte sich gleich nach Thailand und entkam so dem Gefängnisaufenthalt.
Literatur:
Lindenmayr, Franz | Höhlenexpeditionen im Februar 2017 in der Provinz Khammouane / Laos, in: 125 Jahre Tiefenhöhle 70 Jahre Höhlen- und Heimatverein, Jahrestagung des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher in Laichingen 2017, S. 9 |
"Links:
http://www.expelaos.com/document.php?pagendx=96
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